Wie die meistverkaufte Maxi-Single der Musikgeschichte 100.000 Dollar Verlust machte

Heute vor 40 Jahren, am 7. März 1983, erschien die Single Blue Monday der Band New Order und wurde einer der wichtigsten und beliebtesten Songs der New Wave-Ära.

Peter Hook von der Band New Order erzählt, wie die meistverkaufte Maxi-Single der Musikgeschichte 100.000 Dollar verlor
Stephen Morris, Gillian Gilbert, Bernard Sumner und Peter Hook der englischen Band New Order in den 1980er-Jahren. (Foto: Steve Rapport/Getty Images)

Der neunminütige Synthesizer-Klassiker beeinflusste und inspirierte jeden, von Dave Stewart von den Eurythmics bis zu Kraftwerk, den Pionieren der elektronischen Musik, und bis heute hält er den Rekord als meistverkaufte Maxi-Single in der Geschichte der Schallplattenindustrie. Allein in der britischen Heimat der Band wurden mehr als eine Million Stück verkauft.

Also … wie genau kam es dann dazu, dass Blue Monday nicht nur keinen Gewinn machte, sondern sogar satte 100.000 US-Dollar (umgerechnet etwa 93.830 Euro) Verlust machte?

Der kultige Bassist der Original-Bandbesetzung aus Manchester, Peter „Hooky“ Hook, erklärt, dass der Grund dafür eine Entscheidung des Indie-Labels Factory Records war. Dieses hatte sich nämlich für die berühmte – aber sehr teure – Verpackung der Single entschieden.

„Der Grafikdesigner Peter [Saville] kam zum Proberaum, sah eine Diskette und war begeistert“, erinnert sich Hook, während er mit Yahoo Entertainment über seine glanzvolle Zeit bei New Order und der ebenso erfolgreichen Vorgänger-Band Joy Division, spricht. Beide Bands wurden gerade gemeinsam für die Rock & Roll Hall of Fame vorgeschlagen.

„Und er meinte, wir sollten die Hülle so gestalten ... Er wusste nicht, dass es dreimal gestanzt werden musste, was die Hülle lächerlich teuer machte – was [New-Order-Bandkollege] Stephen Morris urkomisch fand, denn man zahlte für die Teile, die man nicht bekam, das Loch, wo keine Pappe war!“

Peter Hook von der Band New Order erzählt, wie die meistverkaufte Maxi-Single der Musikgeschichte 100.000 Dollar verlor
Die gestanzte Verpackung für die Maxi-Single „Blue Monday“ von New Order. (Foto: Factory Records)

Hook fährt fort: „Aber ja, die Hülle kostete leider 10 Pence [umgerechnet etwa 11 Cent] mehr, als die Platte einbrachte, sodass wir jedes Mal, wenn wir ein Exemplar von Blue Monday verkauften, 10 Pence verloren“, erinnert sich Hook mit einem reumütigen Lachen. „Es wurde dann die meistverkaufte 12-Zoll-Platte aller Zeiten! Ich erinnere mich, dass [Factory Records-Labelchef] Tony [Wilson] sich die Mühe machte, ein Factory-Symbol aus Messing zu gießen, auf dem ‚Well Done, Hooky!‘ stand, um einen Verlust von 50.000 Pfund (umgerechnet etwa 56.292 Euro) zu feiern. ... Ich nehme an, dass es aus diesem Grund wirklich seinen Platz als mythisches Wesen in der Geschichte besiegelte.“

Das finanzielle Scheitern dessen, was New Orders kommerzieller Karrieredurchbruch hätte sein sollen, war nur einer in einer langen Reihe von sowohl komischen als auch tragischen Fehlern der gebeutelten Band. Der Tragischste von allen ereignete sich, als die Band noch als legendäre Post-Punk-Band Joy Division bekannt war. Deren Frontmann Ian Curtis war zwar sehr charismatisch, hatte jedoch mit psychischen Problemen zu kämpfen.

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Der 23-jährige Curtis, der mit dem Scheitern seiner jungen Ehe, einer neuen Vaterschaft, einer außerehelichen Affäre mit der belgischen Journalistin Annik Honoré und vor allem mit seiner zunehmend unkontrollierbaren Epilepsie zu kämpfen hatte, beging im Mai 1980, am Vorabend der ersten Nordamerika-Tournee von Joy Division, Selbstmord. Seine Bandkollegen, die sich natürlich viele Vorwürfe machten, mussten die Scherben auflesen. Außerdem ließ er sie mit der Frage zurück, was hätte sein können.

„Während der Arbeit an [Joy Divisions zweitem Album] Closer war Ians Krankheit degenerativ und wurde immer schlimmer“, sagt Hook. „Das große Problem mit Ian war ... dass er sehr einfühlsam mit anderen Menschen war. Er setzte alles daran, dass man sich wohl fühlte mit dem, was er erlitt. ... Ian hat sehr, sehr hart gearbeitet und litt während der gesamten Zeit [der Aufnahmen für Closer] immer noch unter Grand-mal-Anfällen. Er schaffte es, es vor seinen Eltern und den Ärzten, die ihn behandelten, zu verbergen. Der Mann wollte Erfolg haben. Er wollte erreichen, was wir seiner Meinung nach verdient hatten. Und er verbarg [seine Epilepsie]. Das war das Problem. Er ließ dich nie wissen, wie schlecht es ihm ging, also wusstest du nichts davon. Selbst wenn man ihn vom Boden aufhob nachdem er sich den Kopf am Waschbecken oder an der Toilette aufgeschlagen hatte, stand er einfach wieder auf. Er hat nie aufgegeben.“

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„Der Selbstmord eines sehr engen Freundes oder Familienmitglieds hinterlässt immer ein schlechtes Gewissen“, fährt Hook ernst fort. „Und das ist doch das Schöne am Selbstmord, oder? Sie müssen sich danach keine Sorgen machen. Es sind alle anderen, die sich fragen, wer, wann oder warum, oder ‚Habe ich genug getan?‘ Ich habe in meinem Leben genug davon erlebt, um zu erkennen, dass die Menschen, die zurückbleiben, diejenigen sind, die leiden. Aber es war eine großartige LP, und ich denke, eines meiner größten Bedauern, als wir mit Joy Division aufhörten und zu New Order übergingen, war, dass wir nie dazu kamen, Closer zu spielen. ... Es war herzzerreißend, alles hinter sich zu lassen und nie Closerzu promoten, nie [die Single] Love Will Tear Us Apart zu promoten, sie in eine Kiste zu packen, sie in den hintersten Winkel des Schranks zu stellen. Und dann machten wir mit New Order weiter.”

Überraschenderweise beschlossen die verbleibenden Mitglieder von Joy Division sofort, sich als New Order neu aufzustellen. „Ich denke, das Tolle daran, jung zu sein, ist, dass man weitermachen kann, egal wie. Das Tolle daran, Musiker zu sein, ist, dass die Leute dich verhätscheln und verwöhnen und dir schmeicheln, sodass wir nicht viel trauern mussten. Wir haben einfach den Kopf in den Sand gesteckt, zusammengehalten und es im Grunde ignoriert.“

Als sie am Montag nach Curtis' Untersuchung wieder in ihrem Proberaum in Salford zusammenkamen, machten sie sich sofort an die Arbeit für einen neuen Song mit dem prophetischen Titel Dreams Never End. Hook hatte diesen am Wochenende zuvor zu Ehren von Curtis geschrieben.

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Doch obwohl New Order – abgesehen von dem ärgerlichen finanziellen Verlust – erfolgreicher war, als Joy Division je gewesen war, war in ihrer Welt nicht alles rosa. Zunächst trauerten die Joy Division-Fans noch und akzeptierten diese neue Phase in der Karriere der Band nicht so schnell. „Wir haben eine Menge Briefe bekommen, die mit Blut geschrieben waren, solche Sachen. Die Leute riefen dich an. Als ‚Mann des Volkes‘ hatte ich meine Nummer ins Telefonbuch eintragen lassen und dann rief mich jeder Joy Division-Fanatiker an und wurde am Telefon komisch. Das war mir eine Lehre“, sagt Hook.

Als New Order dann nach Amerika ging, um die Tournee zu spielen, die ursprünglich für Joy Division gebucht worden war, „waren die Fans nicht gerade begeistert. Sie verbrachten den ganzen Gig damit, nach Joy Division-Titeln zu rufen“, erinnert sich Hook. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie uns unterstützen würden, um ehrlich zu sein. ... Wir haben tatsächlich viel von unserem Selbstvertrauen verloren. ... Das Publikum war offen feindselig. Sie wollten Joy Division.“

Zu allem Überfluss wurde gleich am ersten Abend der ersten US-Tournee von New Order auch noch die gesamte Ausrüstung aus ihrem Van gestohlen. „Und sie war nicht versichert!“, ruft Hook. „Innerhalb von zwei Monaten haben wir unseren Leadsänger [Curtis], unsere Gruppe [Joy Division] und unsere Ausrüstung verloren. ... Es war wirklich das unterste Ende einer sehr langen Karriereleiter. Diese Reise nach Amerika war eine höllische Lehre.“

New Order feierte in den USA mit Dauerbrennern wie Bizarre Love Triangle, True Faith, Shellshock (der auf dem Soundtrack zum Film Pretty in Pink enthalten war) und einer Neuauflage von Blue Monday im Jahr 1988 große Erfolge. Doch im Laufe der Jahre nahmen die Reibereien zwischen Hook und Leadsänger Bernard Sumner immer mehr zu und 2007 verließ Hook die Band endgültig.

Während New Order weiterhin ohne Hook tourt und Platten aufnimmt, hoffen die Fans immer noch auf eine echte Wiedervereinigung von New Order. Vielleicht kommt es ja bei der Zeremonie zur Aufnahme von Joy Division/New Order in die Rock Hall dazu, was wirklich längst überfällig ist.

Während New Order ohne Hook weiterbesteht, ist Hook immer noch auf eigene Faust unterwegs. Er hat drei Memoiren verfasst und auf Tourneen mit seiner Band The Light greift er regelmäßig auf die Diskografien von Joy Division und New Order zurück, um seinen unverwechselbaren Bass-Stil zu präsentieren, der einst sogar die Aufmerksamkeit der Rolling Stones erregte, als diese einen Ersatz für Bill Wyman suchten.

„Das Tollste für mich ist, dass ich 2011 Closer [zum ersten Mal komplett] spielen durfte, und das war einer der schönsten Momente meines Lebens“, freut sich Hook. „Dort zu sitzen und meinen Sohn zu haben, der genauso alt war wie ich, als ich Closer aufnahm [22 Jahre alt], der die Basslinien spielte und ich mein Bestes tat, um Ian gerecht zu werden ... die Gänsehaut, die einem über den Rücken läuft, wenn man Closer live hört, war ein wunderbarer, wunderbarer Moment. Ich glaube wirklich, dass Barney [Sumner] und Steve [Morris] da was entgangen ist.“

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Und was passiert wäre, wenn Curtis nicht durch Selbstmord gestorben wäre, gesteht Hook, fragt er sich auch manchmal: „Glaube ich, dass wir noch zusammen wären, wenn Ian gelebt hätte? Ich würde es hoffen“, sinniert er. „Wissen Sie, eines der Dinge mit einem Song wie Blue Monday ist, dass, egal wie populär er ist, jetzt sogar weltweit, dass man gerne gehört hätte, wie Ian Curtis ihn singt.“

„Aber das Wichtigste, was man erkennt, wenn man älter wird, ist, dass die Tatsache, dass [Joy Division] nicht weitergemacht hat, nicht das Wichtigste für Ian war. Das Wichtigste war, dass eine Tochter ihren Vater verloren hat. Die Eltern haben einen Sohn verloren. Eine Frau hat ihren Mann verloren. Eine Geliebte hat einen Geliebten verloren. Das ist wirklich das Wichtigste – denn seien wir ehrlich, es gibt viele Gruppen. Es wird gleich noch eine dazu kommen.“

Lyndsey Parker

Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.