TV-Reporter schwärmt von Zukunft mit Labor-Fleisch: "Wir werden sagen, wir waren verrückt"

3sat-Reporter Ingolf Baur ist auf der Suche nach dem Fleisch der Zukunft. (Bild: ZDF/Florian Kössl)
3sat-Reporter Ingolf Baur ist auf der Suche nach dem Fleisch der Zukunft. (Bild: ZDF/Florian Kössl)

Wird es in einigen Jahren nur noch im Labor hergestellte Fleisch- oder Fischprodukte geben? Oder liegt die Zukunft des Fleischkonsums in der Genmanipulation von Tieren? Eine 3sat-Doku zeigt: So wie es ist, kann es nicht bleiben.

Laut Statistischem Bundesamt ist die Fleischproduktion in Deutschland 2023 um vier Prozent gesunken. Insgesamt erzeugten Schlachtunternehmen 6,8 Millionen Tonnen Fleisch - 280.200 Tonnen weniger als im Jahr 2022. Und es könnte so weitergehen, schließlich gilt die massenhafte Fleischproduktion als eine der größten Bedrohungen für den Planeten. Klar ist: So wie es ist, kann es nicht bleiben.

Fleischkonsum ohne schlechtes Gewissen - geht das überhaupt? Ja, lautet das Fazit der 3sat-Dokumentation "Echtes Fleisch ohne Tier - Die Zukunft schmeckt anders" (Donnerstag, 25. April, 20.15 Uhr, bei 3sat und bereits vorab in der 3sat-Mediathek). Der Film zeigt: Das Fleisch von morgen könnte aus dem Labor kommen, vom Jäger oder vom Tierschutz-Hof.

In San Francisco trifft Reporter Ingolf Baur auf Joshua Tetrick, der mit "Good Meat" als eines der ersten Unternehmen in Amerika eine Zulassung für kultiviertes Fleisch erhielt. In großen Tanks vermehrt er Muskelzellen von Hühnern und füttert sie unter anderem mit Proteinen und Fetten. Er "liebe den Geschmack von Fleisch", sagt Tetrick, der eigentlich Jurist ist. "In der Zukunft werden wir es herstellen, ohne Tiere zu töten. Ohne einen einzigen Baum zu fällen. Ohne die ganzen Antibiotika und Treibhausgase. Wir werden zurückblicken und sagen: Wir waren verrückt." Als Tetrick seinem deutschen Gast das Labor-Fleisch serviert, staunt der Reporter: "Es ist sehr weich. Viel weicher, anders, als ich erwartet hatte. Sehr saftig, das gefällt mir."

Fleisch ohne Tierleid - ist das überhaupt möglich? (Bild: ZDF/Colourbox.de, FiledIMAGE, Chris Putnam)
Fleisch ohne Tierleid - ist das überhaupt möglich? (Bild: ZDF/Colourbox.de, FiledIMAGE, Chris Putnam)

Genmanipulierte Rinder: "Im Idealfall möchte man in der Fleischerzeugung männliche Tiere haben"

Joshua Tetrick ist fest überzeugt davon, dass die Ernährungswende kommen wird. "Es ist schwer vorhersehbar, wie schnell sich alles ändern kann. Und dann kommt es doch." Derzeit liegt die Schwierigkeit vor allem daran, das Laborfleisch in großen Mengen herzustellen. "Im Labor könnte man unglaubliche Dinge erreichen, sogar ein perfektes Steak basteln", berichtet eine "Good Meat"-Mitarbeiterin im Film. "Das würde weltweit einigen Instituten gelingen. Aber so zu produzieren, dass es kommerziell lohnt - das ist die wahre Herausforderung."

Eine gänzlich andere Herangehensweise verfolgt Alison Van Eenennaam von der University of California. Für die Agrarwissenschaftlerin spielt das Tierwohl keine Rolle. Sie versucht, Fleischproduktion effizienter zu gestalten. "Einer der größten Vorteile der modernen Tierwirtschaft und Viehzucht ist, dass wir die Rinder innerhalb von 13, 14 Monaten bis zum Schlachtgewicht mästen können", erklärt Van Eenennaam. Davon profitiere auch die Umwelt: "Auf einer Weide dauert es drei Jahre, und das verursacht erheblich mehr Treibhausgase pro Kilogramm Rindfleisch."

Die US-Amerikanerin hat es sich zum Ziel gemacht, die Natur mit Gentechnik zu überlisten. Etwa, indem sie das Genom von Rindern so umbaut, dass sie keine Hörner mehr vererben. Die Gene von Schafen und Ziegen hat Van Eenennaam in der Vergangenheit so verändert, dass ihre Milch medizinische Wirkstoffe produziert. Die "Krönung ihrer Arbeit": Mit der Genschere CRISPR manipulierte sie das Erbgut eines Rindes so, dass die Nachkommen mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit männlich sind. Denn: "Im Idealfall möchte man in der Fleischerzeugung männliche Tiere haben. Sie wachsen effizienter und verwerten Futter besser."

Auch Lachs kann mittlerweile im Labor hergestellt werden. (Bild: ZDF/Florian Kössl)
Auch Lachs kann mittlerweile im Labor hergestellt werden. (Bild: ZDF/Florian Kössl)

Bio-Bauer entsetzt von übermäßigem Fleischkonsum: "Das ist doch pervers!"

Für derartige Eingriffe in die Natur hat Ernst Hermann Maier kein Verständnis. Er betreibt den Uria-Hof in Balingen. Dort leben rund 300 Rinder - Kühe, Bullen und Kälber - "frei und völlig ohne Zwang". Wöchentlich schlachtet er ein bis drei Tiere. Getötet werden die Rinder, darunter niemals Kälber und ihre Mütter, direkt auf dem Hof. Von Massentierhaltung und häufigem Fleischkonsum hält Maier nichts: "Manche Leute sind so bescheuert und essen dreimal am Tag Fleischprodukte, dabei hocken sie den ganzen Tag im Bürostuhl", wettert der Bio-Bauer. "Das muss man sich mal vorstellen. Das ist doch pervers!"

Tatsächlich sind die Zahlen, die im Laufe des Films immer wieder eingeblendet werden, erschreckend: Gegen Ende der Sendung heißt es, während der Dauer der rund 45-minütigen Sendung seien weltweit über sechs Millionen Hühner, 115.000 Schweine und 27.000 Rinder geschlachtet worden. Moderator Ingolf Baur zeigt sich trotzdem optimistisch: "Das Fleisch wird bleiben. Der Genuss auch. Das Tierleid hoffentlich nicht."

Die Fleischproduktion in Deutschland sinkt - doch die Industrie schadet dem Planeten noch immer. (Bild: ZDF/Florian Kössl)
Die Fleischproduktion in Deutschland sinkt - doch die Industrie schadet dem Planeten noch immer. (Bild: ZDF/Florian Kössl)