Wie wir in die Terrorfalle tappen

Nach Würzburg, München, Ansbach: Politiker demonstrieren Tatkraft. Dabei offenbaren sie nur Symbolik. Und schauen an den tatsächlichen Problemen vorbei.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Horst Seehofer sieht sich als Prophet, auch das wird er vorausgesehen haben. „Wir haben mit allen unseren Prophezeiungen Recht bekommen“, sagte Bayerns Ministerpräsident. „Mit allen, auch was den Sicherheitsbereich angeht. Deshalb lasse ich mich von Bedenkenträgern gar nicht beeindrucken.“

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Das soll wohl stark klingen, nach einer breiten Schulter, die der Landeschef den Bürgern zum Anlehnen zeigt. Der CSU-Chef will damit sagen: Hätte man die Grenzen nicht geöffnet, wären diese Untaten nicht passiert. Seehofer macht also Politik mit Toten und Verletzten.

Hat er auch vorausgesehen, dass ein Münchener mit rechtsextremistischen Einstellungen und einem rassistischen Hass auf „Ausländer“ zur Pistole greifen würde? Über den Amokläufer von München hören wir immer weniger, er war ja kein „Flüchtling“.

Ständig verzerren wir Zahlen und Fakten. Weltweit sind Dutzende Millionen Menschen auf der Flucht, nur ein Bruchteil von ihnen hat Deutschland erreicht. Wir aber kommen uns vor, als trage Deutschland die Lasten der Welt. Ein weiterer winziger Bruchteil dieser zu uns Geflohenen wird straffällig, rastet aus und ummäntelt seinen Suizid mit einem konstruierten Kontext wie einer religiösen Ideologie.

Der Helm sitzt

Da müsste man jetzt mehr hinhören, sich noch mehr mit diesen Menschen beschäftigen, mit ihnen reden, sie begleiten. Auch kritisch und wachsam. Das Land muss sich noch mehr fragen, was es tun kann; Integration ist keine Sackgassenbewegung, sondern bedarf ein aufeinander Zugehen von allen Seiten.

Der Politik jedenfalls fällt gerade nur ein, den Helm aufzusetzen und nach schärferen Gesetzen zu rufen. Damit stellt sie Menschen unter Generalverdacht und bringt das Land einer Lösung seiner Probleme auch nicht näher.

In der jetzigen Lage braucht ein Land Ruhe. Doch die leben unsere Politiker kaum vor. „Wir können uns jetzt nicht mit dem Argument zurückziehen, wir seien besonnen“, meint hingegen Seehofer. Es müsse jetzt etwas unternommen werden. Er hätte auch sagen können: Wir müssen jetzt ein wenig aktivistisch rüberkommen, das beruhigt das Volk gegenüber uns. Denn uns kommt es auf uns an. Klingt natürlich weniger charmant.

Zeiten der Anschläge und des Terrors sind eine Art Lackmustest für Politiker, sie müssen zeigen, ob man sich ihnen anvertrauen kann. Gänzlich versagen unsere französischen Nachbarn dabei.

Nach der grausamen Terrorattacke in der Normandie, als einem alten Priester von IS-Anhängern die Kehle durchgeschnitten wurde, fiel Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande nur verbaler Amok ein: „Die Bedrohung ist sehr groß und sie wird sehr groß bleiben. Die Terrorgruppe ‘Daesh’, der so genannte 'Islamische Staat’ hat uns den Krieg erklärt. Wir müssen diesen Krieg mit allen Mitteln führen – im Rahmen des Rechtsstaates.“

Und sein Rivale Nicolas Sarcozy: „Unser Feind kennt keine Tabus, keine Grenzen, keine Moral. Wir müssen unerbittlich sein.“

Das Delirium von einem Krieg

Damit erklären die beiden, was sich der IS innigst herbei gewünscht hat. Der sieht sich im Krieg mit Europa, obwohl der IS nur ein Terrorhaufen ist, der verzweifelt um seine militärischen Stellungen im Chaos der arabischen Bürgerkriege kämpft. Hollande und Sarcozy werten den IS auf. Es muss kein Krieg geführt werden, die Sicherheitsbehörden werden ihren Job machen. Alles Weitere sollte von jener Besonnenheit begleitet werden, die Seehofer gerade wohl nicht so mag.

Wir brauchen keine Kriegsrhetorik, sondern Solidarität. Wir brauchen keine Pauschalurteile, sondern kühle Analysen und offenherzige Schlussfolgerungen. Vielleicht kann man damit sogar, überzeugt vorgetragen, Wähler für sich gewinnen.

Bilder: dpa

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