Was hinter der gestiegenen Ausländerkriminalität steckt, ist Sahra Wagenknecht egal

Politiker zeigen sich alarmiert - aber sie wollen nur Tatendrang simulieren

Sahra Wagenknecht. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)
Sahra Wagenknecht. (Bild: REUTERS/Wolfgang Rattay)

Bayern und NRW melden einen Anstieg von Straftaten durch Ausländer. Doch was ist wirklich von diesen Zahlen zu halten? Jedenfalls kaum das, was sich Mancher von ihnen verspricht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Sahra Wagenknecht gab sich sofort alarmiert. Und drückte auf die bekannten Politikertasten, nach dem Motto: Wer nicht weiterweiß, gründe einen Beraterkreis. Weil Wagenknecht mit ihrer neuen Partei Aufmerksamkeit braucht, reicht ihr ein simpler Kreis nicht aus, da muss schon ein Gipfel her. Einen „Innenministergipfel im Kanzleramt“, forderte die Ex-Linkenpolitikerin, bei dem es auch um „das Problem der unkontrollierten Migration gehen“ soll. Und warum?

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) wuchs die Zahl ausländischer Straftäter 2023 in dem Bundesland um 10,4 Prozent. Schon 2022 erreichte nach offiziellen Angaben bei einem Bevölkerungsanteil der Nichtdeutschen von 15,6 Prozent in NRW der Anteil an den Tatverdächtigen 32,8 Prozent - ausländerrechtliche Straftaten nicht mitgezählt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: „Die Kriminalstatistik macht deutlich, dass sich die unkontrollierte Zuwanderung auch negativ auf die Sicherheitslage auswirkt.“

Daher dann Wagenknecht: „Wenn die Kriminalstatistik zeigt, dass Straftaten überproportional von Menschen aus bestimmten Einwanderungsmilieus begangen werden, darf eine Innenministerin dieses Problem nicht tabuisieren und herunterspielen.“

Bleibt nur die Frage, wer denn gerade tabuisiert. Niemanden in dieser Richtung habe ich vernommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) jedenfalls hatte sich besorgt gezeigt und sogar gleich von „Abschiebung“ gesprochen. Aber ich vergaß: Wagenknecht bemüht lediglich den berühmten Bumerangeffekt – sie behauptet etwas, um es kritisieren zu können. Und zwar unabhängig davon, ob es existiert oder nicht.

Nancy Faeser. (Bild: REUTERS/Liesa Johannssen/File Photo)
Nancy Faeser. (Bild: REUTERS/Liesa Johannssen/File Photo)

Die gestiegenen Straftaten von Ausländern existieren. Das Tabuisieren aber wird stets herbeiphantasiert, um dann das Feindbild einer angeblich woken multikulti-orientierten Correctness-Polizei zu bemühen. So sad.

Schauen wir uns also die Zahlen an.

Zahlen erzählen viel

Kriminalität ist schlecht für die Gesellschaft, jede Straftat ist eine zu viel – und wo die Politik etwas unternehmen kann, sollte sie es.

Unklar ist erstmal, ob die gestiegenen Straftaten auf unkontrollierte Zuwanderung zurückzuführen sind, wie der bayerische Innenminister behauptet. Sie können auch von Ausländern rühren, die ganz „normal“ nach Deutschland gekommen sind, seit längerem hier leben. Das alles sei doch egal, Ausländer sei Ausländer? Das immerhin ist nur grobschlächtiger Humbug.

Der Kriminologe Dirk Baier sagte zu den Zahlen im „Spiegel“: „Man kann sagen: Ausländerinnen und Ausländer sind etwa doppelt so häufig Tatverdächtige wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Das klingt bedrohlich. Man kann aber auch sagen: Von 100 Deutschen werden ungefähr zwei bis drei tatverdächtig. Bei den Ausländern sind es circa fünf bis sechs. Das macht klar: Wer auf Basis dieser Zahlen pauschale Maßnahmen gegen ganze Gruppen fordert, trifft damit auch die 94 Prozent, die hier nach Recht und Gesetz leben.“

Diese Zahlen könnten ja erstmal nach unten sacken, bevor wir in Schnappatmung à la Wagenknecht verfallen.

Und Ausländer haben nicht eine größere Neigung zu Straftaten, weil sie keine Deutschen sind. Unter ihnen sind mehr Männer, sie sind im Vergleich zu anderen Gruppen jünger, sie haben im Vergleich eine niedrigere Bildung und einen geringeren sozialen Stand – auf alle Deutschen mit zig Generationenhintergrund in Germanien in genau diesen Umständen trifft dann auch exakt zu, dass sie für ähnlich hohe Straftatenzahlen sorgen.

Also: Die unkontrollierte Einwanderung ist es nicht wirklich. Wagenknecht & Co aber wollen Tatkraft demonstrieren. Leider haben weder sie noch andere ein Allheilmittel, diese Straftaten wirksam zu reduzieren. Es gibt sie nämlich nicht. Es sei denn, man macht die Grenzen für alle dicht.

Was wäre, wenn…

Das ist ja genau das, was die AfD fordert (und sich Wagenknecht noch nicht zu sagen traut), höre ich dann. Das stimmt. Nur würde Deutschland dann ganz andere Probleme kriegen – unsere Gesellschaft ist auf Einwanderung angewiesen, da helfen auch keine nationalistischen Luftschlösser. Dann ist es also besser, sie zu gestalten, sie als Aufgabe aller Bürger anzusehen. Die Alternative: Der Enkel wird zwangsrekrutiert, um den Opa zu pflegen, oder er kommt in eine Sammelunterkunft für Senile. Oder die Müllabfuhr lässt die Tonnen eben stehen. Und was ist mit der Anwältin aus Syrien, die Nachbarschaftsstreitereien um Zäune und anderes vertritt und einen Frieden herbeiführen soll?

AfD. (Bild: Ying Tang/NurPhoto via Getty Images)
AfD. (Bild: Ying Tang/NurPhoto via Getty Images)

Und ganz davon abgesehen: Ein bisschen Menschlichkeit wäre auch nicht schlecht, oder? Uns steht nicht das Wasser bis zum Hals, da kann die AfD noch so intensiv einen Abendlandsuntergang herbeisehnen (was sie tut, wenn die Mikros ausgeschaltet sind). Dieser Blick für den Nächsten, der eigentlich zum christlichen Fundament gehört, würde auch erzählen, wie oft Ausländer Opfer von Straftaten in Deutschland werden, und zwar von Ausländern und von Deutschen. Diese Zahl ist erschreckend hoch. Die Polizeiliche Kriminalstatistik von 2022 weist insgesamt 269.115 nichtdeutsche Opfer von Straftaten aus - das sind 23,4 Prozent aller Opfer und ist höher als der Anteil Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung.

Aber diese Daten interessieren weniger. Warum eigentlich?