Was um Himmels willen machen wir mit der Polizeilichen Kriminalstatistik?

Neue Zahlen der Polizei verkünden einen Anstieg der Straftaten, vor allem von Nichtdeutschen - doch diese Zahlen muss man richtig einordnen

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik am Dienstag in Berlin: BKA-Präsident Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser and Michael Stübgen, Landesinnenminister Brandenburgs (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)
Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik am Dienstag in Berlin: BKA-Präsident Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser and Michael Stübgen, Landesinnenminister Brandenburgs (Bild: REUTERS/Lisi Niesner)

Alle Jahre wieder im Frühling: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist ein Klassiker. Sie informiert über die Lage der Straftaten in Deutschland. Vor allem jene von Ausländern steigen. Doch über diese Zahlen muss ehrlich geredet werden. Und dann entwickeln sich harte Parolen zu Rohrkrepierern.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der April macht bekanntlich, was er will. Ähnlich verhält es sich mit dem Umgang mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS): Da machen auch viele, was sie wollen. Das betrifft die Straftäter, aber auch, wie diese Zahlen aus der PKS interpretiert werden. Von CDU und CSU heißt es bereits: Eine Obergrenze der Migration müsse schnell her. Und die AfD redet eh von „Remigration“. Aber warum?

In aller Kürze dokumentiert die aktuelle PKS, dass im Jahr 2023 rund 5,9 Millionen Straftaten verzeichnet wurden – das ist ein Zuwachs von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und: Von den Tatverdächtigen haben 41 Prozent keinen deutschen Pass.

Alles klar, mögen Manche rufen: Einfach weniger Ausländer im Land, dann gibt es weniger Stress. Dies allerdings wäre ein Mix aus Verkürzung und Verzerrung der Wirklichkeit.

Denn bei der PKS muss auch in den Blick genommen werden, was sie alles NICHT sagt.

  1. Die PKS ist kein Abbild der Kriminalität, denn sie erfasst nur Anzeigen. Darunter fallen also auch Delikte, die am Ende keine Delikte gewesen sind. Andersrum wird es eine enorme Dunkelziffer an Straftaten geben, die gar nicht öffentlich werden. Auch ist anzunehmen, dass Deutsche eher eine Anzeige erstatten als Ausländer. Mindestens 90 Prozent aller in der PKS erfassten Delikte stammen von Anzeigen durch Privatleute.

  2. Bei dem tatsächlich sehr hohen Anteil von Nichtdeutschen an diesen dokumentierten Straftatvorwürfen sind allein 280.000 Fälle von illegaler Einreise oder unerlaubten Aufenthalts – das ist angesichts von 5,9 Millionen Vorwürfen keine kleine Zahl. Deutsche Staatsbürger können diese Vergehen gar nicht realisieren, und eine Gefahr an sich geht von diesen Straftaten auch nicht aus.

  3. Unter nichtdeutsch versteht man einen ziemlich bunten Haufen: Das sind Asylbewerber oder Touristen. Oder Leute, die seit 40 Jahren in München leben. Oder Studenten. Das reduziert das Erkenntnispotenzial der PKS.

  4. Im Jahr 2023 sind deutlich mehr Nichtdeutsche ins Land gekommen als im Vorjahr. Mehr Leute aber bedeutet auch mehr Kriminalität, das liegt in der Natur der Dinge. Dazu der Journalist Hajo Schumacher: "Setzt man die absoluten Zahlen nichtdeutscher Tatverdächtiger im Bereich Gewalt ins Verhältnis zu ihrem gewachsenen Bevölkerungsanteil, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Der Anstieg der Ausländer, die einer Gewalttat verdächtigt werden, liegt in der bereinigten Statistik laut Bundeskriminalamt dann bei 1,2 Prozent. Das wäre doch unter dem Wert deutscher Tatverdächtiger."

Das sind die möglichen Erkenntnisse

Schauen wir uns jetzt an, was die PKS uns sagt. Sie erzählt uns, dass es Kriminalität auf einem Niveau gibt, das kein Ausreißer nach oben ist. Hier gibt es zwar nichts zu verharmlosen, Straftat bleibt Straftat. Aber 1993 zum Beispiel hatten wir 6,7 Millionen registrierte Fälle, also viel mehr. Die Zahl ging dann zurück, ab 2011 erstmals unter die Marke von sechs Millionen. Mit der starken Einwanderung Geflüchteter 2015 stieg sie dann in den Folgejahren wieder an und ebbte während der Corona-Epidemie ab, wahrscheinlich mangels „Gelegenheiten“. Nach dem Ende der Lockdowns herrschte dann gewisse Ausgelassenheit – und die Statistik wies wieder steigende Zahlen auf.

Was ist aber nun mit den „Messermännern“, wie die AfD sie nennt, mit den gewalttätigen Ausländern? Da gibt die PKS tatsächlich Aufschluss und einen konkreten Handlungsauftrag. Denn unter den Straftätern findet sich eine große Gruppe, das sind die jungen Männer. Je mehr von denen, desto mehr Stress. Und der Anteil von Ausländern steigt in dieser Gruppe, das sind eben die unbegleiteten, manchmal gar minderjährigen Fliehenden. Die haben weniger soziale Bindung, es gibt keine familiäre Kontrolle, aber durchaus belastende Zustände in den Heimen. Das ist ein Weg, den Kriminologen als klassischen pathway zum Bruch mit dem Gesetz ansehen. Da muss der Staat ansetzen. Integration ist kein Zuckerschlecken, sie ist anstrengend und fordert Investitionen an Geld, Zeit und Nerven. Aber es lohnt sich.

Oder es sein lassen und auf zur „Remigration“, wie die AfD meint? Nee: Anstand haben wir doch noch, oder? Also verbietet sich sowas. Und wir brauchen auch einen Trend, der sich dem Bevölkerungsrückgang und der Überalterung entgegenstemmt. Sonst wird das nichts mehr mit der Rente.

Die PKS ist also wichtig. Aber als Paket muss man erstmal ihre Verzerrungen geradebiegen. Dann gibt es eben keine harte Parole mehr. Es sei denn, man macht, was man will.