Es gibt kein Mammographie-Verbot in der Schweiz

Die Empfehlungen zur Brustkrebsvorsorge unterscheiden sich weltweit je nach Gesundheitssystem. In vielen Ländern gilt die Mammographie als zuverlässige Methode der Früherkennung. In sozialen Medien zirkuliert die Behauptung, die Schweiz habe dieses Verfahren nun verboten und weitere Länder würden es derzeit aussetzen. Das ist jedoch falsch, wie Schweizer Behörden bestätigen: Die Mammographie gilt dort nach wie vor als wichtigste Methode der Brustkrebsvorsorge.

"Die Schweiz ist das erste Land der Welt, das die Mammographie verbietet", heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 23. Mai 2024. Auch in Teilen Kanadas, Italiens, Schottlands und Australiens sei die Untersuchung laut des Posts ausgesetzt. Unter einer Mammographie versteht man eine Röntgenuntersuchung der weiblichen Brust, um Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen. Viele weitere Facebook-Posts, tausendfach geteilte Beiträge auf X und über 19.000 mal angezeigte Posts auf Telegram stellen die gleichen Behauptungen auf (etwa hier und hier).

Ähnliche Beiträge in unterschiedlichen Sprachen zirkulieren ebenfalls in sozialen Medien, darunter auf Englisch, Französisch und Griechisch. Bereits seit 2014 teilen Nutzerinnen und Nutzer wiederholt Beiträge vergleichbaren Inhalts.

<span>Screenshots der Behauptung: 06. Juni 2024</span>
Screenshots der Behauptung: 06. Juni 2024

Mammographie ist in der Schweiz nicht verboten

Doch die Behauptung ist falsch. In einer erweiterten Websuche konnte AFP keine offizielle Ankündigung der Schweizer Regierung zu einem Mammographie-Verbot finden. Am 14. Mai 2024 schrieb das Schweizer Gesundheitsministerium gegenüber AFP: "Die Schweiz hat die Mammographie nicht verboten." Die Screening-Programme werden demnach von den 26 Kantonen des Landes direkt verwaltet.

"Diese Gerüchte sind völlig unwahr", bestätigte auch die Schweizer Krebsliga am 14. Mai gegenüber AFP. Die Liga empfiehlt und unterstützt Röntgenverfahren der Brust zur Krebsfrüherkennung und ist überzeugt, "dass derzeit die Vorteile der Mammographie gegenüber den Nachteilen überwiegen".

"In der Schweiz ist die Mammographie aktuell die wichtigste Methode zur Früherkennung von Brustkrebs", so der Sprecher der Liga. "Sie wird in allen Kantonen der Schweiz durchgeführt. Im Rahmen des organisierten Screening-Programms werden Frauen ab 50 Jahren systematisch alle zwei Jahre zur Mammographie eingeladen. In den Kantonen, in denen es kein solches Programm gibt, wird die Mammographie nach Absprache mit dem Arzt durchgeführt."

In Kantonen mit offiziellen Screening-Programmen werden Mammographien von der Schweizer Krankenversicherung erstattet. Wenn es kein solches Programm gibt, werden die Kosten zwar nicht direkt von der Grundversicherung übernommen, können jedoch von einer Zusatzversicherung finanziert werden, heißt es auf der Website der Krebsliga (hier archiviert).

Laut einer Schweizer Webseite zur Krebsfrüherkennung boten 18 der 26 Kantone im Jahr 2023 Screening-Programme an oder planten diese.

<span>Screenshot der Webseite Swisscancerscreening.ch: 5. Juni 2024</span>
Screenshot der Webseite Swisscancerscreening.ch: 5. Juni 2024

Kein Aussetzen der Vorsorgeuntersuchung in Australien, Italien, Schottland und Kanada

In den irreführenden Beiträgen wird zudem behauptet, in Teilen Kanadas, Italiens, Schottlands und Australiens würden Mammographieuntersuchungen derzeit ausgesetzt. Auch das ist falsch.

Auf der Website des australischen Gesundheitsministeriums (hier archiviert) heißt es: "Frauen über 40 können alle zwei Jahre eine kostenlose Mammographie durchführen lassen. Frauen im Alter von 50 bis 74 Jahren laden wir aktiv zur Vorsorgeuntersuchung ein."

Auch das italienische Gesundheitsministerium (hier archiviert) bietet Informationen zur Krebsvorsorge: "Das Screening zur Früherkennung von Brustkrebs richtet sich an Frauen zwischen 50 und 69 Jahren und wird alle zwei Jahre mit einer Mammographie durchgeführt. In einigen Regionen wird die Untersuchung sogar in einem größeren Altersspektrum von 45 und 74 Jahren getestet."

Die schottische Gesundheitsagentur NHS schreibt auf ihrer Webseite (hier archiviert), die Vorsorgeuntersuchung mittels Mammographie sei "der beste Weg, um Brustkrebs frühzeitig zu erkennen". Weiter heißt es: "Frauen und Transgender- oder nicht-binäre Menschen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren (bis zu ihrem 71. Geburtstag) werden alle drei Jahre zur Brustuntersuchung eingeladen."

Die Website der kanadischen Krebsgesellschaft (hier archiviert) verlinkt zu beinahe allen Regionen Kanadas und den dortigen Brustkrebs-Früherkennungsprogrammen. Einzige Ausnahme ist Nunavut. Doch auch die Gesundheitsbehörde von Nunavut (hier archiviert) teilte AFP auf Nachfrage mit, dass in Nunavut Mammographien basierend auf den Vorschriften und Empfehlungen des Krankenhauses Ottawa durchgeführt werden (hier archiviert).

Brustkrebsvorsorge in Deutschland und Österreich

In Deutschland wird die Brustkrebsvorsorge allen Frauen empfohlen, schreibt das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Website (hier archiviert). Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren werden alle zwei Jahre schriftlich zu einer Mammographie-Untersuchung eingeladen. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen.

Ab dem 1. Juli 2024 wird diese Altersspanne bis 75 erweitert, heißt es auf einer zentralen Übersichtsseite zur Terminvereinbarung (hier archiviert). Demnach führen alle deutschen Bundesländer Mammographie-Screening-Programme auf Basis europäischer Leitlinien durch. "Brustkrebs ist die häufigste Krebsart in den Ländern der Europäischen Union und die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen", heißt es darin.

In Österreich steht das Brustkrebs-Früherkennungsprogramm (hier archiviert) des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz mit einer alle zwei Jahre freiwillig durchzuführenden Mammographie allen Frauen von 45 bis 74 kostenlos zur Verfügung.

Forschende haben kürzlich einen Anstieg der Brustkrebsraten bei jüngeren Menschen festgestellt (hier und hier archiviert). Die Europäische Kommission empfahl im Jahr 2022, das früheste Alter für Brustkrebs-Screening-Programme auf 45 Jahre zu senken, um eine größere Anzahl an Fällen zu erkennen (hier archiviert).

<span>Ärztin vergleicht Röntgenbilder einer Mammographie-Untersuchung</span><div><span>ANNE-CHRISTINE POUJOULAT</span><span>AFP</span></div>
Ärztin vergleicht Röntgenbilder einer Mammographie-Untersuchung
ANNE-CHRISTINE POUJOULATAFP

"Falsch positive" Ergebnisse

In den geteilten irreführenden Social-Media-Beiträgen wird außerdem vor vermeintlichen Gefahren der Mammographie gewarnt. So heißt es in vielen Beiträgen: "50-60 % der 'positiven' Ergebnisse sind falsch!!" Tatsächlich nennt eine Studie der Universität von California-Davis aus dem März 2022 ähnliche Zahlen bei der Analyse positiver Screenings.

Die Bezeichnung "falsch positiv" sei jedoch irreführend, sagte die Radiologin Paula Gordon von der kanadischen Universität von British Columbia am 5. November 2023 gegenüber AFP. Dabei handele es sich nicht um Fehldiagnosen, sondern um "falschen Alarm".

Auch die kanadische Allgemeinmedizinerin und Onkologin am Krebszentrum des Krankenhauses von Ottawa, Anna Wilkinson, bestätigt AFP am 22. Mai 2024, dass "positive Mammographieegebnisse" keine Brustkrebsdiagnosen seien. Statt von "falsch positiven Ergebnissen" spräche man von "Bildgebungsrückruf". Wilkinson erklärt den Prozess folgendermaßen: "Wir sagen nach einem solchen Ergebnis keiner Frau, dass sie Krebs hat." Erst, wenn eine wiederholte Mammographie oder eine Ultraschalluntersuchung weitere positive Ergebnisse liefere, wird eine Biopsie empfohlen, um eine tatsächliche Krebsdiagnose stellen zu können.

Geringe Gefahr durch Röntgenstrahlungen und Kompression

In den geteilten irreführenden Posts heißt es weiterhin, dass die Kompression der Brust und die Strahlung während der Untersuchung angeblich zu Tumorwachstum führe.

Bei einer Mammographie wird die Brust zwischen zwei Platten zusammengedrückt und dabei geröntgt. Die Radiologin Paula Gordon erklärte AFP hierzu, dass dieser Druck zwar unangenehm sein könne, aber für gute Bildgebung nötig sei: "Die Kompression ist bei einer Mammographie notwendig, um das Gewebe zu dehnen und Krebs zu erkennen. Außerdem wird die Brust dabei verflacht, wodurch weniger Röntgenstrahlung benötigt wird", sagte sie.

Die bei der Mammographie auftretende Strahlenbelastung gehört laut Gordon zu den niedrigsten aller medizinischen Röntgenverfahren. "Die Strahlenbelastung ist in den letzten Jahrzehnten gesunken und liegt weit unter dem von Strahlenschutzorganisationen festgelegten 'akzeptablen' Wert."

Das Bundesamt für Strahlenschutz Deutschland schreibt, dass Untersuchungen mit Röntgenstrahlung zwar immer mit einem gewissen gesundheitlichen Risiko einhergehen, aber dass die "Teilnahme an Mammographie-Screening-Programmen mit mehr Nutzen als Risiken verbunden ist". Die Früherkennung sei bei Brustkrebserkrankungen essentiell, um einen tödlichen Ausgang zu verhindern. "Jede vierte Frau, die normalerweise an Brustkrebs versterben würde, könnte dank Screening gerettet werden", heißt es dort weiter mit Bezug zu internationalen Studien.

Fazit: In sozialen Medien kursiert die Behauptung, die Schweiz habe als erstes Land der Welt Mammographien verboten, während andere Länder die Untersuchung derzeit aussetzen. Das ist falsch, wie Schweizer Behörden bestätigen. Vermeintliche Gefahren der Brustkrebsfrüherkennung, vor denen in den Beiträgen außerdem gewarnt wird, sind laut mehreren medizinischen Expertinnen und Experten irreführend. Die Mammographie gilt nach wie vor als wichtige Methode der Brustkrebsvorsorge.