Enthüllt: Millioneneinnahmen der EU-Abgeordneten durch Nebenjobs

Enthüllt: Millioneneinnahmen der EU-Abgeordneten durch Nebenjobs

Laut einem am Montag von Transparency International EU veröffentlichten Bericht verdienen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zusammen mehr als 8,6 Millionen Euro pro Jahr mit externen Jobs – auch bei privaten Unternehmen, die aktiv Lobbyarbeit für die EU-Politik betreiben.

Transparency International EU hat gefordert, dass EU-Gesetzgebern die nebenberufliche Tätigkeiten untersagt werden, da den Zahlen zufolge über mehr als zwei Drittel der 705 Abgeordneten angeben, dass sie neben ihrer Kernaufgabe noch weitere Tätigkeiten ausüben.

In einigen Fällen verdienen sie mit externen Aktivitäten mehr als ihr Gehalt als Europaabgeordneten von 10.000 Euro pro Monat und sitzen in Vorständen von Unternehmen, die eng mit ihrer täglichen Arbeit verbunden sind, so die Studie.

Im vergangenen Jahr verschärfte die EU ihre Regeln im Zuge von Katargate, einem Skandal wegen angeblicher ausländischer Einflussnahme auf den Gesetzgebungsprozess. Die Reform bedeutet, dass die Gesetzgeber nun detailliertere Angaben zu den Einnahmen aus dem Ausland veröffentlichen müssen.

Für Transparency International EU gehen die neuen Regeln jedoch immer noch nicht weit genug, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Ganz oben auf der Liste

Ganz oben auf der Liste der Großverdiener steht der litauische Europaabgeordnete Viktor Uspaskich, der erklärt, für drei Millionen Euro pro Jahr bei einem Unternehmen namens Edvervita UAB zu arbeiten.

In litauischen lokalen Medien wurde berichtet, dass das Unternehmen Uspaskich und seinen Kindern gehört und Verbindungen zu bedeutenden gewerblichen Immobilieninteressen in Russland hat.

Uspaskich, der vor Kurzem wegen homophober Äußerungen aus der zentristischen Gruppierung Renew Europe rausgeworfen wurde, hat nicht auf unsere Nachfrage zu seiner Beziehung zu dem Unternehmen geantwortet.

Uspaskichs auffällige Einnahmen stammen offenbar von seiner eigenen Firma, andere Europaabgeordnete werden allerdings dafür bezahlt, die Vorstände etablierter Unternehmen zu beraten.

Ganz oben auf der Liste steht auch Manfred Weber aus Deutschland, der knapp über 14.000 Euro pro Monat als Zusatzeinnahmen angibt, hauptsächlich aufgrund seiner Rolle als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei EVP.

Weiter unten verdient Monika Hohlmeier (Deutschland/EVP) rund 75.000 Euro pro Jahr für ihre Arbeit beim Agrar- und Energieunternehmen BayWa AG. Axel Voss (Deutschland/EVP) bekommt als Datenschutzberater bei der Deutschen Telekom und von der Anwaltskanzlei Bietmann ingesamt rund 54.000 Euro pro Jahr, rechnet Transparency International EU vor.

Die EU-Vorschriften ermöglichen es Abgeordneten, externe Jobs auszuüben – aber sie dürfen nicht als Lobbyisten arbeiten. Es wird also als schlecht angesehen, wenn sie für Unternehmen arbeiten, die ebenfalls versuchen, die Brüsseler Politik zu beeinflussen, wurde Euronews mitgeteilt.

"Vielleicht ist der Abgeordnete nicht selbst an den Aktivitäten im Zusammenhang mit Lobbyarbeit beteiligt“, sagte Raphaël Kergueno, leitender politischer Beauftragter bei Transparency International EU gegenüber Euronews. Er fügte aber auch hinzu, dass "je mehr wir diese Art von Schlupflöchern haben, desto schwieriger wird es, auch die Regeln, die wir schon haben, tatsächlich durchzusetzen.“

BayWa ist z. B. in der EU-Datenbank registrierter Lobbyisten mit Interesse an der Agrarpolitik erfasst. Für die Deutsche Telekom werden Datenschutz und künstliche Intelligenz als relevante Politikbereiche genannt.

Monika Hohlmeier, Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses des Parlaments, hat während ihrer Zeit als Abgeordnete Änderungsanträge zur Agrarpolitik eingereicht; der Bericht von Voss für den Ausschuss für künstliche Intelligenz des Parlaments ist gespickt mit Hinweisen auf Datenschutzfragen.

Stellungnahmen per Mail

Per Mail sendete Voss eine Erklärung an Euronews: "Meine Aktivitäten im Zusammenhang mit den angegebenen zusätzlichen Einnahmen stehen selten in Zusammenhang mit meiner Rolle als MdEP (Mitglied des Europäischen Parlaments).“

Voss fügte hinzu: "Wenn dies der Fall ist, kommentiere ich bereits abgeschlossene Rechtsvorschriften und deren rechtliche Auslegung, was keinen Interessenkonflikt darstellt."

Aber diese Abgeordneten sind nicht die einzigen, deren Aktivitäten außerhalb für Stirnrunzeln sorgen könnten.

Zusätzlich zu seinen Einnahmen als Universitätsprofessor verdient der ehemalige belgische Finanzminister Johan Van Overtveldt (Belgien/Europäische Konservative und Reformisten EKR) laut Unterlagen 2.500 Euro pro Monat, wenn er für den Vorstand von NBX BV, einem in Antwerpen ansässigen Softwareunternehmen, im Bereich "Technologie rund um Zahlungssysteme“ arbeitet.

Van Overtveldt sitzt zwar im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments (ECON), der kürzlich neue Gesetze über Zahlungsdienste verabschiedet hat, sagte aber gegenüber Euronews, dass durch seine externen Aktivitäten, die sich seiner Meinung nach auf die internationalen Expansionspläne von NBX konzentrieren, "kein Interessenkonflikt“ bestehe.

Parteiübergreifende Aktivitäten

Laut Transparency International EU kommen die 20 Spitzenverdiener "überwiegend“ aus Parteien der Rechten und Rechtsextremen. Aber nicht ausschließlich: Marek Belka (Polen/Sozialisten und Demokraten S&D) ist der zehnthöchste Verdiener.

Für seine Tätigkeit im Aufsichtsrat der Vienna Insurance Group gibt er ein Einkommen von 5.000 Euro pro Monat an, für eine ähnliche Tätigkeit beim Gesundheitsunternehmen Pilion weitere 2.000 Euro pro Monat – diese Aufgaben umfassen seiner Meinung nach nur die Teilnahme an vier Sitzungen pro Jahr.

Meine Arbeit im Parlament hat Vorrang.

"Die Treffen beeinträchtigen meine parlamentarischen Verpflichtungen nicht“, sagte Belka gegenüber Euronews, der auch im ECON sitzt, das den Versicherungssektor reguliert. Er fügte hinzu: "Meine Arbeit im Parlament hat Vorrang.“

Seines "Wissens nach gab und gibt es keinen Interessenkonflikt" aufgrund seiner Arbeit im Vorstand sagte Belka. Er sagte, dass sich die Aktivitäten im Vorstand voll und ganz auf die Aufsicht des Finanzmanagements konzentrieren, basierend auf seiner "großen Erfahrung als Wirtschaftswissenschaftler", und nicht auf Lobbyarbeit oder Beratung bei der Gesetzgebung.

Belkas ECON-Aktivitäten konzentrieren sich auf andere Bereiche wie Zahlungen, Bankwesen und makroökonomische Politik, und er stimme in Fragen des Versicherungssektors immer mit der Linie seiner Partei ab, sagte er. Die Gesundheitspolitik werde von ganz anderen Ausschüssen behandelt.

Ein Sprecher des siebthöchsten Verdieners Guy Verhofstadt (Belgien/Renew Europe) verteidigte seine monatlichen Einnahmen von 5.000 Euro aus der Beratung des grünen Investmentfonds Planet First Partners und sagte, dass dies "in keiner Weise mit Guys Ansichten und Abstimmungsverhalten in Bezug auf Umwelt und Nachhaltigkeit kollidiert – ganz im Gegenteil“.

"Im Allgemeinen gab es nie Probleme mit Interessenkonflikten“, sagte der Sprecher über den ehemaligen belgischen Premierminister. "Bei Guy steht die Politik immer an erster Stelle.“

Perspektive von außen?

Einige Abgeordnete argumentieren sogar, dass ihre bezahlte Arbeit bei großen Unternehmen die politische Entscheidungsfindung verbessern.

"Ich denke, es ist sehr wichtig, dass sich die Abgeordneten auch in verantwortungsvollem Maße in Gesellschaft und Wirtschaft engagieren“, sagte Hohlmeier. "Politiker sollten nicht nur im politischen Elfenbeinturm aktiv sein, sondern sich auch außerhalb des Parlaments engagieren müssen... Das Ganze muss auf transparente Weise geschehen.“

BayWa ist "eines der wenigen großen europäischen Unternehmen, das sich im globalen Wettbewerb in den Bereichen Agrarhandel und erneuerbare Energien gegen chinesische und amerikanische Unternehmen behaupten kann“, sagte sie und fügte hinzu, dass sie ihre "politischen Entscheidungen völlig unabhängig" trifft.

"Die Erfahrungen, die ich in den verschiedenen Organisationen oder bei der BayWa gemacht habe, und das Wissen, das ich dort sammle, bereichern mich“, sagte Hohlmeier über den Posten, der ihr durchschnittlich 6.000 Euro pro Monat zuzüglich Reisekosten einbringt, und fügte hinzu, dass sie die hohen Subventionen, die Großlandwirten im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU gezahlt werden, weiterhin kritisch betrachte.

Kergueno wirft keinem einzelnen Abgeordneten vor, unangemessen gehandelt zu haben, da angebliche Interessenkonflikte seiner Meinung nach nur von einer unabhängigen Stelle mit ausreichenden Ressourcen entschieden werden können, wie dies in Frankreich der Fall ist.

Viele andere Länder sind sogar noch weiter gegangen und haben Gesetzgebern verboten, Nebentätigkeiten auszuüben, stellt er fest.

Doch Hohlmeiers Argument, dass externe Arbeit eine wichtige zusätzliche Perspektive bieten kann, weist er zurück denn, – wie er sagt– genau dafür seien Lobbygruppen da.

"In Brüssel sind 12.000 Organisationen aktiv, und ich bin mir sicher, dass sie mehr als bereit sind, ihre Bedenken den Abgeordneten mitzuteilen“, sagte er.

"Ob sie wirklich eine Position in der Geschäftsleitung dieses Unternehmens innehaben müssen oder nicht, es ist eine ganz andere Art von Aktivität.“