Unruhen in Neukaledonien: Europäer verlassen die Insel

Angesichts der Unruhen in Neukaledonien sind am Wochenende die ersten Europäer aus dem französischen Überseegebiet evakuiert worden. (Theo Rouby)
Angesichts der Unruhen in Neukaledonien sind am Wochenende die ersten Europäer aus dem französischen Überseegebiet evakuiert worden. (Theo Rouby)

Angesichts der Unruhen in Neukaledonien sind am Wochenende die ersten Europäer aus dem französischen Überseegebiet evakuiert worden. "Die Maßnahmen zur Rückführung von Ausländern und französischen Touristen werden fortgesetzt", teilte die Vertretung des französischen Zentralstaates, das Hochkommissariat von Neukaledonien, am Samstag mit. Präsident Emmanuel Macron brachte angesichts des Protests gegen eine in Paris beschlossene Wahlrechtsreform ein Referendum ins Spiel.

Die Situation "bleibt sehr schwierig für die Bewohner der Insel", vor allem im Großraum der Hauptstadt Nouméa, sagte die französische Ministerin für die Überseegebiete, Marie Guévenoux. Der Ausnahmezustand gelte weiterhin.

Seit dem Beginn der gewaltsamen Proteste vor zwei Wochen wurden sieben Menschen getötet. Auslöser ist die von Paris geplante Wahlrechtsreform, die vorsieht, dass Festlandfranzosen, die sich in Neukaledonien niederlassen, früher als bisher an den Wahlen teilnehmen dürfen. Die ursprüngliche Bevölkerung der Inselgruppe, die Kanaken genannt werden und mehr als 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, befürchten dadurch eine Verringerung ihres Einflusses.

Für den Sonntag waren weitere Evakuierungen französischer Staatsbürger geplant. Am Samstag wurden Touristen von einem Flugplatz in Nouméa an Bord von Militärmaschinen nach Australien und Neuseeland gebracht. Von dort aus sollten sie mit kommerziellen Flügen weiter fliegen. Bei den meisten Evakuierten handelte es sich um Franzosen. Australien und Neuseeland hatten bereits am Dienstag damit begonnen, ihre Staatsbürger auszufliegen.

Unterdessen wurde die Sperrung des internationalen Flughafens La Tontouta am Sonntag erneut verlängert. Bis mindestens zum 2. Juni können dort weiterhin keine kommerziellen Flüge landen oder starten, wie die Industrie- und Handelskammer Neukaledoniens mitteilte.

Macron, der in dieser Woche Neukaledonien besucht hatte, zeigte sich Macron offen für eine Volksabstimmung über die umstrittene Wahlrechtsreform. Er sei "jederzeit" bereit, "bis zu einem Referendum" zu gehen, sagte er der Tageszeitung "Le Parisien". Er hoffe weiterhin, dass sich die Abgeordneten des Überseegebiets auf ein "globales Abkommen" einigten, das die vom Parlament in Paris beschlossene Regelung ergänzen solle. Macron hatte den Befürworten und Gegnern einer Unabhängigkeit Neukaledoniens eine Frist bis Ende Juni gesetzt, um sich zu verständigen. Die endgültige Verabschiedung der Reform setzte der Präsident zunächst aus.

Die Proteste gegen die geplante Wahlrechtsänderung lösten die schwersten Unruhen in dem Überseegebiet seit Aufständen in den 80er-Jahren aus. In der Nacht zum Samstag mussten in der Hauptstadt Nouméa 35 Menschen über das Meer evakuiert werden, nachdem ein Haus im Stadtteil Kaméré in Brand gesteckt worden war und es weitere Plünderungen gegeben hatte.

Am Sonntag waren viele der von den Demonstrierenden aufgestellten Straßenblockaden weiterhin intakt, obwohl ein Aufgebot aus 2700 Polizisten und Gendarmen versucht hatte, diese über Nacht zu räumen. In Teilen Nouméas und in umliegenden Städten waren unter anderem ausgebrannte Autos zu sehen.

Die größte Unabhängigkeitsbewegung FLNKS rief die Bevölkerung zur Ruhe auf und verlangte, "den Würgegriff auf die wichtigsten Verkehrsachsen zu lockern". Das wichtigste Ziel sei es aktuell, die Lage zu beruhigen und "langfristige Lösungen für unser Land" zu finden. Zugleich betonte die FLNKS, die Rücknahme der Reform sei "eine Voraussetzung für die Beendigung der Krise".

Frankreich hatte die Inselgruppe Neukaledonien östlich von Australien, wo es unter anderem bedeutende Nickel-Vorkommen gibt, Mitte des 19. Jahrhunderts kolonisiert.

kü/ju