Vor Baugipfel: Ministerin Geywitz will Konjunkturspritze
Berlin (dpa) - Vor dem sogenannten Wohnungsbaugipfel im Kanzleramt an diesem Montag hat Bauministerin Klara Geywitz neue Hilfen zum Bau oder Kauf der eigenen vier Wände angekündigt.
Zudem will die Bundesregierung als «konjunkturellen Impuls» eine Milliarde Euro zusätzlich in Wohnheime für Studenten oder Auszubildende investieren, wie die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agenur sagte. Ihr Ziel von 400.000 Wohnungen wird die Regierung auch dieses Jahr um mehr als 100.000 Einheiten verfehlen.
Wegen stark gestiegener Zinsen und hoher Baukosten sinkt die Zahl der Wohnbauprojekte. Viele Menschen können sich ein Eigenheim nicht mehr leisten, und Immobilienentwickler fürchten, teuer gebaute Mietwohnungen könnten sich nicht rentieren.
Das Treffen mit Verbänden, Bund, Ländern und Kommunen bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) soll Gegenmaßnahmen beraten. Vorab stellten Branchenvertreter viele Forderungen auf, darunter staatlich vergünstigte Zinssätze, eine niedrigere Mehrwertsteuer und die Abkehr von hohen Baustandards zum Energiesparen.
Einfacher und billiger Bauen
Scholz stellte am Wochenende bessere Bedingungen für den Bau bezahlbarer Wohnungen in Aussicht. Dafür sollten Vorschriften vereinfacht und vereinheitlicht werden, «damit wir serielles Bauen hinbekommen und das Bauen noch billiger wird», sagte er bei einer SPD-Wahlkampfkundgebung in Nürnberg.
Scholz betonte, bei dem Treffen im Kanzleramt sollten «ganz konkrete Dinge» besprochen werden, wie mehr Wohnungen gebaut werden können. Gebraucht werde unter anderem mehr Bauland, das in den Kommunen ausgewiesen werden müsse.
Verbände der Baubranche verlangten am Wochenende ein Hilfspaket mit Steuererleichterungen, weniger Regeln und mehr Förderung - einen «Wohnungsbau-Wumms».
Ministerin Geywitz zeigte sich im dpa-Interview für einige Forderungen der Immobilienbranche offen. Die Bauanträge seien massiv nach unten gegangen, sagte sie. «Deshalb werden wir jetzt konjunkturelle Impulse setzen.» Sie nannte die bereits angekündigten gut 18 Milliarden Euro vom Bund für den sozialen Wohnungsbau. «Zusammen mit den Beiträgen der Länder stehen da etwa 45 Milliarden Euro bis 2027 zur Verfügung.»
Zum anderen werde das mit 500 Millionen Euro ausgestattete Programm für Junges Wohnen um zwei Jahre verlängert, ein Plus von einer Milliarde Euro. «Damit stehen dann insgesamt 1,5 Milliarden Euro bereit, um Studenten- und Azubiwohnheime zu finanzieren», sagte Geywitz.
Mehr Förderung für Familien
Zur geplanten Ausweitung der Wohneigentumsförderung für Familien sagte Geywitz: «Dazu werden wir die Einkommensgrenze von jetzt 60 000 Euro deutlich nach oben setzen. Auch die Kreditsumme werden wir noch einmal erhöhen.» Zudem sei es ökologisch sinnvoll, «dass wir Familien auch unterstützen, ein bestehendes Haus zu erwerben und zu sanieren».
Geywitz stellte sich auch hinter Forderungen, Energiesparvorschriften nicht wie geplant weiter zu verschärfen. «Ich bin dagegen, mit verpflichtenden Mindest-Effizienzstandards bei Gebäuden Eigentümern von unsanierten Häusern Angst zu machen, dass sie Zehntausende von Euro investieren müssen», sagte Geywitz auch mit Blick auf EU-Pläne für eine Gebäudeeffizienzrichtlinie.
«Wir sollten erstmal bei den öffentlichen Gebäuden mit gutem Beispiel vorangehen, bei den Schulen unserer Kinder, bei Sporthallen, bei den Rathäusern, den Feuerwachen und Pflegeeinrichtungen», sagte Geywitz. «Damit haben wir schon ziemlich viel CO2 gespart. Und wenn wir später feststellen, dass es noch zu viele unsanierte Einfamilienhäuser gibt, haben wir dann sicherlich auch eine Antwort darauf.»
Weniger strenge Energiesparstandards
Mit Blick auf Neubauten ging Geywitz klar auf Distanz zu dem Energiesparstandard EH40, den die Ampel im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbart hat. «Die jetzigen Kategorien, der Effizienzstandard EH40 zum Beispiel, konzentrieren sich zu sehr auf die Dämmung und die benötigte Heizwärme», sagte Geywitz.
«Wir sollten ein einfaches System entwickeln, das energieeffizientes Bauen, die Nutzung umweltgerechter und recycelter Baumaterialien und flächensparendes Bauen fördert. Das wäre eine Alternative zu EH40.»
Die Festlegung im Koalitionsvertrag stamme aus einer Zeit mit niedrigeren Finanzierungs- und Baukosten, argumentierte Geywitz. «Wir müssen dringend die Baukosten senken. Der Baukostenunterschied zwischen dem jetzt gültigen Standard EH55 und EH40 kann mehrere Hundert Euro pro Quadratmeter betragen.»
Der Linken fehlt der Mieterschutz auf der Tagesordnung des Wohnungsbaugipfels. «Die Bundesregierung muss jetzt mit einem Mietenstopp weitere Mieterhöhungen verhindern», sagte die Wohnungsbauexpertin Caren Lay. Sie hatte bei der Bundesregierung nach den Orten in Deutschland mit den stärksten Mietsteigerungen gefragt.
Ergebnis: Spitzenreiter beim Anstieg war im vergangenen Jahr Delmenhorst in Niedersachsen mit einem Plus von 13,2 Prozent, gefolgt von Worms in Rheinland-Pfalz mit plus 12,2 Prozent und Weiden in der Oberpfalz in Bayern mit plus 11,7 Prozent. «Es ist alarmierend, dass die Mieten jetzt da steigen, wo sie bisher noch bezahlbar waren», sagte Lay.
IG Bau für 50-Milliarden-Konjunkturpaket
Vor dem Spitzentreffen bekräftigte zudem die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt ihre Forderung nach einem 50 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramm für den Wohnungsbau. «Gerade in letzter Zeit wurden doch recht erfolgreich Konjunkturprogramme aufgelegt. Es ist wieder an der Zeit», sagte der Vorsitzende Robert Feiger der «Bild am Sonntag».
Hohe Zinsen und stark gestiegene Kosten hatten den Bau-Motor in den vergangenen Monaten abgewürgt. Bezahlbare Wohnungen sind vielerorts nur schwer zu finden.
«Dem Wohnungsbau droht der Gau», sagte Feiger dazu. «Das Ziel der Ampel, 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, wird Jahr um Jahr verfehlt. Die Erstellungszahlen werden immer niedriger - und dass bei steigenden Einwohnerzahlen.»
Der Städte- und Gemeindebund (DStGB) forderte ebenfalls ein klares Signal des Treffens. «Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Wohnungsbau beschleunigen, Baukosten begrenzen und Investitionen in den Wohnungsbau weiter stärken», umriss Geschäftsführer Gerd Landsberg in der «BamS» die notwendigen Maßnahmen.
Steuerliche Erleichterungen seien gefragt - sowohl für den Neubau als auch für die Bestandssanierung. «Zudem muss der Bund die Mittel für die soziale Wohnraumförderung langfristig auf mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr anheben», sagte er dem Blatt.