Ökonom: Debatte um Bürgergeld für Ukrainer ist Populismus

Marcel Fratzscher. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)
Marcel Fratzscher. (Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Berlin (dpa) - Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher hat Forderungen nach einer Beschränkung des Bürgergelds für Ukraine-Flüchtlinge als «blanken Populismus» kritisiert. «Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur ein Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt», sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

«Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen», forderte Fratzscher. Dies sei eine riesige auch wirtschaftliche Chance, da sich das Arbeitskräfteproblem hierzulande in den kommenden Jahren massiv verschärfen werde.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte der «Bild»-Zeitung gesagt: «Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.» Ähnliche Forderungen waren wiederholt aus der Union gekommen. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) argumentierte etwa, das Bürgergeld sei zum «Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme» geworden.

Michael Stübgen. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)
Michael Stübgen. (Bild: Sean Gallup/Getty Images)

Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband sagte der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten»: «Dass hier auf einen populistischen Zug der Bürgergelddebatte aufgesprungen wird, macht uns fassungslos, denn es hat mit der Lebensrealität der meisten Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland nichts zu tun.» Man wisse, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer eifrig Deutsch lernten und erfolgreich Integrationskurse abschlössen, sagte der Leiter der Abteilung Sozialpolitik des Verbands. Diese Leute wollten arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen.

Die Bundesregierung hatte die Forderungen zurückgewiesen. Das Arbeitsministerium wies darauf hin, dass mit der Zuständigkeit der Jobcenter für ukrainische Geflüchtete auch schneller Maßnahmen für ihre Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden könnten.

Während Ukraine-Flüchtlinge in den ersten Monaten nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs lediglich Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, können sie seit Juni 2022 Grundsicherung bekommen, also die gleichen Leistungen wie Empfänger von Bürgergeld (damals noch Hartz IV). Begründet wurde dies unter anderem damit, dass sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben und keine Entscheidung wie bei Asylbewerbern abwarten müssen.