EU-Richtlinie - Muss Sklaven-Haltung ausschließen: Firmenchef packt über EU-Bürokratie-Wahnsinn aus

Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hält ihre Rede im Europäischen Parlament.<span class="copyright">Jean-Francois Badias/AP/dpa</span>
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hält ihre Rede im Europäischen Parlament.Jean-Francois Badias/AP/dpa

Immer wieder kündigt die Politik in Bund und EU an, die Bürokratie reduzieren zu wollen. Welche Auswirkungen bestimmte Regelungen haben, zeigt sich anhand der Schilderungen von Firmenchefs.

Infolge des „Green Deals“ haben die EU und Kommissionschefin Ursula von der Leyen neue Richtlinien zum Thema Nachhaltigkeit für Firmen eingeführt. Darunter fällt auch das „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“, unter dem auch Unternehmen in Deutschland seit dem 1. Januar 2024 gezwungen werden, detaillierte Berichte über ihre ökologische und soziale Verantwortung zur Verfügung zu stellen.

"Unser Ziel ist, unsere Wirtschaft mit unserem Planeten zu versöhnen und dafür zu sorgen, dass es für unsere Menschen funktioniert,” erklärte von der Leyen damals.

Für den Unternehmer Manfred Schultheis scheint das allerdings nicht zu funktionieren. Laut „Spiegel“ ist er nur einer von vielen, die unter den Auflagen leiden: „Was wir da alles beantworten sollen, ist unglaublich“, sagt er.

Sogar Fragen nach Sklavenarbeit: Belastung für Unternehmen

In den Fragebögen, die auf seinem Schreibtisch landen, geht es nicht mehr nur um Preise und Spezifikationen seiner Maschinen, sondern auch um Ressourcenverbrauch, CO2-Ausstoß und Menschenrechte in seinem Unternehmen. Die Berichte sollen Banken und Fondsgesellschaften helfen, das Geld ihrer Anleger in nachhaltige Investments zu lenken.

Was in der Theorie sinnvoll klingt, droht in der Praxis zum “bürokratischen Albtraum” zu werden, so der „Spiegel“.

Unternehmer Schultheis erklärt, dass zwei seiner 190 Mitarbeiter derzeit ausschließlich mit dem Ausfüllen der Nachhaltigkeitsfragebögen beschäftigt seien. Noch beläuft sich der Aufwand auf rund 20 Stunden im Monat, doch wenn seine rund 200 Großkunden in den nächsten Jahren berichtspflichtig werden, könnte sich das schnell ändern: Dann könnten sich die Kosten für den Auskunftsdienst auf bis zu 50.000 Euro pro Jahr belaufen, rechnet der Unternehmer vor.

Fragen wie die nach Sklaverei oder Kinderarbeit in Schultheis' Unternehmen kann er noch leicht beantworten. Doch andere stellen eine größere Herausforderung dar: Kürzlich wollte ein Kunde wissen, ob seine Ziele zur Reduktion von Treibhausgasen von der Science Based Targets Initiative zertifiziert sind. Wenn nicht, wurde nach einem Zertifikat des „SME Climate Hub“ oder der Initiative „Race to Zero“ gefragt.

Hohe Kosten für die Wirtschaft

Nach Schätzungen des Bundesjustizministeriums wird die Umsetzung der Neuregelung die Wirtschaft mit einmaligen Kosten von 750 Millionen Euro und jährlichen Kosten von 1,4 Milliarden Euro belasten.

Und das ist nicht alles: Da die Unternehmen zunächst jeweils bis zu sieben Fachkräfte für die Erstellung der Berichte benötigen, prognostiziert der Verband der Chemischen Industrie (VCI) Kosten von mehr als sieben Milliarden Euro für alle berichtspflichtigen Unternehmen.

Auch Jörg Rocholl, Chef des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, spricht gegenüber dem „Spiegel“ von einem „großes Durcheinander“ in der Wirtschaft. Die neuen Entwicklungen würden einen erheblichen Datenaufwand erfordern. Rocholl schlägt vor, die Berichterstattung stark zu vereinfachen und auf wenige zentrale Punkte zu reduzieren.

Ein weiteres Problem sei, dass die neuen Anforderungen oft schwer umsetzbar sind, was zu Schwierigkeiten auf beiden Seiten führe. Ein Hersteller von Magnetfolien und ein Mineralölhändler beschweren sich ebenfalls im „Spiegel“, da sie riskieren, Großaufträge an Unternehmen zu verlieren oder wichtige Kredite nicht mehr bekommen.

Vereinfachung  der Berichterstattung von Unternehmern gewünscht

Auch der Finanzsektor, der eigentlich von den neuen Richtlinien profitieren sollte, leidet unter den neuen Vorlagen. Der Finanzexperte Andrew Murphy berichtet gegenüber dem „Spiegel“, dass die Nachhaltigkeitskriterien viele Investoren abschrecken und Investitionsprojekte blockierten, da oft nicht alle geforderten Daten verfügbar seien.

Die Absicht, Investitionen in nachhaltige Projekte zu lenken, mag lobenswert sein, aber die damit verbundenen Kosten und der administrative Aufwand scheinen diesen Ansatz erheblich zu erschweren. Die derzeitigen Anforderungen scheinen nicht anzuerkennen, dass grüne und fossile Prozesse während des Übergangs nebeneinander existieren werden.