Großbritannien hat gewählt - Labour löst nach 14 Jahren Tories ab - Grüne sorgen für Überraschung

05.07.2024, Großbritannien, London: Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer, und seine Frau Victoria, bei einer Wahlparty für die Parlamentswahlen 2024 in der Tate Modern in London. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++<span class="copyright">dpa</span>
05.07.2024, Großbritannien, London: Der Vorsitzende der Labour-Partei, Keir Starmer, und seine Frau Victoria, bei einer Wahlparty für die Parlamentswahlen 2024 in der Tate Modern in London. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++dpa

Der fulminante Sieg von Labour markiert einen Wendepunkt in der britischen Politik. Die Partei unter der Führung von Keir Starmer holt eine überwältigende Mehrheit im Unterhaus und beendet damit eine 14-jährige Ära konservativer Tory-Regierungen.

In seiner Siegesrede vor jubelnden Anhängern in der Tate Modern in London rief der zukünftige Premierminister am Freitagmorgen: „Jetzt beginnt die Veränderung unseres Landes“, berichtet der österreichische „Standard“. Starmer, der sich auch in seiner Wahlkampagne vorsichtig zeigte, dämpfte die hohen Erwartungen jedoch: „Leicht wird das nicht sein, auch nicht von heute auf morgen passieren. Aber wir wollen allen hart arbeitenden Menschen in unserem Land die Hoffnung zurückgeben.“

Mark Garnett, Polit-Analyst an der Lancaster Universität, glaubt, dass Starmer zunächst Stabilität anstreben wird, meldet „20 Minuten“ aus der Schweiz. „Über die letzten Jahre zeigte die Tory-Partei, dass sie nicht in der Lage ist, dieses Land zu regieren. Starmer wolle mit Labour kompetenter auftreten“, sagte Garnett.

Rishi Sunak entschuldigt sich

Am Wahlabend blieb der amtierende Premierminister Rishi Sunak zunächst unsichtbar. Erst gegen 4 Uhr morgens trat er vor die Öffentlichkeit und bestätigte den Sieg der Labour-Partei. Sunak übernahm die Verantwortung für die Niederlage: „Ich habe Keir Starmer gratuliert. Die Nacht war schwierig, schließlich haben viele gute Konservative ihre Mandate verloren. Das tut mir leid.“

Die Torys erlitten ihre schlimmste Niederlage seit dem liberalen Erdrutschsieg von 1906. Grund dafür sind, laut „20 Minuten“, Misswirtschaft, dauernde Skandale und ein endloser Streit um die härteste Rhetorik gegen Asylbewerber und Ausländer. Einen zusätzlichen Beitrag leistete die Reform-Bewegung des Nationalpopulisten Nigel Farage, der nun den Sprung ins Unterhaus geschafft hat.

Grüne Überraschung der Wahl

Für eine große Überraschung der Wahlnacht haben die britischen Grünen gesorgt, die über ihre üblichen urbanen Hochburgen hinausgewachsen sind. Die Grünen haben ihre Präsenz im Unterhaus vervierfacht, nachdem sie drei zusätzliche Sitze gewonnen haben - einen von Labour und zwei von den Konservativen, meldet der „Guardian“. Darüber hinaus konnten sie ihren bestehenden Wahlkreis Brighton Pavilion halten.

Starmer wird am Brexit nicht rütteln

Eine der drängendsten Fragen ist, ob das Wahlergebnis den Brexit-Kurs ändern wird. Starmer, ein bekannter Brexit-Gegner, schloss während seiner Wahlkampagne jedoch ein zweites Referendum aus. „Wir treten nicht wieder der EU bei, wir treten nicht wieder dem Binnenmarkt oder der Zollunion bei“, versprach der Labour-Chef laut dem „Guardian“ noch am Samstag. „Das ist nicht unser Plan. Das war noch nie der Fall. Das habe ich als Vorsitzender der Labour-Partei nie gesagt, und es steht auch nicht in unserem Manifest.“

Abkehr vom Ruanda-Plan

Ein weiteres großes Thema ist der umstrittene Ruanda-Plan, den Starmer entschlossen ablehnt. „Wenn Labour die Parlamentswahlen gewinnt, werden nach der Parlamentswahl keine Flüge mehr geplant“, sagte Starmer im Mai, berichtet der „Guardian“. Stattdessen plant er, die eingesparten Gelder zur Bekämpfung des Menschenschmuggels einzusetzen.

Zukunft der Tories ungewiss

Die Niederlage hat die Tories schwer getroffen und wirft Fragen zur Zukunft der Partei auf. Garnett spekuliert, dass die Partei, wie sie heute besteht, bei den nächsten Wahlen in fünf Jahren möglicherweise nicht mehr existieren wird. „Die Positionen innerhalb der Partei driften immer weiter auseinander und sind kaum mehr miteinander vereinbar,“ erklärte der Experte. Dies könnte zur Gründung neuer rechtskonservativer und Mitte-Rechts-Parteien führen.

Der nächtliche Wechsel der Macht in Großbritannien zeigt erneut die Magie der Demokratie, wie Finanzminister Jeremy Hunt betonte: „Wir haben das unglaubliche Glück, in einem Land zu leben, in dem Machtwechsel nicht mit Bomben und Granaten, sondern mit Millionen von Wahlzetteln entschieden werden.“