Bahn-Chaos: Mainz ist überall

Bahn-Chaos: Mainz ist überall

Sie ist die aufstrebende Frau in der CDU, er die streitbare Kultfigur der Grünen. Julia Klöckner und Hans-Christian Ströbele - unterschiedlicher können Politiker nicht sein. Im Blog-Duell von YAHOO! zur Bundestagswahl ringen sie jede Woche um die besten Argumente. Heute kritisiert Julia Klöckner angesichts des Bahn-Chaos in Mainz die SPD, die Grünen sowie Ex-Bahnchef Mehdorn. Und sie fragt: "Lieber Herr Ströbele, war Herr Mehdorn auch "Ihr" Mann?"

Lieber Herr Ströbele, mit meiner Kritik am „Speisekarten-Totalitarismus“ der Grünen habe ich wohl den Nagel auf den Kopf getroffen. Man merkt, wie schwer es Ihnen fällt, den Veggie-Day der grünen Parteiführung zu verteidigen. Es spricht im Übrigen für Sie, dass Sie die Forderung nach einem fleischlosen Tag als bloße „Empfehlung“ abtun und damit ein paar Gänge zurückschalten wollen. Doch Ihre "Abrüstung" in Ehren - Ihre Partei fordert, dass ein Veggie-Day zum Standard wird. Fürs erste soll in Kantinen ein fleischloser Tag eingeführt werden. Was hat das mit einer „Empfehlung“ zu tun?

Aber lassen Sie uns über ein anderes Thema diskutieren: die Bahn. Das, was bei uns in Rheinland-Pfalz, in Mainz, passiert ist, kann morgen überall sein. Die Bahn hat Tausende von Mitarbeitern, aber drei Erkrankte oder fünf Urlaubende können einen ganzen Bahnhof und damit Tausende von Pendlern lahm legen. Das ist absurd, aber leider Realität. Es ist nicht akzeptabel, dass eine Landeshauptstadt über Wochen abgehängt und buchstäblich aufs Abstellgleis geschoben wird. Notfahrpläne und Verspätungen sind an der Tagesordnung. Fernverkehrszüge werden umgeleitet oder halten an anderen Bahnhöfen.

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Ursache sind massive Personalprobleme im Mainzer Bahn-Stellwerk. Schlechte Planungen: Laut DB sollte die Technik modernisiert werden, um danach mit weniger Mitarbeitern auszukommen. Ein elektronisches Stellwerk ersetzt etwa sieben bis 15 konventionelle Stellwerke. Kann man so machen, schließlich ist ein Drittel der Stellwerke in Deutschland rund 100 Jahre alt! Wenn sich dann die geplante Modernisierung verzögerte, aber die Mitarbeiter dennoch abgebaut wurden, dann kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Mitarbeitermotivation sieht nun wirklich anders aus. Im Durchschnitt haben die Fahrdienstleiter 80 Überstunden. Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Und was passiert, wenn diese Überstunden verständlicherweise von den Mitarbeitern abgebaut werden? Die Bahn wird in den nächsten Jahren alleine auf dem deutschen Markt rund 80 000 neue Mitarbeiter einstellen müssen, das sind jährlich etwa 8 000 Mitarbeiter.

Die Braut sollte hübsch gemacht werden


Solide Personalplanung ist gefragt. Das wurde lange sträflich vernachlässigt. Wie wir heute wissen: Die Fehlentscheidungen reichen zurück zum ehemaligen Bahnchef Mehdorn. Er wurde vom damaligen Kanzler Schröder eingesetzt, während der rot-grünen Koalition. Lieber Herr Ströbele, war Herr Mehdorn auch "Ihr" Mann?

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Den radikalen Sparkurs bei der Bahn hatte übrigens der heutige SPD-Kanzlerkandidat vorgegeben. Als Bundesfinanzminister hat er die Privatisierung der Deutschen Bahn vorangetrieben. Die Ansage an die Bahn war damals unmissverständlich: Die Braut sollte hübsch gemacht werden für den Börsengang. Das Personal wurde drastisch zurückgefahren, Strukturen wurden verändert. Schriftlich hielt der damalige Finanzminister Steinbrück fest, dass er eine entsprechende Dividende erwarten würde, die an den Bundeshaushalt abgeführt werden solle. Bahnchef Grube hat Recht - die Zugausfälle sind heute eine große Blamage für die Bahn.

Und jetzt? Die DB braucht bei den Mitarbeitern eine "Überdeckung", kein Nähen auf Kante mehr. Und die Einsatzmöglichkeiten als Fahrdienstleiter müssen flexibler gestaltet werden. Unverständlich, dass Fahrdienstleiter bisher nicht an angrenzenden Stellwerken einspringen können. Hier muss die Ausbildung breiter werden. Gefragt ist jetzt ein echtes Frühwarnsystem zur Erkennung von Engpässen und eine ehrliche Analyse, ob und wie die Bahn auf den demografischen Wandel vorbereitet ist. Ich glaube, da ist noch viel Luft nach oben. Hoffentlich wird die genutzt, denn nach wie vor finde ich Bahnfahren gut, wenn auch auf manchen Strecken zu teuer.

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