Eine Brücke über nichts

Mitten im Stadtpark hat die Stadt Gießen eine sechs Meter lange Brücke aufgestellt. Es ist keine Fußgängerbrücke und sie führt weder über ein Gewässer noch über einen Graben. Wozu das Ganze?

Nichts als Erde überspannt der sechs Meter lange Betonbogen. Wasser unter der Brücke gibt es keines. Das war mal anders: Einst führte die Brücke in Gießen über einen Teich und verband zwei Landzungen, die in den Schwanenteich ragten. Für die Landesgartenschau 2014 wurde sie abgebaut und durch eine neue ersetzt. Fast 10.000 Euro steckten der Förderverein Landesgartenschau und die Sparkassenstiftung in die Restaurierung.

Nostalgisches Hochzeitsbrückchen

“Der Platz ist doch ganz gut und auch nicht zu dunkel”, befindet Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich (Grüne) bei einer ersten Inspektion zwischen zwei Terminen. Der neue Standort zwischen dem Rhododendrenhain und einem Spazierweg, der hinter dem Badezentrum zum Schwanenteich führt, ist momentan noch eine Baustelle. Die Brücke selbst erstrahlt wie früher in Hellblau.

Eine Bürgerinitiative, die bereits gegen die Landesgartenschau mobil gemacht hat, unter anderem aus ökologischen Gründen, wirft nun die Frage auf: “Für wen soll diese Brücke sein?”, fragt Martina Lennartz von der Bürgerinitiative und gibt gleich die Antwort: “Das ist ein Schildbürgerstreich.” Aufgrund des fehlenden Wassers sei der eigentliche Zweck der Brücke verfehlt.

“Wir haben die Brücke aus nostalgischen Gründen wieder aufgestellt”, sagt Bürgermeisterin Gerda Weigel-Greilich und verteidigt den ungewöhnlichen Standort. Damit meint sie auch weniger die Brücke, als den “speziellen Ort”. Brautpaare ließen sich dort einst ablichten. Und bestimmt auch bald wieder, meint die Bürgermeisterin.

Mario Berger, Mitstreiter der Bürgerinitiative teilt die romantische Hoffnung der Bürgermeisterin für die Brücke nicht: “Ich denke nicht, dass frisch vermählte Paare im Gänsemarsch vom Amt zur Hochzeitsbrücke pilgern.”

Brücke hier, Brücke da

Anfangs sollte die Brücke ins benachbarte Lich kommen, später wollte man sie schräg gegenüber dem Standesamt in der Villa Leutert als Verbindung der Ufer des dortigen kleinen Teiches aufstellen. Aber auch dieser Plan scheiterte.

Eine ersichtliche Funktion hat die Brücke nicht mehr: Ihr neues Zuhause ist nun die Wiese eines Parks. Ihren Zweck findet sie vielleicht noch. Als sich ein älteres Ehepaar der Brücke nähert, liest die Frau laut “Hochzeitsbrücke” vor. Da sie die Goldhochzeit schon hinter sich haben, wird es hier nun vielleicht das Foto zur “Diamantenen” geben. Und wenn es im Hain weiterhin so büht, sieht die Kulisse doch schon viel mehr nach Hochzeit aus - auch ohne Wasser.

Foto: dpa

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