Friedrich von Thun: "Ich glaube nicht an Wiedergeburt und hätte auch kein Interesse daran"

Gute Musik, ein schönes Bier: Freuen kann man sich über vieles im Leben. Friedrich von Thun weiß, wie man es macht. Der 81-jährige Schauspieler ist in zwei neuen Filmen der ARD-Reihe "Zimmer mit Stall" zu sehen - die sich auf leichte Art mit den wichtigen Fragen des Lebens auseinandersetzen. (Bild: ARD Degeto / Marc Reimann)
Gute Musik, ein schönes Bier: Freuen kann man sich über vieles im Leben. Friedrich von Thun weiß, wie man es macht. Der 81-jährige Schauspieler ist in zwei neuen Filmen der ARD-Reihe "Zimmer mit Stall" zu sehen - die sich auf leichte Art mit den wichtigen Fragen des Lebens auseinandersetzen. (Bild: ARD Degeto / Marc Reimann)

In "Zimmer mit Stall: Das Blaue vom Himmel" spielt Friedrich von Thun mal wieder den eigenwilligen Untermieter einer bayerischen Pensionswirtin. Die Heimatkomödie erzählt von Glauben, Wundern und Wiedergeburt. Kann der 81-jährige Schauspiel-Grandseigneur damit etwas anfangen?

Seit 2018 verkörpert Friedrich von Thun den störrischen Scheunenbewohner Barthel aus der beliebten ARD-Filmreihe "Zimmer mit Stall". Die Folge "Das Blaue vom Himmel" (Freitag, 17. November, 20.15 Uhr) ist sein bereits zehnter Auftritt als grantiger Heuphilosoph. Eine Woche später (Freitag, 24. November, 20.15 Uhr) folgt mit "Kuhhandel" Film Nummer elf. In den neuen Folgen muss sich der 81-jährige Schauspieler nicht nur mit einer neuen Spielpartnerin anfreunden - Elena Uhlig übernimmt die Rolle der Pensionswirtin von Aglaia Szyszkowitz - er beschäftigt sich in "Das Blaue vom Himmel" auch mit den wichtigsten Fragen überhaupt: Warum leben wir? Was kommt danach? Und wie füllen wir die Zeit dazwischen mit dem, was wir Glück nennen? Friedrich von Thun hat auf all diese Fragen für sich eine Antwort gefunden.

teleschau: Herr von Thun, was ist für Sie ein Wunder?

Friedrich von Thun: Das sind Dinge oder Ereignisse, die eine Gemeinschaft dazu bewegen, an etwas zu glauben, dass völlig irreal ist. Es ist überhaupt interessant zu sehen, wie beeinflussbar Menschen sind und wie leicht das Rationale in uns auszuschalten ist ...

teleschau: Das klingt nicht so, als würden Sie an die religiöse Definition des Wunders glauben. Hat der Begriff überhaupt eine emotionale Bedeutung für Sie?

von Thun: Ja, durchaus. Wir waren als Kinder nach dem Krieg von den Tschechen eingesperrt - und wir hatten sehr wenig zu essen. Ich war noch sehr klein, habe aber noch Erinnerungen an die Baracken, in denen wir gewohnt haben. Meine Mutter hat immer erzählt, dass wir geschrien und geweint haben vor Hunger. Und sie glaubt, dass wir ein Wunder erlebt haben, weil eines Tages jemand einen Laib Brot auf ihr Bett gelegt hat. In ihrer Erinnerung ist das ein Wunder gewesen, was ich respektiere: In einem Moment, als alles aussichtslos erschien, hat ihr und vier kleinen Kindern jemand unerkannt Brot gebracht.

Stallbewohner Barthl (Friedrich von Thun) und Pensionswirtin Sophie (neu in der zuvor von Aglaia Szyszkowitz verkörperten Rolle: Elena Uhlig) müssen sich in einer neuen Folge "Zimmer mit Stall"-Reihe mit einer Wundererscheinung, dem daraus folgenden Tourismus-Boom und einer möglichen schweren Krankheit auseinandersetzen.  (Bild:  ARD Degeto/Marc Reiman)

"Als Raupe wiedergeboren und dann von einer Ziege gefressen"

teleschau: Wie ist Ihr Verhältnis zur Religion?

von Thun: Ich bin im Katholizismus aufgewachsen und von dieser Kultur geprägt. Trotzdem bin ich kein Kirchgänger. Für mich ist die Kirche ein Ort, an dem ich meditiere und zur Ruhe kommen kann. Das mache ich gern. Vor allem, wenn ich in anderen Städten und Ländern bin, suche ich Kirchen und Tempel auf. Man spürt die besondere Aura von Orten, an denen Menschen zusammengekommen sind, Trost gesucht und vielleicht gefunden haben.

teleschau: Sie selbst suchen nicht nach einem höheren Sinn oder Wesen?

von Thun: Nein, das tue ich nicht. Aber ich respektiere es, wenn das andere Menschen tun. Ich war auf einer Klosterschule, habe den Dalai Lama getroffen und war in einigen der wichtigsten Tempelanlagen der Welt. Aber mein Interesse war immer ein kulturhistorisches, nie so sehr die Sinnsuche. Ich finde Sinn in schönen Dingen, die der Mensch geschaffen hat: in der Musik und Kunst beispielsweise.

teleschau: In "Das Blaue vom Himmel" werden verschiedene religiöse Ideen komödiantisch betrachtet. Eine davon ist die Wiedergeburt. Hätten Sie Lust, auf dieser Welt noch mal von vorne anzufangen?

von Thun: Ich glaube nicht an Wiedergeburt und hätte auch kein Interesse daran. Dass ich als Raupe wiedergeboren und dann von einer Ziege gefressen werde, erscheint mir doch reichlich absurd. Vielleicht bin ich für derlei Ideen am Ende dann doch zu katholisch (lacht) ...

teleschau: Die Idee ist Ihnen suspekt ...

von Thun: Das hat nichts mit "suspekt" zu tun, ich bin einfach Agnostiker. Ich habe nichts gegen Religion oder bin auch nicht sicher, dass es keinen Gott gibt. Ich halte seine Existenz nur nicht für besonders wahrscheinlich. Der Dalai Lama kann sich, glaube ich, an sieben vorherige Leben erinnern. Das finde ich erstaunlich. Ich kann mich an keines von meinen erinnern. Aber wenn es so kommen sollte, dass ich als etwas anderes wiederkomme, dann werde ich diese Vorstellung wohl akzeptieren müssen.

Friedrich von Thun (links) hat zwei erwachsene Kinder. Sein Sohn Max von Thun ist ebenfalls ein bekannter Schauspieler. Hier sieht man die beiden beim Bayerischen Filmpreis 2023 in Friedrich von Thuns Heimatstadt München. (Bild: 2023 Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Friedrich von Thun (links) hat zwei erwachsene Kinder. Sein Sohn Max von Thun ist ebenfalls ein bekannter Schauspieler. Hier sieht man die beiden beim Bayerischen Filmpreis 2023 in Friedrich von Thuns Heimatstadt München. (Bild: 2023 Getty Images/Hannes Magerstaedt)

"Man kann im Unglück versinken oder darüber lachen"

teleschau: Als welches Wesen würden Sie gerne wiederkommen?

von Thun: Schon als Mensch! Auch wenn ich sagen muss, dass wir gegenwärtig nicht besonders viel Werbung für uns als Spezies machen. Ich bin schon sehr tierlieb und mag vor allem Hunde gern. Trotzdem will ich keiner sein (lacht).

teleschau: Sie bezeichnen sich in Interviews immer wieder als Optimisten. Kann Ihr Optimismus durch nichts erschüttert werden?

von Thun: Natürlich kann auch ich traurig sein und auch düstere Gedanken haben. Trotzdem kehre ich immer wieder zum Optimismus zurück. Aber das ist nichts, was man sich erarbeitet. Es gibt das berühmte Beispiel vom halb vollen oder halb leeren Glas, das ja bekanntlich das exakt gleiche Bild abgibt. Ich denke, wie man in jenem Fall urteilt, das ist angeboren. Ich tendiere dazu, auch in schrecklichen Momenten oder bei der Beurteilung von Ereignissen in der Retrospektive die positiven Aspekte hervorzuheben. Wenn ich einen Unfall habe, freue ich mich darüber, dass jemand schnell da war, um mir zu helfen.

teleschau: Sie können Pessimisten also keine Tipps geben, wie man besser durchs Leben kommt?

von Thun: Nein, Pessimisten werden sicher weiter ihre Gründe finden, warum alles schrecklich ist. Man kann im Unglück versinken oder darüber lachen. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde dennoch, dass sich die Welt ist einem sehr traurigen Zustand befindet. Gerade jetzt! Wenn ich bedenke, durch wie viele friedliche Länder ich in meinem Leben gereist bin, in denen jetzt Krieg und Unglück herrschen, deprimiert mich das zutiefst. Ich war in Syrien, Afghanistan oder in Timbuktu, Mali. An all diese wunderschönen Orte könnte ich heute nicht mehr fahren, da würde ich erschossen. Israel und Palästina, eine große Tragödie! Wenn man die Orte selbst kennt, ist das alles gar nicht zu fassen.

Auf diesem Bild zeigt sich Friedrich von Thun mit seiner Tochter Gioia von Thun während des Filmfestes München 2017. (Bild: 2017 Getty Images/Hannes Magerstaedt)
Auf diesem Bild zeigt sich Friedrich von Thun mit seiner Tochter Gioia von Thun während des Filmfestes München 2017. (Bild: 2017 Getty Images/Hannes Magerstaedt)

"Ich träume nicht davon, ein Whirlpool auf dem Balkon zu haben"

teleschau: Sie sind 81 Jahre alt. Viele Glücksforscher behaupten, gerade ältere Menschen, die noch gesund sind, fühlen sich besonders zufrieden. Sind Sie heute glücklicher als mit 30 oder 40 Jahren?

von Thun: Ich kann mit dieser Theorie wenig anfangen. Man erlebt in jedem Alter Glücksmomente und natürlich auch Niederschläge. Aber ich kann nicht sagen, dass ich in der Summe heute glücklicher oder unglücklicher wäre denn als junger oder mittelalter Mann. Wie gesagt, in meiner Erinnerung überwiegen die positiven Erlebnisse. Aber es ist nichts Ungewöhnliches, dass man sich an das Schöne besser erinnert. Was ich aber sagen kann, ist, dass sich die Glücksgefühle mit dem Älterwerden verändern. Ich freue mich heute viel mehr über die Natur als früher. Ich habe so einen Glasvogel geschenkt bekommen. Wenn da das Licht hineinscheint, beginnt der wie zu leben. Das Spiel des Lichts bereitet mir große Freude, das wäre mir vor 30 oder 40 Jahren wahrscheinlich nicht passiert (lacht) ...

teleschau: Sind Sie vielleicht ein besserer Beobachter geworden?

von Thun: Auf jeden Fall bin ich geduldiger geworden, was ebenfalls zum Glück beiträgt. Wenn ich draußen sitze und sehe, wie sich Raben um ein Stück Brot streiten und sich gegenseitig auszutricksen versuchen, kann ich mich daran freuen. Es gibt so viele Arten des Glücks und manche von ihnen erkennt man erst, wenn man ein bisschen älter ist. Vielleicht ist es das, was die Forscher meinen, wenn sie sagen, ältere Menschen sind oft zufriedener oder glücklicher.

teleschau: Können Sie sich über materielle Dinge oder Luxus freuen?

von Thun: Da ist die Frage: Was ist Luxus? Ich brauche kein Auto mit 1.000 PS oder sonstige Statussymbole. Andererseits möchte ich aber auch nicht wie meine Filmfigur im Stall wohnen. Luxus ist für mich auch ein gutes Essen oder ein guter Wein. Oder die Tatsache, dass ich gerade mein Fahrrad repariert habe und es jetzt wieder wunderbar funktioniert. Es sind die kleinen, angenehmen Dinge, die mich erfreuen. Ich träume nicht davon, ein Whirlpool auf dem Balkon zu haben. Das brauche ich nicht.

Friedrich von Thun spielt in "Zimmer mit Stall: Kuhhandel", dem elften Film der ARD-Reihe, den störrischen Heuboden-Bewohner Barthel. (Bild: ARD Degeto / Marc Reimann)
Friedrich von Thun spielt in "Zimmer mit Stall: Kuhhandel", dem elften Film der ARD-Reihe, den störrischen Heuboden-Bewohner Barthel. (Bild: ARD Degeto / Marc Reimann)

"So, wie ich lebe, ist es großartig"

teleschau: Was brauchen Sie definitiv, um sich zufrieden zu fühlen?

von Thun: Einiges habe ich schon genannt. Was noch fehlt: gute Bücher und Konzerte. Ich habe gerade Axel Hackes Buch "Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten ..." gelesen. Ein tolles Buch! Und ich bin gerne zu Hause. Auch das ist Luxus, wenn man sagen kann: So, wie ich lebe, ist es großartig. Besser kann ich gar nicht leben. Oft heißt Luxus ja, dass man immer mehr will. Dass einem, kaum hat man etwas, auffällt, dass eben noch etwas fehlt. Ich wüsste gar nicht, was mir fehlen könnte. Deshalb bin ich ein sehr zufriedener Mensch.

teleschau: Gehört zur Zufriedenheit auch, dass Sie noch lange spielen wollen?

von Thun: Ich liebe diesen Beruf und solange ich Aufgaben bekomme, die ich vertreten kann, mache ich gern weiter - solange es geht. Schauspiel ist Teamarbeit. Man diskutiert mit anderen Menschen über das Menschsein und seine Facetten. Das macht mir Spaß, genauso wie das Zusammensein mit Menschen und dieser künstlerische Beruf. Nur, wenn mir der Text einmal nicht mehr einfällt, dann ist es höchste Zeit aufhören. Aber das ist noch nicht der Fall (lacht) ...

Einer Wiesenrieder Dorfbewohnerin ist die Jungfrau Maria erschienen - ausgerechnet in der winzigen Kapelle des Fuchsbichlerhofes. Für Pensionswirtin Sophie (Elena Uhlig) ein überaus geschäftsfördernder Vorfall, der jedoch Stallbewohner Barthl (Friedrich von Thun) ziemlich nervt. Da hilft nur meditieren! (Bild:  ARD Degeto/Marc Reiman)
Einer Wiesenrieder Dorfbewohnerin ist die Jungfrau Maria erschienen - ausgerechnet in der winzigen Kapelle des Fuchsbichlerhofes. Für Pensionswirtin Sophie (Elena Uhlig) ein überaus geschäftsfördernder Vorfall, der jedoch Stallbewohner Barthl (Friedrich von Thun) ziemlich nervt. Da hilft nur meditieren! (Bild: ARD Degeto/Marc Reiman)