Das Trugschloss aus Bayern

Die CSU ist Deutscher Meister im Inszenieren. Heute im Programm: eine Beschlussvorlage zur Zuwanderungspolitik. Der Tenor: Christsozial bedeutet Ordnung. Vorhang auf.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Staatstragend tritt die CSU in diesen Tagen auf. Ihre Vertreter reden von Konzepten und Inhalten, ihre Mienen bedeuten Vernunft. Damit versprechen sie sich Erfolg beim Wähler – und inszenieren dennoch nur ein Stück. Es könnte heißen: Des Kaisers neue Kleider.

Das neue Gewand der CSU wird in fünf Seiten beschrieben, eine Beschlussvorlage für den Vorstand, aus dem „Spiegel-Online“ zitiert. Darin gelingt den Christsozialen ein wahres Kunststück: Sie verwandeln kalten Kaffee in Sprengstoff. Zwar ist kaum eine Idee im Konzept zur Zuwanderungspolitik neu oder zielführend. Aber bei der CDU wird das Papier für Ärger sorgen, denn die CSU hat sich bei der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen CDU und CSU für eine neue Arbeitsteilung entschieden: Die CDU rackert im Maschinendeck und hat den Dreck. Und die CSU räkelt sich am Sonnendeck auf der Besserwisserklasse.

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Doch der Reihe nach. „Die CSU hatte als einzige Partei von Beginn an einen klaren und unverrückbaren Kurs in der Zuwanderungsfrage. Andere wurden von der Realität eingeholt“, heißt es im Schreiben. Das stimmt doppelt nicht. Zum einen hatten auch AfD und NPD von Beginn an einen klaren und unverrückbaren Kurs in dieser Frage. Und zum anderen erschließt sich nicht, wer von welcher Realität eingeholt worden sein sollte: Die CDU beschloss im vergangenen Herbstanfang bewusst, eine Million Menschen ins Land zu lassen. Die Folgen dessen sind überschaubar und vorhersehbar gewesen, das Abendland ist nicht untergegangen.

Mit der Faust auf den Tisch

Aber die CSU inszeniert sich als Partei der Ordnung. Sie demonstriert ein Basta. In konkrete Politik mündet das nicht. Aber es geht ja nur um den Augenschein.

Die weiteren Punkte des Papiers sind eher eine Gaudinummer.

„Deutschland muss Deutschland bleiben“, fordert die CSU. „Wir sind dagegen, dass sich unser weltoffenes Land durch Zuwanderung oder Flüchtlingsströme verändert.“ Und weiter: „Nicht wir haben uns nach den Zuwanderern zu richten, sondern umgekehrt: Wer zu uns kommen will, hat sich nach uns zu richten!“

Auweia. Werben die Christsozialen etwa um die Zustimmung jener, die dieser Verschwörungsidiotie von einer „Umvolkung“ anhängen? Natürlich wird Deutschland Deutschland bleiben, genauso wie eins und eins immer zwei ergeben werden. Und wie sollte das gehen: Man ist „weltoffen“, will sich aber durch Zuwanderung nicht verändern? Heißt Weltoffenheit hier das Abarbeiten eines Reisekatalogs, hat man dann die Welt gesehen?

Länder verändern sich immer. Deutschland sah vor 500 Jahren anders aus. Und dennoch würde ein Zeitreisender im Land von damals jede Menge „deutsches“ erkennen – und in 500 Jahren sicherlich auch. Abgesehen davon war Deutschland schon immer ein Einwanderungsland, jeder Leser studiere bitteschön seinen abwechslungsreichen „Stammbaum“. Aber schließlich will die CSU nur klarmachen, wer sich bewegen solle – und damit bemüht sie einen Flaschengeist, der noch nie funktionierte: Natürlich müssen sich die Zugewanderten bewegen, sie müssen unser Land kennen lernen, die Sprache, die Kultur. Sie haben sich nach so vielem zu richten, das ist selbstverständlich. Aber ein Zusammenleben funktioniert nur, wenn auch wir uns bewegen und auf die Einwandernden zugehen. Die CSU wiederholt die alten Fehler, die gegenüber den „Gastarbeitern“ gemacht wurden – damals wurden sie schlicht übersehen.

Achtung, Burka-Alarm

Ferner juckt es die CSU wieder einmal wegen dieser Burkas. Warum, erfährt man nicht, da muss es in München ja eine wahre Invasion von Burkas geben. „Die Burka hat in Deutschland nichts verloren“, heißt es knapp im Schreiben. Und was, wenn eine Deutsche Burka tragen will? Was ist zu viel, was zu wenig? Wird auch Karneval demnächst verboten? Ein Freund von mir ging unlängst als Hase im Ganzkörperkostüm dorthin. Und wenn es regnet, müssen die Kopftücher dann in der Kommode bleiben? Und die Nonnen, was geschieht mit denen? Schließlich solle das Kopftuch „weder im öffentlichen Dienst noch in der Justiz akzeptiert“ werden.

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Dann gibt es noch weiteres Gedöns wie die Forderung nach der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft – eigentlich auch für EU-Bürger? Oder eine Ablehnung der Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger; sind die doch selber schuld, dass sie den Erdogan gewählt haben.

Wir aber haben Horst Seehofer. Der hat sich ein schönes Schloss gebaut, es ist das der Bedenkenträger. Gekostet hat es nichts. Denn eine sorgenvolle Miene hat keinen Preis. Fakt ist, dass die CSU das Sonnendeck ganz toll findet. Dann muss sie auch nicht herab in die wahre Debatte darüber, wie das Zusammenleben in Deutschland besser gestaltet wird.

Bild: dpa

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