Boris Becker spricht erstmals nach seiner Haft

Das Rätselraten nach der Haftentlassung ist beendet: Erstmals nach 236 Tagen hat sich Boris Becker wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Die Zeit im britischen Gefängnis habe ihn verändert, sagte der deutsche Tennis-Superstar im Interview mit Sat.1.

«Ich habe eine harte Lektion gelernt. Eine sehr teure. Eine sehr schmerzhafte. Aber das Ganze hat mich etwas Wichtiges und Gutes gelehrt. Und manche Dinge passieren aus gutem Grund.» Der Sender verbreitete am Dienstagmittag erste Zitate aus dem Gespräch, das am Abend (20.15 Uhr) ausgestrahlt werden sollte.

Im Gefängnis ist er nur eine Nummer

Die Erfahrungen hinter Gittern sind an dem einstigen Weltstar nicht spurlos vorbeigegangen. Erste Fotos zeigen Becker jetzt deutlich schlanker. Er hat etwas dunklere, hoch geföhnte Haare.

«Im Gefängnis bist du niemand. Du bist nur eine Nummer. Meine war A2923EV», sagte der Sportler. «Ich wurde nicht Boris genannt. Ich war eine Nummer. Und es interessiert sie einen Scheißdreck, wer du bist.»

Becker war Ende April von einem Gericht in London zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Er war am Donnerstag - nach 231 Tagen hinter Gittern - freigekommen.

Über die letzten Stunden vor seiner Freilassung und Abschiebung nach Deutschland sagte der Ex-Tennisspieler: «Ich saß ab sechs Uhr in der Früh auf meiner Bettkante und hoffte, dass die Zellentür aufgeht. Sie kamen um halb acht, schlossen auf und fragten: Bist Du fertig? Ich sagte: "Los geht's!" Ich hatte auch schon alles gepackt.»

Boris Becker: Er fühlte sich im Gefängnis wie eine Nummer

Dass von Becker bis zur Veröffentlichung des Sat.1-Interviews keine Spur zu sehen war, überrascht in der heutigen digitalen Welt umso mehr. Klar war nur: Wird Becker aus der Haft entlassen, wird er aus Großbritannien abgeschoben und muss umgehend in ein Flugzeug nach Deutschland steigen. Sein Flug in die Freiheit startete, wie später zu hören ist, auf dem Flugplatz Biggin Hill, südöstlich von London. Doch stunden-, wenn nicht tagelang rätselten Journalisten, wo in Deutschland der 55-Jährige gelandet ist - wohl Stuttgart - und wann.

Für viele ist er immer noch der Wimbledon-Held

Über seine ersten Schritte in der Heimat ist bisher nichts bekannt. Auch nicht, ob er Mutter Elvira getroffen hat, oder ob er wieder beim Deutschen Tennis-Bund (DTB) arbeiten wird. «Wir werden nach seiner Rückkehr nach Deutschland weiterhin einen engen Austausch mit ihm haben», kündigte der DTB am Dienstag an. «Boris Becker ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der deutschen Tennisfamilie. Seine Verdienste sind und bleiben einzigartig.»

Vor allem aber hoffen Beobachter und Fans darauf zu erfahren, was im Leben der Tennis-Legende passiert ist und zum fast acht Monate langen Aufenthalt hinter britischen Gittern führte. Für viele Deutsche ist Becker auch Jahrzehnte nach seinem Fabeltriumph von Wimbledon 1985 der «17-jährige Leimener», der mit Becker-Hecht und Becker-Faust den Londoner Centre Court zu seinem «Wohnzimmer» machte.

Ihm - und selbstverständlich Steffi Graf - ist zu verdanken, dass ab Mitte der 1980er Jahre die Tennis-Begeisterung in Deutschland in die Höhe schoss. Noch zwei weitere Male - 1986 und 1989 - krönte sich Becker in Wimbledon zum König des weißen Sports. Gut 25 Millionen US-Dollar Preisgeld kassierte er in seiner Karriere, dazu in etwa nochmal dieselbe Summe an Werbegeldern, wie Becker selbst vor Gericht in London angab. In der Tenniswelt blieb er auch nach der Karriere eine Größe: Als beliebter «Head of Men's Tennis» für den DTB, als erfolgreicher Trainer von Superstar Novak Djokovic und vor allem als kenntnisreicher Erklärer bei Eurosport und der BBC.

Glücklos im Privaten und Geschäftlichen

Doch da war auch die andere Seite des Superstars. Im Privatleben agierte er deutlich unglücklicher als auf dem Centre Court, in Deutschland wurde er wegen seiner Affären verspottet. Als Geschäftsmann hatte er ebenfalls kein gutes Händchen. Beim Versuch, Geld zurückzuzahlen, nahm er Kredite auf, teils zu enormen Zinsen. Die Folge: Privatinsolvenz. Im Prozess zeichnete sein Anwalt das Bild eines liebenswerten, aber naiven Menschen, der keine Ahnung gehabt habe, wem er sein Geld anvertraut und was damit angestellt wird.

Diesen Eindruck hatte Gätjen von Becker

Richterin Deborah Taylor glaubte dem nicht - und schickte Becker in Haft. Dank einer Sonderregel für ausländische Häftlinge, mit der Platz in den überfüllten britischen Gefängnissen geschaffen werden soll, kam er nach rund siebeneinhalb Monaten wieder raus. Wann Becker in seine Wahlheimat London zurückkehren darf, wo seine Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro lebt, die ihn wiederholt im Gefängnis besuchte, ist unklar.

Sat.1-Moderator Steven Gätjen, der Becker zur Vorbereitung des Interviews getroffen hat, sagte über ihn: «Ich glaube, dass er wirklich willens ist, aufzuräumen und viele Dinge klarzustellen.» Wie Gätjen schilderte, ist ihm persönlich vor allem Beckers Beschreibung der ersten Tage im Gefängnis Wandsworth in Erinnerung geblieben. «Dort sitzen ja nicht nur Menschen ein, die finanzielle Straftaten begangen haben, sondern auch Sexualstraftäter, Mörder und Menschen, die große Raubüberfälle begangen haben. Boris Becker erzählte mir, dass er große Angst davor hatte, in einer Sammelzelle zu landen.»

Noch kurz vor seiner Inhaftierung im April hatte sich Becker im Interview mit Apple TV+ emotional gezeigt. «Ich habe meinen Tiefpunkt erreicht. Ich werde sehen, was ich damit anfange», sagte er damals unter Tränen. Wenige Tage später musste er ins Gefängnis.

VIDEO: Boris Becker: Darum wurde er schon entlassen