Baerbock spricht bei "Lanz" aus, was Scholz nicht sagt

"Natürlich darf Russland diesen Krieg nicht gewinnen, sondern muss ihn strategisch verlieren", sagte Grünen-Politikerin Annalena Baerbock bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
"Natürlich darf Russland diesen Krieg nicht gewinnen, sondern muss ihn strategisch verlieren", sagte Grünen-Politikerin Annalena Baerbock bei "Markus Lanz". (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

Mehr als drei Monate nach Kriegsausbruch in der Ukraine fand die Außenministerin Annalena Baerbock bei "Markus Lanz" klare Worte: "Die Ukraine muss gewinnen", sagte sie und berichtete von den grausamen Bildern, die sie bei ihrem Besuch in Butscha sah.

Seit einem Vierteljahr bestimmt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Nachrichten. Auch der ZDF-Talker Markus Lanz machte das Leid der Menschen vor Ort und die Reaktionen der NATO am Mittwoch erneut zum Thema seiner Sendung. Neben dem CDU-Politiker Carsten Linnemann, dem "Spiegel"-Journalisten Christoph Giesen, dem ZDF-Asienexperte Ulf Röller und der "Zeit"-Autorin Anja Maier sprach er dafür zunächst eine halbe Stunde lang mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Die Grünen-Politikerin fand im Gespräch deutliche Worte.

Zunächst nutzte Baerbock die Gelegenheit, die Menschen auf einen möglichen langen Krieg in der Ukraine einzustimmen: Russland sei mit seinem eigentlichen Ziel, die Ukraine einzunehmen, gescheitert. Deshalb fokussiere man sich nun "voll auf den Donbass in der Art und Weise eines Vernichtungskrieges", erklärte sie: "Der russische Präsident Putin will diesen Krieg auf Wochen und Monate hinaus auf brachiale Weise fortsetzen."

Die Auswirkungen auf den Energiebereich und die Getreidelieferungen könnten andere Staaten dazu bringen, ihre Unterstützung für die Ukraine einzustellen. Doch genau das will Baerbock verhindern: "Es darf nicht passieren, dass wir irgendwann sagen: Wir können und wir wollen nicht mehr", bekräftigte Baerbock: "Wir dürfen die Ukraine nicht im Stich lassen, denn dann hätte Putin gewonnen."

Markus Lanz (links) empfing am Mittwoch folgende Gäste (von links): CDU-Politiker Carsten Linnemann, die Journalisten Anja Maier und Christoph Giesen. Zugeschaltet wurde außerdem die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). (Bild: ZDF / Markus Hertrich)
Markus Lanz (links) empfing am Mittwoch folgende Gäste (von links): CDU-Politiker Carsten Linnemann, die Journalisten Anja Maier und Christoph Giesen. Zugeschaltet wurde außerdem die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). (Bild: ZDF / Markus Hertrich)

"Wir müssen alle an einem Strang ziehen, statt Schuldzuweisungen zu erteilen"

"Wir versuchen alles, dass dieser Krieg schnell zu Ende geht", versicherte die Außenministerin. Doch beenden könne diesen Krieg nur Wladimir Putin: "Wenn er aufhören würde zu bombardieren, wäre dieser Krieg vorbei, dann könnte die Ukraine in Freiheit und Frieden leben." Dann kamen Lanz und Baerbock auf das Thema Waffenlieferungen zu sprechen.

Auch hier ließ sich die Grünen-Politikerin nicht beirren: Die jüngste Rede des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD), in der er aufzählte, was schon alles an die Ukraine geliefert worden sei, mache eines deutlich: "Dieses Bild, was von einigen gezeichnet wird, Deutschland würde gar nichts tun, dass das nicht stimmt." Die Ausbildung der Soldaten und die Reparatur der Waffen sei unumgänglich, denn was brächten der Ukraine Geräte, die sie nicht bedienen können oder die nicht funktionieren? "Wir müssen alle an einem Strang ziehen, statt Schuldzuweisungen zu erteilen", forderte Baerbock.

Gegen Ende des rund 30-minütigen Gesprächs kam Baerbock schließlich auf ihre persönlichen Erfahrungen aus Butscha zu sprechen: Es sei wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass das nicht nur Fernsehbilder seien, "sondern, dass das in einer Distanz von uns passiert, wo wir sonst in den Urlaub fahren würden." Aber man dürfe sich auch nicht von Emotionen überrennen lassen, wenn Entscheidungen zu treffen sind: "Meine Verantwortung als deutsche Außenministerin, als Teil der Bundesregierung sowie aller anderer Bündnispartner war zu sagen: Es zerreißt uns das Herz, aber wir können nicht verantworten, selbst in diesen Krieg einzugreifen, weil in der Abwägung würde das zu viel, viel größerem Leid für ganz Europa führen."

"Deswegen darf die Ukraine auf keinen Fall verlieren - das heißt: Die Ukraine muss gewinnen."

Sie erzählte auch von dem Bild eines erschossenen 16-Jährigen, welches sie gesehen hatte: "Das heißt, da wurde ein 16-Jähriger bewusst erschossen. All diese Kriegsverbrechen bedeuten: Die Kinder, die Menschen, werden nie wieder leben können, logischerweise." Deutschland schicke nun acht Menschen zum Strafgerichtshof, "um diese Kriegsverbrechen aufklären zu können." Dass kein Opfer vergessen werde, sei die deutsche Verantwortung.

Zuletzt kam Lanz auf die Kritik an Kanzler Scholz zu sprechen, wonach er sich nicht offen genug für einen Sieg der Ukraine ausspräche. Der Satz "Die Ukraine muss den Krieg gewinnen" ist dem deutschen Bundeskanzler tatsächlich nicht öffentlich über die Lippen gekommen. Seine rhetorische Formel lautet, Russland dürfe nicht gewinnen, die Ukraine müsse bestehen. Baerbock ordnete im ZDF-Talk die Sprachregelung ein und wurde deutlicher: "Natürlich darf Russland diesen Krieg nicht gewinnen, sondern muss ihn strategisch verlieren", sagte sie: Die Russen "wollen den Frieden in der Ukraine zerstören. Deswegen darf die Ukraine auf keinen Fall verlieren - das heißt: Die Ukraine muss gewinnen."