Ukraine-Krieg: Die Entwicklungen am Dienstag

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Hier gibt's die aktuellen Entwicklungen.

Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)
Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen. (Symbolbild: Getty)

In unserem Nachrichtenticker können Sie die wichtigsten News des Tages zum Krieg in der Ukraine nachlesen.

  • USA sagen der Ukraine weitere Waffenlieferungen zu

  • UN-Vollversammlung soll über russische Annexion in Ukraine beraten

  • Ukrainische Armee: Weitere Orte in der Südukraine befreit

  • Kreml findet Musk-Vorstoß «positiv» - weist ihn aber im Kern zurück

  • Ukraine verbietet Gespräche mit Wladimir Putin

  • Schoigu: Schon mehr als 200 000 Russen zum Militärdienst eingezogen

  • Baerbock: Lassen uns von Putins Atomdrohungen nicht erpressen

  • EU-Kommission wappnet sich für mögliche Blackouts

  • Angst vor Kriegsdienst - 200 000 Russen nach Kasachstan gereist

  • Russlands Föderationsrat ratifiziert Annexion ukrainischer Gebiete

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ USA sagen der Ukraine weitere Waffenlieferungen zu +++

Die US-Regierung hat weitere Waffenlieferungen für die Ukraine im Wert von 625 Millionen US-Dollar (625 Millionen Euro) angekündigt. Das Paket beinhalte unter anderem weitere Mehrfachraketenwerfer von Typ Himars, Munition und gepanzerte Fahrzeuge, wie das Weiße Haus am Dienstag mitteilte. In einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj betonte US-Präsident Joe Biden demnach, dass die USA die völkerrechtswidrige Annexion von Teilen der Ostukraine durch Russland niemals anerkennen werden. Biden betonte die Bereitschaft der US-Regierung, jedes Land, das die Annexion unterstütze, mit «hohen Kosten» zu belegen. Er versprach, der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen die russische Aggression so lange wie nötig zu helfen.

Bei dem Rüstungspaket für die Ukraine handelt es sich dem US-Außenministerium zufolge um Bestände des Pentagons. Damit erhöhe sich die militärische Unterstützung der USA für die Ukraine seit Beginn von Bidens Amtszeit auf einen Gegenwert von insgesamt 17,5 Milliarden Dollar. Der Großteil der Hilfen wurde seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar gewährt. Erst vergangene Woche hatte die US-Regierung ein Rüstungspaket im Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar zugesagt.

+++ UN-Vollversammlung soll über russische Annexion in Ukraine beraten +++

Die UN-Vollversammlung soll sich in einer Dringlichkeitssitzung mit der völkerrechtswidrigen Annexion von Teilen der Ostukraine durch Russland beschäftigen. Das geht aus einem Brief des größten UN-Gremiums an die 193 Mitgliedsstaaten vom Dienstag hervor. Bei den Beratungen ab diesem Montag um 21 Uhr deutscher Zeit soll es Diplomaten zufolge auch eine Abstimmung über eine Resolution geben, die Moskaus Taten verurteilt. Ob die Abstimmung wegen der möglicherweise vielen Rednerinnen und Redner noch am selben Tag stattfindet, war zunächst unklar.

Gegen einen ähnlichen Beschlussentwurf hatte Russland am Freitag im UN-Sicherheitsrat - dem mächtigsten Gremium mit 15 Mitgliedern - sein Veto eingelegt. China, Indien, Brasilien und Gabun hatten sich enthalten.

Bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung wird mit einer großen Mehrheit für die Verurteilung gerechnet, doch der Text wird sich an zwei vorherigen Ergebnissen messen müssen: Im März hatte die Vollversammlung Russlands Invasion mit einer historischen Mehrheit von 141 Stimmen zurückgewiesen. Im Jahr 2014, nach der Annexion der Krim durch Russland, bekannten sich 100 Mitgliedsstaaten zu einer Resolution, die die territoriale Integrität der Ukraine betonte.

+++ Nach Annexion ukrainischer Gebiete erwartet Moskau höhere Ernte +++

Russland rechnet nach der als völkerrechtswidrig eingestuften Annexion von vier Gebieten in der Ostukraine mit einer höheren Getreideernte. «Unter Berücksichtigung des dortigen Ackerlandes denke ich, dass Russland mindestens fünf Millionen Tonnen Getreide zusätzlich bunkern würde. Das dürfte auch bei anderen Kulturen der Fall sein», sagte Landwirtschaftsminister Dmitri Patruschew am Dienstag der Staatsagentur Tass zufolge.

Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche die Annexion der teils besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson bekannt gegeben. International wird dieser Schritt nicht anerkannt.

Patruschew rechnete in diesem Jahr mit 150 Millionen Tonnen Getreide - davon 100 Millionen Tonnen Weizen. Das wäre ein Rekord. Russland gilt als einer der wichtigsten Exporteur weltweit - wie die Ukraine auch. Das von russischen Truppen angegriffene Nachbarland hatte Moskau wiederholt beschuldigt, Getreide aus den besetzten Gebieten in der Ost- und Südukraine ins eigene Land gebracht zu haben.

Nach früheren Angaben wollte Russland in der zweiten Jahreshälfte bis zu 30 Millionen Tonnen Getreide für ausländische Märkte zu liefern. Die Vereinten Nationen befürchten Lebensmittelknappheit und Hunger in armen Teilen der Welt, wenn die Ukraine infolge des russischen Angriffskriegs als ein wichtiger Getreidelieferant ausfällt.

+++ Russische Popdiva Pugatschowa: «Habe Glück, dass mich Leute hassen» +++

Nach ihrer Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat sich die bekannte russische Popsängerin Alla Pugatschowa bei Instagram zu Wort gemeldet. «Oh, mein Gott! Ich habe so ein Glück, dass mich Leute hassen, die ich nie dulden konnte», schrieb die 73-Jährige am Dienstag. «Wenn sie mich mögen würden, würde das bedeuten, dass ich umsonst singe und lebe.» Wen genau die Künstlerin damit meinte, ging aus der Nachricht nicht hervor. Sie bezeichnete diese Leute als «Lakaien», die zu Sklaven geworden seien.

Im September hatte Pugatschowa beklagt, dass die russischen Soldaten für «illusorische Ziele» stürben, während Russland durch den Krieg international geächtet werde. Ihre Worte fanden ein breites Echo. Sie solidarisierte sich zugleich mit ihrem Ehemann Maxim Galkin, einem berühmten Komiker im israelischen Exil, der vom russischen Justizministerium als «ausländischer Agent» eingestuft worden war.

Unter Pugatschowas Post gab es bis zum Nachmittag mehr als 20 000 Kommentare - mit Zuspruch, aber auch der Frage, warum sie sich erst jetzt äußere. Die 73-Jährige gilt als Superstar in ihrer Heimat.

+++ Gazprom droht Moldau mit Gasabschaltung zum 20. Oktober +++

Russland hat der zwischen Rumänien und der Ukraine liegenden Ex-Sowjetrepublik Moldau wegen ausstehender Zahlungen mit einem Abschalten der Gaslieferungen gedroht. «Gazprom behält sich alle Rechte vor, darunter auch das Recht auf eine völlige Einstellung der Lieferungen, wenn bis 20. Oktober die Zahlungsverpflichtungen (der Republik Moldau) nicht erfüllt sind», teilte der Energiekonzern am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Weil die Altschulden zudem immer noch nicht geregelt seien, könne Gazprom ohnehin jederzeit den Gashahn abdrehen, betonte das Unternehmen.

Gazprom hat Anfang Oktober die Lieferungen an die nach Westen strebende Republik Moldau gedrosselt. Statt der bestellten 8,06 Millionen Kubikmeter pro Tag liefert der Konzern nur 5,7 Millionen, angeblich aufgrund von Transitproblemen durch die Ukraine.

Nach Angaben von Gazprom belaufen sich die Gasschulden der ehemaligen Sowjetrepublik mit Strafen auf insgesamt 709 Millionen US-Dollar. Moldau bestreitet die Höhe der Summe und besteht auf einer Überprüfung.

+++ Ukrainische Armee: Weitere Orte in der Südukraine befreit +++

Bei Gegenangriffen in der Südukraine hat die ukrainische Armee nach eigenen Angaben weitere Ortschaften von russischen Truppen befreit. Der Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, schrieb am Dienstag beim Nachrichtendienst Telegram von fünf Orten, die zurückerobert worden seien. In sozialen Netzwerken kursierten Videos aus dem lang umkämpften Dorf Dawydiw Brid und den Ortschaften Welyka Olexandriwka und Starossillja am Fluss Inhulez. Zudem sollen ukrainische Einheiten in Dudtschany am Fluss Dnipro eingerückt sein. Offizielle Bestätigungen lagen zunächst nicht vor.

+++ Kreml findet Musk-Vorstoß «positiv» - weist ihn aber im Kern zurück +++

Der Kreml hat Ideen von US-Milliardär Elon Musk zur Beendigung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine begrüßt, Kernforderungen dieses Vorstoßes aber zugleich zurückgewiesen. «Es ist doch positiv, dass jemand wie Elon Musk nach einem friedlichen Ausweg aus der Situation sucht», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der Staatsagentur Ria Nowosti zufolge. «Was aber die Durchführung von Referenden betrifft, haben die Einwohner bereits ihre Meinung geäußert. Und hier kann nichts anderes gelten.»

Musk hatte auf Twitter einen neutralen Status für die Ukraine, den Verzicht des Landes auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim und neue Referenden unter UN-Aufsicht zur staatlichen Zugehörigkeit der anderen russisch besetzten Gebiete vorgeschlagen. Nach entrüsteten Antworten aus Kiew stellte Musk einen neuen Vorschlag zur Debatte: Die Menschen auf der Krim und im Donbass sollten darüber abstimmen, ob sie Teil der Ukraine oder Russland sein wollten.

Litauens Präsident Gitanas Nauseda kritisierte Musk: «Wenn jemand versucht, die Räder Ihres Tesla zu stehlen, macht ihn das nicht zum rechtmäßigen Eigentümer des Autos oder der Räder. Auch wenn Sie behaupten, dass beide dafür gestimmt haben», schrieb der Staatchef des baltischen EU- und Nato-Landes in der Nacht zu Dienstag an Musk gerichtet auf Twitter.

+++ Ukraine verbietet Gespräche mit Wladimir Putin +++

In der Ukraine sind Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verboten worden. Ein entsprechendes Dekret des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde am Dienstag auf dessen Webseite veröffentlicht. Dem ging eine Entscheidung des Rates für Sicherheit und Verteidigung voraus. Selenskyj hatte den Schritt bereits am vergangenen Freitag angekündigt.

Der Sicherheitsrat reagierte damit auf die russische Annexion von vier ukrainischen Gebieten in der Süd- und Ostukraine, die international als Völkerrechtsbruch kritisiert wurde. Selenskyj leitet den Rat bestehend aus Regierungsmitgliedern und den Chefs von Armee und Geheimdiensten.

Aus dem Kreml in Moskau hieß es dazu: «Jetzt warten wir entweder auf einen Positionswechsel des jetzigen Präsidenten oder wir warten auf den künftigen Präsidenten der Ukraine, der seine Positionen im Interesse des ukrainischen Volkes ändern wird», sagte Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Die Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson stehen nach dem russischen Einmarsch vom 24. Februar zu großen Teilen unter Kontrolle Russlands. Nach ukrainischen Gegenoffensiven muss sich die russische Armee jedoch immer mehr aus Territorien zurückziehen, die Moskau nach der Annexion nun offiziell als russisch ansieht.

In den ersten Wochen des Krieges gab es Gespräche zwischen der Ukraine und Russland vor allem auf Ebene von Unterhändlern. Der Kreml hatte ein Treffen der beiden Präsidenten an für Kiew nicht akzeptable Bedingungen geknüpft. Nach den zunehmenden Erfolgen der ukrainischen Armee schließt Kiew Verhandlungen vor dem kompletten Abzug der russischen Truppen von ukrainischem Staatsgebiet praktisch aus.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Bild: Reuters)
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. (Bild: Reuters)

+++ Schoigu: Schon mehr als 200 000 Russen zum Militärdienst eingezogen +++

Im Zuge der Teilmobilmachung in Russland sind nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu bereits mehr als 200 000 Menschen eingezogen worden. «Die Ausbildung erfolgt auf 80 Übungsplätzen und in 6 Ausbildungszentren», sagte er am Dienstag in Moskau seinem Ministerium zufolge.

Experten des britischen Verteidigungsministeriums hatten zuvor noch von erheblichen Problemen berichtet. Russland sei nicht mehr in der Lage, ausreichend Ausrüstung und militärisches Training für die große Zahl an Rekruten bereitzustellen, hieß im täglichen Kurzbericht.

Schoigu sagte, die zuständigen Stellen seien angewiesen worden, den Rekruten die notwendige Kleidung und Ausrüstung zur Verfügung zu stellen und sie einzuweisen. Nach Schoigus Darstellung haben sich viele Freiwillige gemeldet. Zahlen nannte er nicht. Es sollte niemand abgelehnt werden, «wenn es keine schwerwiegenden Gründe gibt».

Wehrpflichtige, die ihre Dienstzeit beendet haben, sollten zudem nach Hause zurückkehren. Groß ist die Sorge unter den zumeist jungen Männern, dass sie nach ihrer Wehrdienstzeit in den Krieg im Nachbarland Ukraine geschickt werden könnten. Schoigu sagte aber mit Blick auf den Krieg, sie sollten Einheiten angegliedert werden, die nicht an der militärischen Spezialoperation beteiligt seien.

Russlands Präsident Wladimir Putin will nach offizieller Darstellung rund 300 000 Reservisten einziehen lassen, um nach den Niederlagen der russischen Armee in der Ukraine die besetzten Gebiete zu halten.

+++ Baerbock: Lassen uns von Putins Atomdrohungen nicht erpressen +++

Außenministerin Annalena Baerbock hat jeden Erpressungsversuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit der Drohung eines Nuklearwaffen-Einsatzs zurückgewiesen. Man werde sich «nicht abschrecken lassen von solchen Drohungen, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag nach Beratungen mit ihrem polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau in Warschau. Deutschland und Polen würden «die Ukraine bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung weiter unterstützen». Über einzelne militärische Bewegungen im Zusammenhang mit der nuklearen Bedrohung werde sie aber nicht spekulieren.

«Wir gleichen natürlich ständig seit Ausbruch dieses Krieges unsere Erkenntnisse mit den Verbündeten gemeinsam ab», sagte Baerbock. Putin greife nicht zum ersten Mal dazu - dies sei unverantwortlich. Die Drohung müsse ernst genommen werden. Auch bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York sei kürzlich deutlich geworden, «dass kein anderes Land auf dieser Welt solche nuklearen Erpressungsversuche akzeptieren würde».

Rau warf Putin vor, mit seinen nuklearen Drohung eine «psychologische Krise» in der EU und der transatlantischen Gemeinschaft herbeiführen zu wollen. «Wir in Polen sind der Meinung, dass russische Drohungen niemals auf die leichte Schulter genommen werden sollten.» Was insbesondere die Nato betreffe, «werden wir sicherlich entsprechend reagieren».

+++ EU-Kommission wappnet sich für mögliche Blackouts +++

Die EU-Kommission bereitet sich angesichts des Kriegs in der Ukraine und der Energiekrise auf mögliche Stromausfälle und andere Notlagen innerhalb der Europäischen Union vor. «Es ist gut möglich, dass Katastrophenhilfe auch innerhalb der EU nötig wird», sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In dem Fall könnte die EU-Kommission unter ihrem Programm für Katastrophenschutz Hilfen koordinieren und weiterleiten.

«Wenn nur eine kleine Zahl an Mitgliedsstaaten von einem Zwischenfall wie einem Blackout betroffen ist, können andere EU-Staaten über uns Stromgeneratoren liefern, wie es während Naturkatastrophen geschieht», sagte der Kommissar. Wäre eine große Zahl an Ländern gleichzeitig betroffen, so dass die EU-Länder ihre Nothilfe-Lieferungen an andere Mitgliedsstaaten deckeln müssten, könne die Kommission den Bedarf aus ihrer strategischen Reserve bedienen.

Zu dieser Reserve für Krisenfälle zählen Löschflugzeuge, Generatoren, Wasserpumpen und Treibstoff, aber auch medizinisches Gerät und inzwischen auch Medizin, sagte Lenarcic dem RND. «Schon vor dem Krieg haben wir uns auch gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Notfälle gewappnet», so Lenarcic. Bei dem EU-Programm für Katastrophenschutz können alle EU-Mitgliedsstaaten, aber auch alle anderen Länder der Welt Hilfe im Fall von Waldbränden, Überschwemmungen, Erdbeben und ähnlichen akuten Krisen beantragen.

EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic. (Bild: Reuters)
EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic. (Bild: Reuters)

+++ Angst vor Kriegsdienst - 200 000 Russen nach Kasachstan gereist +++

Seit der Teilmobilmachung des russischen Militärs vor knapp zwei Wochen sind bereits mehr als 200 000 russische Staatsbürger ins Nachbarland Kasachstan in Zentralasien eingereist. Diese Zahl nannte Innenminister Marat Achmetdschanow am Dienstag der Staatsagentur Kazinform zufolge vor Journalisten. Seit dem 21. September hätten 147 000 Russen die Ex-Sowjetrepublik aber wieder verlassen. Zu den Hintergründen sagte der Minister nichts.

«Gestern kamen mehr als 7000 Bürger Russlands in Kasachstan an, etwa 11 000 verließen das Land», sagte Achmetdschanow. Es werde keine Einreisebeschränkungen für russische Staatsbürger geben. Bislang sind seinen Angaben zufolge 68 Anträge auf Einbürgerung gestellt worden.

+++ Russlands Föderationsrat ratifiziert Annexion ukrainischer Gebiete +++

Nach Russlands Staatsduma hat nun auch der Föderationsrat Moskaus völkerrechtswidrige Einverleibung der ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson ratifiziert. Das Oberhaus des russischen Parlaments habe am Dienstag in Moskau einstimmig für die Aufnahme der Regionen in die Russische Föderation votiert, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Tass.

Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag mit den von Moskau eingesetzten Besatzern die international nicht anerkannten Verträge über den Beitritt unterzeichnet. Die Staatsduma genehmigte das am Montag. Die Zustimmung beider Kammern galt als Formsache.

Putin muss das Annexionsgesetz nun noch unterschreiben, dann tritt es in Kraft. Darüber hinaus hat die Staatsduma schon verschiedene Gesetze verabschiedet, um die ukrainischen Gebiete zu integrieren. Bis zur vollen Umsetzung dieser Gesetze ist eine Übergangszeit bis 2026 vorgesehen.

+++ Selenskyj mischt sich in Twitter-Streit zur Ukraine mit Elon Musk ein +++

In die Twitter-Debatte über ein Friedensszenario für die Ukraine von US-Milliardär Elon Musk hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eingemischt. «Welchen Elon Musk magst du mehr? Den Ukraine-Unterstützer oder den Russland-Unterstützer», fragte der Staatschef am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter. Innerhalb von kurzer Zeit beteiligten sich mehrere Hunderttausend Menschen an der Umfrage. Über 90 Prozent bevorzugten den die Ukraine unterstützenden Musk.

Zuvor war ein heftiger Streit um das von Musk entworfene Szenario zum Ende von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine entbrannt. Der US-Milliardär hatte darin einen neutralen Status für die Ukraine, den Verzicht auf die Halbinsel Krim und Referenden unter UN-Aufsicht zur staatlichen Zugehörigkeit der russisch besetzten Gebiete als Bild entworfen.

Nach entrüsteten Antworten aus Kiew stellte der 51-Jährige erneut eine Wahl zur staatlichen Zugehörigkeit der Menschen auf der Krim und im Donbass zur Debatte. Einen Sieg der Ukraine im laufenden Krieg hält Musk wegen der dreimal höheren Bevölkerungszahl Russlands für unwahrscheinlich. Aufgrund der hohen Opferzahlen sei ein «totaler Krieg» auch wenig erstrebenswert.

Die Führung in Kiew hingegen strebt als einziges Szenario eine komplette Befreiung aller von Russland seit 2014 besetzten Gebiete einschließlich der Schwarzmeerhalbinsel Krim an. Außenminister Dmytro Kuleba warf Musk vor, das Wort Frieden als Euphemismus zu nutzen für die Formel «Lass die Russen noch tausende unschuldige Ukrainer mehr ermorden und vergewaltigen und mehr Land rauben.»

+++ London: Russland überfordert mit Ausrüstung und Training von Rekruten +++

Der russische Staat ist nach Ansicht britischer Militärexperten nicht mehr in der Lage, ausreichend Ausrüstung und militärisches Training für eine große Zahl an Rekruten bereitzustellen. Ein Anzeichen dafür sei, dass der Einberufungszyklus in diesem Jahr einen Monat später als üblich beginnen solle, hieß es am Dienstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums zum Krieg in der Ukraine. Die jährliche Einberufung von etwa 120 000 Wehrpflichtigen in Russland unterscheide sich von der kürzlich beschlossenen Teilmobilmachung von Reservisten.

«Die Herausforderungen für Unterbringung, Training, Ausrüstung und Einsatz von mobilisiertem und einberufenem Personal sind erheblich», hieß es in der Mitteilung. Mängel in der russischen Verwaltung und den logistischen Systemen untergraben nach Ansicht der Briten diese Bemühungen.

+++ Lauterbach: Deutschland keine Kriegspartei, aber an der Seite Kiews +++

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat seine Aussage, dass sich Deutschland mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin «im Krieg» befindet, relativiert. Die Bundesrepublik sei «natürlich keine Kriegspartei», stehe aber «trotzdem voll an der Seite der Ukrainer», sagte der SPD-Politiker am Dienstag in der RTL/ntv-Sendung «Frühstart». Dazu zählten auch Waffenlieferungen. «Wir sind nicht im Krieg, aber wir unterstützen die Ukraine nach Kräften», sagte Lauterbach.

Er hatte am Wochenende als erstes Kabinettsmitglied davon gesprochen, dass sich Deutschland «im Krieg mit Putin» befinde. Er benutzte die Formulierung in einer Reaktion auf den Vorschlag, einzelne Nato-Staaten sollten Russland garantieren, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werde, um Verhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs zu ermöglichen. «Mal ehrlich: Was sollen denn jetzt Kniefälle vor Putin bringen?», fragte Lauterbach daraufhin auf Twitter. «Wir sind im Krieg mit Putin und nicht seine Psychotherapeuten.» Ziel müsse die Befreiung der Ukraine sein.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) widersprach Lauterbach am Montag im ARD-«Bericht aus Berlin»: «Es ist ganz klar - sowohl für die deutsche Bundesregierung als auch für die gesamte Nato: Wir werden keine Kriegspartei. Das hat uns von Anfang an geleitet. Und daran hat sich auch nichts geändert.» Im Gespräch mit RTL/ntv sagte Lauterbach dazu: «Natürlich sind wir keine Kriegspartei, da hat Frau Lambrecht völlig recht.»

Vor Lauterbachs Äußerung hatte bereits Finanzminister Christian Lindner (FDP) von einem «Energiekrieg» gesprochen.

+++ Nordkorea unterstützt russische Annexionen in der Ukraine +++

Nordkorea steht bei den völkerrechtswidrigen und international kritisierten Annexionen ukrainischer Gebiete durch Russland auf der Seite Moskaus. Die zuvor abgehaltenen Scheinreferenden in den vier Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja seien «im Einklang mit der UN-Charta» abgehalten worden, sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter am Dienstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA.

Jo Cheol Su, Generaldirektor für internationale Organisationen im nordkoreanischen Außenministerium, sagte zudem, dass man die Haltung der russischen Regierung bei der Annexion der Gebiete unterstütze.

Im Juli erkannte Nordkorea als weltweit drittes Land nach Russland und Syrien die Unabhängigkeit der prorussischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk in der Ukraine an.

+++ Baerbock: Putin steht für Terror und Unfreiheit +++

Außenministerin Annalena Baerbock sieht derzeit keine Chance für Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Das Verhandlungsangebot des russischen Präsidenten Wladimir Putins an Kiew laute in etwa: Wir rauben euer Land, unterwerfen eure Bürgerinnen und Bürger, und ihr dürft das dann unterschreiben, sagte die Grünen-Politikerin der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag). «Das ist das Gegenteil von Frieden. Das ist Terror und Unfreiheit.»

Trotzdem suchten sie selbst und die Regierung permanent nach einer diplomatischen Lösung. «Jeden Tag versuchen wir es. Jeden Tag seit dem 24. Februar bekniet einer der über 190 Staaten der Welt oder eine internationale Organisation im Auftrag der Weltgemeinschaft den russischen Präsidenten, das Bomben einzustellen», sagte die Außenministerin. «Die einzige Antwort des russischen Präsidenten sind weitere Gräueltaten.»

Zur Kritik auch aus der Ukraine, Deutschland sei bei Waffenlieferungen zu zögerlich, sagte sie, sie habe in den vergangenen Monaten «immer wieder selbstkritisch reflektiert», ob Deutschland schnell genug liefere. «Aber zugleich dürfen wir nicht ausblenden, dass wir in einer unberechenbaren Situation sind, weil der russische Präsident mit jeder zwischenstaatlichen, politischen, aber auch menschlichen Regel bricht.» Die militärischen Mittel Deutschlands seien aber auch begrenzt. «Und es wäre vermessen zu glauben, Deutschland könnte den Kriegsverlauf im Alleingang ändern. Das können wir nur gemeinsam mit unseren internationalen Partnern.»

+++ Selenskyj wirbt nach Rückeroberungen um Vertrauen im besetzten Gebiet +++

Vor dem Hintergrund der ukrainischen Offensive hat Präsident Wolodymyr Selenskyj um das Vertrauen der Bevölkerung in den russisch besetzten Gebieten geworben. «Russische Propagandisten schüchtern die Menschen in den noch von den Besatzern kontrollierten Gebieten ein, dass die Ukraine angeblich fast jeden, der in den besetzten Gebieten bleibt, als Kollaborateure betrachten werde. Absolut wirres Zeug», sagte Selenskyj am Montag in seiner täglichen Videoansprache. Wer sich den Russen nicht angedient habe, habe nichts zu befürchten, sagte er.

Der 44-Jährige betonte, dass es nur vereinzelt Unterstützung für die russischen Okkupanten gegeben habe, obwohl sich «Hunderttausende» vorübergehend unter der Besatzungsmacht befunden hätten. Damit widersprach er dem russischen Narrativ, dass die Menschen in den vier besetzten ukrainischen Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja mehrheitlich nach Russland strebten. Mit dieser Begründung hatte Kremlchef Wladimir Putin nach der Abhaltung von Scheinreferenden die Gebiete annektiert.

Selenskyj berichtete von weiteren Rückeroberungen der ukrainischen Armee und kündigte die Auszahlung von Renten und Sozialleistungen in den wiedergewonnenen Territorien an. Die durch den Krieg finanziell schwer angeschlagene Ukraine hatte sich am Montag Finanzhilfen der Europäischen Union über fünf Milliarden Euro gesichert. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hatte mitgeteilt, das Geld werde für «sofortige Liquiditätsengpässe sowie Lohn- und Pensionszahlungen» verwendet.

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