Halb so groß wie Hessen, gigantisches Pro-Kopf-Einkommen: Das ist Katar

Nun ist es also soweit: Trotz aller Proteste beginnt am kommenden Sonntag, 20. November, die Fußball-WM in Katar: Doch wie ist das Leben im Golf-Emirat tatsächlich - während und abseits des Turniers? Hier die wichtigsten Fakten, die man über den WM-Gastgeber kennen sollte.

Jetzt ist es doch soweit: Der (offizielle) FIFA-WM-Ball rollt in Katar. Vom Sonntag, 20. November, bis zum Endspiel am Sonntag, 18. Dezember, kämpfen 32 Mannschaften um den Weltmeister-Titel im umstrittenen Wüstenstaat. (Bild: 2022 Getty Images/David Ramos)
Jetzt ist es doch soweit: Der (offizielle) FIFA-WM-Ball rollt in Katar. Vom Sonntag, 20. November, bis zum Endspiel am Sonntag, 18. Dezember, kämpfen 32 Mannschaften um den Weltmeister-Titel im umstrittenen Wüstenstaat. (Bild: 2022 Getty Images/David Ramos)

Zunächst zum Sportlichen: Vom Sonntag, 20. November, bis Sonntag, 18. Dezember, spielen in Katar 32 Mannschaften um den WM-Titel 2022 im Fußball. Gekickt wird in der Vorrunde in acht Gruppen à vier Teilnehmer. Die ersten beiden Mannschaften erreichen das Achtelfinale. Katar bestreitet das Eröffnungsspiel gegen Ecuador am Sonntag, 20. November, Anpfiff ist um 17 Uhr. Die deutsche Mannschaft tritt in Gruppe E zu folgenden Begegnungen an: am Mittwoch, 23. November, 14 Uhr, gegen Japan im Khalifa International Stadium (live im Ersten); am Sonntag, 27. November, 20 Uhr, gegen Spanien im Al Bayt Stadium (ZDF) und am Donnerstag, 1. Dezember, 20 Uhr, gegen Costa Rica im Al Bayt Stadium (ARD). Gespielt wird in einem Gastgeberland, über den seit Wochen viel geredet und geschrieben wird, das vielen aber trotzdem völlig unbekannt sein dürfte. Wir haben die wichtigsten Fakten.

Seit zwölf Jahren weiß man, dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfinden soll - auch wenn dies in den Folgejahren immer wieder in Frage gestellt wurde. Der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter präsentierte 2010 in Zürich den überraschenden WM-Gastgeber. (Bild: 2010 Getty Images/Laurence Griffiths)
Seit zwölf Jahren weiß man, dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfinden soll - auch wenn dies in den Folgejahren immer wieder in Frage gestellt wurde. Der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter präsentierte 2010 in Zürich den überraschenden WM-Gastgeber. (Bild: 2010 Getty Images/Laurence Griffiths)

Kleinster WM-Gastgeber: Acht Stadien auf engstem Raum

Noch nie hat die Fußball-WM in einem so kleinen Land stattgefunden. Das Wüstenemirat Katar ist mit 11.586 Quadratkilometern kleiner als Schleswig-Holstein (15.763 km²) und etwas mehr als halb so groß wie Hessen (21.115 km²). Gespielt wird in acht - spektakulär schönen - Stadien, von denen sich alleine drei in der Hauptstadt Doha befinden.

Das Lusail Stadium in Doha: 80.000 Menschen passen hinein. Am 18. Dezember 2022 wird hier der neue Weltmeister ermittelt. (Bild: 2022 Getty Images/David Ramos)
Das Lusail Stadium in Doha: 80.000 Menschen passen hinein. Am 18. Dezember 2022 wird hier der neue Weltmeister ermittelt. (Bild: 2022 Getty Images/David Ramos)

Katar - woher kommt der Reichtum?

Von 2,6 bis 2,9 Millionen Einwohnern nennen sich nur elf Prozent Katarer. Die anderen sind vor allem arme asiatische Arbeitsmigranten. Nach UN-Angaben hat Katar die höchste "Gastarbeiter"-Quote der Welt. Viele von ihnen - ob nun auf WM-Baustellen, als Hausangestellte oder in sonstigen "niederen" Jobs - schuften für wenig Lohn unter Bedingungen, die von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert werden. Dank riesiger Gas- und Ölvorkommen hat das Emirat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt: 2020 waren es rund 96.000 Dollar. Katar gehört zu den größten Flüssiggasexporteuren der Welt.

In kritischen Dokumentationen wurde und wird immer wieder auf Menschenrechtsprobleme und andere problematische Themen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Katar hingewiesen. So hat beispielsweise Jochen Breyers ZDF-Film
In kritischen Dokumentationen wurde und wird immer wieder auf Menschenrechtsprobleme und andere problematische Themen im Zusammenhang mit der WM-Vergabe nach Katar hingewiesen. So hat beispielsweise Jochen Breyers ZDF-Film "Geheimsache Katar" viel Staub aufgewirbelt. (Bild: Mateusz Schmolka)

Der Emir über allem - wer hat die Macht in Katar?

Katar ist eine absolute Monarchie. Die Familie al-Thani, ursprünglich Beduinen, hält die Macht im Lande seit dem frühen 19. Jahrhundert. Der aktuelle Staatschef heißt Tamim bin Hamad al-Thani und ist 2013 mit 33 Jahren ins "Amt" gekommen. Während des Ersten Weltkriegs schlossen die al-Thanis Verträge mit England und wurden britisches Protektorat. Seit 1971 ist man unabhängig von Großbritannien. Von den rund 300.000 Katarern gehören etwa 60.000 oder 70.000 zur weitläufig verzweigten Herrscherfamilie al-Thani, die fast alle wichtigen Posten in Politik und Wirtschaft besetzt.

Schön sind die spektakulären Katara-Wolkenkratzer von Doha trotz aller Kritik dennoch: Ein neues Wahrzeichen des Landes ist beispielsweise diese Gebäude. (Bild: Shakeel Sha)
Schön sind die spektakulären Katara-Wolkenkratzer von Doha trotz aller Kritik dennoch: Ein neues Wahrzeichen des Landes ist beispielsweise diese Gebäude. (Bild: Shakeel Sha)

Frauen, Kleider, Alkohol & Randale: Welche Gesetze gelten in Katar?

Die Bevölkerung des Emirats ist stark muslimisch geprägt, der Islam ist Staatsreligion. Die Scharia bildet die Basis vieler Gesetze. Manche Frauen benötigen einen männlichen Vormund, etwa um zu arbeiten. Viele Bereiche des öffentlichen - und auch privaten Lebens - sind nach Geschlechtern getrennt, wie etwa Bankschalter oder Fitnessstudios. Wichtig ist auch die Kleiderordnung: Touristen sollten ihren Körper mindestens von den Schultern bis zu den Knien bedecken. Oberkörperfrei ist nur in Bereichen gestattet, in denen dies ausdrücklich erlaubt ist, etwa am Strand. Wer sich nicht an diese Kleidervorschriften hält, muss mit Geldstrafen rechnen.

Auch Alkohol ist im ganzen Land verboten - eigentlich: Denn für die WM macht die katarische Regierung Ausnahmen. Diese gelten aber nicht für die Spielstätten: In den Stadien selbst wird kein Alkohol angeboten. Das ein oder andere Bier können Fans rund um die Stadien und auf den Fanmeilen genießen, E-Zigaretten sind hingegen verboten. Alkohol ins Land mitbringen sollte man jedoch auf keinen Fall: Dies ist bei strengen Strafen ebenso verboten, wie der Import von Pornografie, Schweinefleisch und religiösen Büchern. Übrigens: Wüste Beschimpfungen und anderes aggressives Auftreten, wie in der europäischen "Fußballkultur" üblich, ist in Katar ebenfalls streng verboten.

Der größte aktuelle Fußballstar des Landes Katar dürfte Akram Afif sein, der einige Jahre in der ersten spanischen Liga spielte. (Bild: 2021 Getty Images/Charles McQuillan)
Der größte aktuelle Fußballstar des Landes Katar dürfte Akram Afif sein, der einige Jahre in der ersten spanischen Liga spielte. (Bild: 2021 Getty Images/Charles McQuillan)

Müssen Homosexuelle vor Ort Angst haben?

Generell sind in Katar homosexuelle Handlungen verboten, genauso wie auch der uneheliche Geschlechtsverkehr. Verstöße können strafrechtlich geahndet werden. Jedoch gab der katarische Premierminister Scheich Chalid bin Chalifa Al-Thani Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei ihrem Besuch Ende Oktober eine Sicherheitsgarantie für jeden Besucher und jede Besucherin, auch für Personen der LGBT-Community. Darüber hinaus dürfe auch die Regenbogenflagge in den Stadien gezeigt werden.

Allerdings gibt Wenzel Michalski, Direktor von Humans Rights Watch Deutschland, gegenüber Sky zu bedenken, dass ein großes Risiko im Zeigen gleichgeschlechtlicher Liebe bestehe. Nicht nur auf der Straße, sondern auch im Netz. Laut Michalski lesen die katarischen Behörden auf Social Media mit, wann immer sie möchten. Nach katarischem Gesetz können Akte gleichgeschlechtlicher Liebe mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden.

88 Prozent der Einwohner des Landes Katar sind Gastarbeiter, die als billige Kräfte aus dem vorwiegend asiatischen Raum ins Land geholt werden. (Bild: oliver de la haye)
88 Prozent der Einwohner des Landes Katar sind Gastarbeiter, die als billige Kräfte aus dem vorwiegend asiatischen Raum ins Land geholt werden. (Bild: oliver de la haye)

Wie Fußball-interessiert sind die Kataris?

Der Fußball im arabischen Raum ist ein - immer populärer werdendes - Importgut. Dass sich Paris St. Germain in katarischem Besitz befindet, ist bekannt. Ein katarischer TV-Sender überträgt des Weiteren die wichtigen europäischen Ligen - auch die Bundesliga - im arabischen Raum und weckte darüber nicht nur verstärkt Fußball-Interesse am Golf, sondern hat so auch weiteren Einfluss auf den europäischen Fußball genommen. Bekannt und viel kritisiert ist die Zusammenarbeit des FC Bayern München mit dem Emirat. Traditionell interessiert man sich in Katar jedoch für Sportarten wie Pferde- und Kamelrennen oder auch die Falknerei.

Das Khalifa International Stadium ist am Abend stimmungsvoll beleuchtet. (Bild: emson)
Das Khalifa International Stadium ist am Abend stimmungsvoll beleuchtet. (Bild: emson)

Wie heiß ist es in Katar?

Für Sonntag, 20. November, dem Tag des Eröffnungsspiels, wird für Doha aktuell eine Höchsttemperatur von 28 Grad vorhergesagt. Am Abend - Katar ist unserer Zeit um zwei Stunden voraus - dürften die Temperaturen sogar bei angenehmen 22 Grad liegen. Die Verlegung der WM in die Wintermonate war jedoch alternativlos. Zwischen 40 und 50 Grad liegen die Höchsttemperaturen im Juni oder Juli, wenn normalerweise WM-Turniere stattfinden. Auch, wenn es vielleicht nicht nötig sein wird: Die hochmodernen Stadien besitzen Klimasysteme und können bei Bedarf heruntergekühlt werden.

Tradition und Moderne: die
Tradition und Moderne: die "West Bay Skyline" von Doha. (Bild: 2015 Getty Images/Warren Little)

Was sollte man sich vor Ort anschauen?

Wer tatsächlich nach Katar reist, kann sich von der beeindruckenden Skyline Dohas verzaubern lassen, die aberwitzig mondänen Einkaufszentren besuchen - inklusive Indoor-Achterbahnen und venezianischen Gondel-Wasserstraßen - oder traditionelle Märkte und Bazare besuchen. Achtung: Hier muss gehandelt werden, alles andere empfinden Einheimische als unhöflich. Auch ein Trip in die Wüste sollte nicht fehlen. So findet man etwa 40 Kilometer südwestlich von Doha mit den "Singenden Dünen" von Katar ein Naturspektakel ganz besonderer Art.

Kamelrennen, übrigens mittlerweile oft mit ferngesteuerten Robotern als
Kamelrennen, übrigens mittlerweile oft mit ferngesteuerten Robotern als "Jockeys", ist eine der beliebtesten Sportarten des Landes Katar. (Bild: typhoonski/typhoonski)

Welche Katar-Dokus sind zu empfehlen?

In den Mediatheken und bei den Streamingdiensten finden sich derzeit einige sehenswerte Filme über Katar und die Fußball-WM:

Jochen Breyers Film "Geheimsache Katar" (ZDF Mediathek) hat wegen homophober Äußerungen eines katarischen WM-Botschafters vor der Kamera viel Staub aufgewirbelt. Der 45-Minuten-Film ist auch darüber hinaus ein starkes Stück investigativ-kritischer Journalismus. Ein guter Einstieg in das Land Katar und wie es funktioniert, ist auch die 45-Minuten-Doku "Geheimes Katar - Geschäftssinn, Gas und Größenwahn" (ebenfalls ZDF Mediathek).

Die ARD arbeitet in der viermal 30 Minuten langen Doku-Serie "Katar - WM der Schande" das korrupte System der WM-Vergabe auf, während Thomas Hitzlsperger in seiner kritischen Reisereportage "Katar - Warum nur?" (ARD Mediathek) vor allem die Menschenrechtssituation im Wüstenstaat und rund um die WM in den Fokus rückt.

Frauenrechte in Katar sind ein
Frauenrechte in Katar sind ein "spezielles" Thema. Die meisten Dinge macht man im Emirat getrennt nach Geschlechtern. (Bild: bennymarty)

Mit der Menschenrechtssituation von Homosexuellen und LGBT-Community setzt sich die ntv-Dokumentation "Rote Karte statt Regenbogen - Homosexuelle in Katar" (18. November, 19.30 Uhr, und ab dann bei RTL+ zum Abruf) auseinander. Ein Netflix-Abo benötigt man indes für eine der derzeit besten Dokumentationen über die Geschichte der FIFA und ihrer Verstrickungen: "FIFA Undercover" ist eine brillante britische Dokureihe von viermal etwa 45 Minuten (Netflix).

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