Mutmaßliche Pläne für Staatsstreich: Prozess gegen Reichsbürger in Stuttgart begonnen

Unter strikten Sicherheitsvorkehrungen hat in Stuttgart der erste von drei geplanten Großprozessen um die Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger begonnen, die den Sturz der deutschen Demokratie geplant haben soll. (Bernd Weißbrod)
Unter strikten Sicherheitsvorkehrungen hat in Stuttgart der erste von drei geplanten Großprozessen um die Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger begonnen, die den Sturz der deutschen Demokratie geplant haben soll. (Bernd Weißbrod)

Unter strikten Sicherheitsvorkehrungen hat in Stuttgart der erste von drei geplanten Großprozessen um die Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger begonnen, die den Sturz der deutschen Demokratie geplant haben soll. Am Montag wurde vor dem Oberlandesgericht die Anklage verlesen. Sie klang teils bizarr - doch barg die Gruppe der Bundesanwaltschaft zufolge ein "erhebliches Gefährdungspotenzial". Ihre Mitglieder sollen an Verschwörungsmythen geglaubt und die demokratische Ordnung abgelehnt haben.

Die neun Angeklagten, alles Männer zwischen 42 und 60 Jahren mit deutscher Staatsbürgerschaft, wurden in Handschellen hineingeführt. Viele Zuschauer und Journalisten kamen - der Beginn verzögerte sich um fast anderthalb Stunden.

Der Bundesanwaltschaft zufolge sollen die Angeklagten davon überzeugt gewesen sein, dass Deutschland von einer "verschwörerischen Sekte pädophiler Eliten" beherrscht werde, deren Gegenspieler eine sogenannte Allianz sei - ein Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA. Von dieser - in Wirklichkeit nicht existierenden - "Allianz" sollen sie sich die Befreiung Deutschlands erhofft haben.

Dabei soll die Gruppe zunächst geplant haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten zu erreichen. Sie sei davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerung "aufwachen" und sich hinter sie stellen werde, führte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft aus. Die Mitglieder hätten gewusst, dass es bei der von ihnen geplanten Machtübernahme Tote geben könnte.

Nach dem Umsturz habe der als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehene Heinrich XIII. Prinz Reuß mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs die neue staatliche Ordnung Deutschlands verhandeln sollen. Den Vorwürfen zufolge sah die Gruppe ihr eigenes zentrales Gremium, den sogenannten Rat, als Übergangsregierung für Deutschland.

Später habe sie auf ein Zeichen der "Allianz" gesetzt, wenn diese die obersten Institutionen Deutschlands angreife. Die Gruppe selbst habe geplant, dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen zu beseitigen.

Vor allem hier kommen die Vorwürfe gegen die Angeklagten ins Spiel, die in Stuttgart vor Gericht stehen. Sie sollen größtenteils dem militärischen Arm der Gruppe angehört haben. Der Anklage zufolge begann die Gruppe mit dem Aufbau sogenannter Heimatschutzkompanien, die den Umsturz und spätere "Säuberungsaktionen" auf regionaler Ebene hätten durchsetzen sollen.

In Baden-Württemberg und Thüringen sollen die Vorbereitungen besonders weit gewesen sein: Hier seien zwei örtliche Heimatschutzkompanien schon in der Lage gewesen, eigenständig aktiv zu werden, hieß es in der Anklage.

In Stuttgart ist auch Marco van H. angeklagt, der sich gegenüber den Rädelsführern als ehemaliger Soldat der "Allianz" ausgegeben haben soll. Er soll dann zum Verbindungsoffizier der Gruppe zu diesem nicht existierenden Geheimbund ernannt worden sein. Seine Verteidiger kritisierten vor Gericht, dass versucht werde, ihren Mandanten "in die rechte Ecke" zu stellen. Er sei nicht rechtsextrem und auch nicht demokratiefeindlich und werde in den Medien vorverurteilt.

Allen neun in Stuttgart Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Zwei von ihnen sind außerdem wegen Waffendelikten und einer, Markus L., zusätzlich wegen versuchten Mordes angeklagt.

Ihm kamen die Ermittler deren Angaben zufolge nach den ersten Festnahmen im Dezember 2022 auf die Spur. Sie hätten eine von ihm unterschriebene Verschwiegenheitserklärung der Gruppe gefunden, sagten sie. Im März 2023 wurde L.s Wohnung im baden-württembergischen Reutlingen durchsucht. Er soll sich darauf vorbereitet und Waffen in der Wohnung postiert haben. Mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr soll er gezielt auf Polizisten geschossen haben. Zwei Beamte wurden verletzt.

Mehrere Verteidiger stellten den Antrag, das Verfahren in Stuttgart einzustellen oder auszusetzen. Sie wollten, dass es mit den beiden anderen geplanten Großverfahren in München und Frankfurt am Main verbunden wird. Das Gericht stellte eine Entscheidung darüber erst einmal zurück und lehnte es ab, die Hauptverhandlung auszusetzen.

Zwei der Angeklagten kündigten an, sich äußern zu wollen. Dazu kam es am Montag aber noch nicht. Zunächst will sich das Gericht vor allem mit den Vorwürfen gegen L. befassen, es setzte vorläufig Verhandlungstage bis Anfang Januar 2025 an.

Der Prozess in Frankfurt, in dem Reuß selbst sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann vor Gericht stehen, beginnt am 21. Mai, der Münchner Prozess am 18. Juni. Insgesamt sind 26 Menschen angeklagt. Die drei Mammutprozesse stellen aber nicht das Ende der Ermittlungen dar: Nach Angaben der Bundesanwaltschaft unterschrieben mindestens 136 Menschen die Verschwiegenheitserklärung der Gruppe.

smb/cfm