Hamas will sofort dauerhafte Waffenruhe

Gaza/Tel Aviv (dpa) - Bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der islamistischen Hamas über eine Beilegung des Gaza-Kriegs kristallisiert sich der Beginn der dauerhaften Waffenruhe als größter Streitpunkt heraus.

Die Hamas bestehe von Anfang an auf einen dauerhaften Waffenstillstand, berichtete die Zeitung «The Times of Israel» unter Berufung auf zwei mit der Angelegenheit befasste Funktionäre. Israels Regierung hingegen will zunächst nur eine vorübergehende Waffenruhe, während der weitere Geiseln freigelassen werden sollen.

Die Hamas befürchte, dass die israelischen Streitkräfte ohne die Garantie eines dauerhaften Waffenstillstands die Kämpfe nach der Freilassung einiger der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln wieder aufnehmen könnten, hieß es in dem Bericht weiter. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat bereits mehrfach erklärt, der Krieg könne aus seiner Sicht nicht beendet werden, bevor die Ziele seiner Regierung - wie die Zerschlagung der militärischen Kapazitäten der Hamas - nicht erreicht seien.

Ende Mai hatte US-Präsident Joe Biden überraschend einen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg vorgestellt. Der Plan sieht vor, dass eine vorübergehende Feuerpause eingehalten wird und währenddessen weibliche, alte und kranke israelische Geiseln freikommen.

Im Gegenzug würden in Israel inhaftierte Palästinenser freigelassen. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln auf freien Fuß kommen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

US-Präsident Joe Biden
US-Präsident Joe Biden (Bild: REUTERS/Nathan Howard/File Photo)

Der UN-Sicherheitsrat sprach sich bereits für den Vorschlag aus und nahm zuletzt eine entsprechende Resolution an. Die Hamas legte nun eine Reihe von Änderungsvorschlägen vor. Aber auch die israelische Regierung hat dem US-Plan bislang nicht klar zugestimmt.

Laut einem Bericht des israelischen Fernsehsenders Channel 13 fordert die Hamas auch, dass der Wiederaufbau des Gazastreifens bereits in der ersten Phase beginnt und Israel kein Veto gegen die Auswahl der freizulassenden palästinensischen Häftlinge einlegen darf. «Das ist die extremste Antwort, die die Hamas hätte geben können», zitierte der Sender einen israelischen Beamten. «Unter diesen Bedingungen ist es schwer, eine Verhandlung zu beginnen.»

US-Außenminister Antony Blinken hatte bereits gestern in Doha die Änderungsvorschläge der Hamas als teilweise unrealistisch bezeichnet. «Einige der Änderungen sind umsetzbar, einige nicht», sagte er nach einem Treffen mit seinem katarischen Kollegen Mohammed bin Abdulrahman Al Thani. Konkreter wurde Blinken dabei nicht.

US-Außenminister Antony Blinken
US-Außenminister Antony Blinken (Bild: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/Pool via REUTERS)

Katar sei entschlossen, die «Kluft zu überbrücken» und Israel und die Hamas einem Kriegsstopp näherzubringen, sagte Al Thani. «Wir hoffen, dass diese Phase so kurz wie möglich sein wird.» Katar und die USA treten wie auch Ägypten als Vermittler auf, weil Israel und die Hamas nicht direkt miteinander verhandeln.

Die vor wenigen Tagen aus der Gefangenschaft der Hamas befreiten Männer waren in den vergangenen Monaten im Gazastreifen schweren Misshandlungen ausgesetzt. Die Mutter der Geisel Andrey Kozlov schilderte dem israelischen Sender Kan, ihr Sohn sei gefoltert worden, zwei Monate lang gefesselt gewesen und an sehr heißen Tagen absichtlich mit vielen Decken zugedeckt worden.

Einen Wächter habe er als besonders grausam beschrieben. Kozlov habe zeitweise kaum zu essen gehabt und sei wie seine Mitgefangenen schweren psychischen Misshandlungen ausgesetzt gewesen, sagte seine Freundin dem israelischen Sender Channel 12. Einige Dinge, die er erlebt habe, werde er seiner Mutter nie erzählen.

Angesichts der dramatischen Versorgungslage im Gazastreifen warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer weiteren Verschärfung der humanitären Krise. Viele Menschen in dem Gebiet seien «katastrophalem Hunger» ausgesetzt und lebten unter Bedingungen, die einer Hungersnot glichen, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Bei über 8000 Kindern unter fünf Jahren sei akute Mangelernährung festgestellt worden. Aussicht auf Besserung bestehe kaum, sagte er: «Trotz der Berichte über eine verstärkte Lieferung von Lebensmitteln gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass die Bedürftigen in ausreichender Menge und Qualität mit Lebensmitteln versorgt werden.»