Goldene Palme von Cannes für US-Regisseur Baker und Jury-Preis für Iraner Rasoulof

US-Regisseur Sean Baker hat am Samstag für seinen Film "Anora" die Goldene Palme beim Filmfestival von Cannes erhalten. Baker widmete den Preis "allen Sex-Arbeiterinnen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". (Valery HACHE)
US-Regisseur Sean Baker hat am Samstag für seinen Film "Anora" die Goldene Palme beim Filmfestival von Cannes erhalten. Baker widmete den Preis "allen Sex-Arbeiterinnen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". (Valery HACHE)

Zum Abschluss des Filmfestivals in Cannes hat der US-Regisseur Sean Baker für seinen Film "Anora" über die Beziehung einer Prostituierten zu einem russischen Oligarchensohn die Goldene Palme bekommen. Baker widmete den Preis am Samstagabend "allen Sex-Arbeiterinnen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". Die Spanierin Karla Sofía Gascón wurde als erste Transsexuelle als beste Darstellerin ausgezeichnet. Auch der aus dem Iran geflohene Filmemacher Mohammad Rasoulof bekam einen Preis.

"Anora" erzählt die Geschichte einer Prostituierten in New York, die sich mit einem russischen Oligarchensohn einlässt. Kritiker bezeichneten den Film mit Schauspielerin Mikey Madison in der Hauptrolle als eine moderne Version von "Pretty Woman". Die Jury-Vorsitzende, US-Regisseurin Greta Gerwig, sprach von einem "großartigen Film voller Menschlichkeit", der "uns mitgerissen hat".

Vor seiner Auszeichnung in Cannes hatte Baker in einem Gespräch mit AFP gesagt, er halte es für eine schlechte Idee, wenn Regierungen versuchten, Prostitution einzuschränken. Bei der Preisverleihung sagte der 53-Jährige, er wolle sich dafür einsetzen, dass Filme weiter auf die große Kinoleinwand kommen. "Ein Film auf dem Mobiltelefon oder zu Hause zu sehen, das ist nicht dasselbe", sagte Baker.

Der zuvor als Favorit gehandelte iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof wurde mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet. Rasoulof war kurz vor Beginn des Festivals die gefährliche Flucht auf dem Landweg aus seiner Heimat gelungen. Er war dort nach Kritik an der iranischen Führung zu acht Jahren Haft sowie Peitschenhieben verurteilt worden.

Der 51-Jährige, der 2020 den Goldenen Bären in Berlin erhalten hatte, präsentierte in Cannes seinen heimlich gedrehten Film "Der Samen der heiligen Feige". Dieser erzählt die Geschichte eines iranischen Richters, der sich als Handlanger der Regierung fühlt und zunehmend unter Gewissenskonflikten leidet.

Es ist ein zweischneidiger Erfolg für Rasoulof, denn er markiert zugleich den Beginn eines dauerhaften Lebens im Exil. "Ich habe im Moment keine Pläne, in den Iran zurückzugehen", hatte Rasoulof in Cannes in einem AFP-Gespräch gesagt.

Der Preis für die beste Schauspielerin ging in an die Darstellerinnen der originellen Musikkomödie "Emilia Perez" des französischen Filmemachers Jacques Audiard. Zu ihnen zählen Selena Gomez und die 52-jährige transsexuelle Schauspielerin Gascón, die die Hauptrolle spielte. Der Film über einen mexikanischen Drogenboss, der sich zu einer Geschlechtsumwandlung entscheidet, wurde zudem mit dem Preis der Jury ausgezeichnet. Den Preis als bester Darsteller bekam der US-Schauspieler Jesse Plemons.

Eine Ehrenpalme für sein Lebenswerk erhielt während der Abschlussgala "Star Wars"-Erfinder George Lucas. Zu Tränen gerührt nahm der 80-jährige den Preis von seinem Kollegen und langjährigen Freund Ford Francis Coppola entgegen. Coppola hatte selber seinen Monumentalfilm "Megalopolis" im Wettbewerb, der bei Kritikern aber weitgehend durchgefallen war.

Das zwölf Tage dauernde Festival an der Côte d'Azur hatte anfangs im Zeichen von Metoo gestanden. Die Schauspielerin Judith Godrèche hatte für einen in Cannes gezeigten Kurzfilm tausend Menschen versammelt, die sich als Opfer sexueller Gewalt sehen. Im Lauf des Festivals wurden jedoch keine neuen mutmaßlichen Skandale mit Prominenten aus der Filmwelt bekannt.

Lediglich vier der 22 Filme im Wettbewerb wurden von Frauen gemacht: Zwei von ihnen bekamen Auszeichnungen. Die Französin Coralie Fargeat wurde für ihren Horrorfilm "The Substance" mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Die indische Regisseurin Payal Kapadia erhielt den Großen Preis der Jury für "All we imagine as light".

Deutsche Filme waren in diesem Jahr nicht in Cannes vertreten. Der Film von Rasoulof war jedoch eine iranisch-französisch-deutsche Koproduktion. Einen Starttermin in Deutschland gibt es noch nicht.

Deutsche Schauspieler waren in mehreren Wettbewerbsfilmen zu sehen, etwa Diane Kruger in David Cronenbergs Film "The Shrouds" (Das Leichentuch) und Franz Rogowski in dem Film "Bird" der britischen Filmemacherin Andrea Arnold. Ansonsten flanierten in diesem Jahr besonders viele Hollywood-Altstars wie Richard Gere, Demi Moore und Kevin Costner in Cannes über den roten Teppich.

yb/ju