Heute ist Internationaler Tag: Wie kriegt man es hin, homophob zu sein?

Sicherheitskreise vermelden mehr Angriffe wegen sexueller Orientierung – Verbände schlagen Alarm

Ein Regenbogen über London im Sommer 2023 (Bild:  REUTERS/Kevin Coombs/Fil ephoto)
Ein Regenbogen über London im Sommer 2023 (Bild: REUTERS/Kevin Coombs/Fil ephoto)

Beim ESC wurden die Regenbogenfahnen gefeiert, aber das ist nur eine Seite der Medaille: Immer noch werden Menschen angefeindet und angegriffen, weil sie sind, wie sie sind. Das bleibt natürlich armselig. Aber die Empörung darüber sollte resolut sein. Denn von solchem feindlichen Kram hat niemand etwas.

Ein Kommentar von Jan Rübel

In jedem Witz, und erst recht in jedem vermeintlichen Witz steckt ein hartes Körnchen Ernst. Da machen sich ja einige Zeitgenossen gern lustig über Sternchen und Unterstriche in der Sprache, oder was muss ich jetzt sagen: LGB, LGBT, oder Q, und dieses + (Hehe)? Als wäre es ein Angriff auf die eigene Seele, über die Befindlichkeiten des Nächsten ein, zwei Sekunden nachzudenken; als wäre dies eine Majestätsbeleidigung.

Zu all den Jokes über „LGB-Bla-Bla-Bla“ lässt sich nur feststellen, dass es bessere Witze gab, über die ich nicht lachte. Vielleicht bin ich auch einer, der dafür generell in den Keller geht, aber was für denen einen nur Frotzeln sei, ist für den anderen tatsächlich eine Attacke auf die Integrität. Und damit ein Angriff auf die Freiheit von uns allen. Was gibt es da zu lachen?

Längst wissen wir, dass aus der Gewalt von Worten oft auch eine der Hände wird. Und daher überraschen die Zahlen nicht, die heute aus Sicherheitskreisen und Verbänden kommuniziert werden – pünktlich zum heutigen Internationalen Tag der Vereinten Nationen gegen Homo-, Bi, Inter- und Transphobie.

Wie, da will wieder jemand mit dem Kichern anfangen? Pardon, man muss nicht Definitionen und Abkürzungen auswendig lernen, um kein Arschloch zu sein. Man braucht nur ein Mensch zu sein.

Ja, der Mensch hat eine Menge Phobien. Ich zum Beispiel hab es nicht mit Spinnen, auch schwindelfrei in der Höhe bin ich nicht wirklich. Demonstriere ich deswegen für den Abriss aller Häuser über drei Stockwerken? Hole ich bei einem Opa Langbein die Bazooka raus?

In der Hauptstadt wird eine Losung gepflegt, die einfach ist: Jedem nach seiner Fasson.

Doch hier die Zahlen: Der „Spiegel“ zitiert Informationen aus dem Bundesinnenministerium. 2022 wurden demnach in Deutschland 1005 Straftaten gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen registriert. „Darunter seien 227 Gewalttaten gewesen. 2023 seien die Fallzahlen in den Kategorien ‚Frauenfeindlich‘, ‚Sexuelle Orientierung‘ und ‚geschlechtsbezogene Diversität‘ im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, hieß es nun aus Kreisen.“

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, die meint, sich sowas leisten zu können? Jawoll, da herrscht eine allgemeine Verunsicherung über den Wandel, die Veränderungen. Sie finden ja statt, aber eben nicht von oben verordnet, sondern als Fortschreibung der Menschheitsgeschichte. Und ich kann es kaum mehr hören, wenn zur Entschuldigung von bösen Taten die Digitalisierung, das Heizungsgesetz oder das wärmere Wetter herbeigezogen werden. Man ist schon selbst verantwortlich für das, was man tut. Und was man nicht tut.

Wer also meint, dass es früher eben Tradition war, gegen sexuelle Orientierungen anderer Menschen vorzugehen, kann dann auch gleich die Eingliederung der Kreuzigung ins Strafgesetzbuch fordern, oder die Verbannung von Suizidtoten von den Stadtfriedhöfen.

Der Mensch lernt hinzu, zweifellos. Da ist es egal, ob diese miesen Angriffe gegen andere Menschen Teil eines Rückzugsgefechts sind oder Leute meinen, gerade Aufwind für Reaktionäres zu spüren. All diesen Allianzen zwischen Rechten, Rechtsextremen, religiösen Fundamentalisten und übrigens auch zahlreichen Leuten aus Communities mit orientalischer Einwanderungsgeschichte ist nur eine einzige Absage zu erteilen. Es ist im Übrigen meist eine Männersache. Da verbünden sich ein Muhammad und ein Ingo, weil sie ein Problem mit sich selbst haben. Ihnen ist zu wünschen, dass sie diese in den Griff kriegen – und dass sie damit nicht andere behelligen.

Denn entgegen allen Unkenrufen gibt es in Deutschland keine Umprogrammierung, keine verordnete Ideologisierung oder einen wildgewordenen Zwangsliberalismus. Was es gerade gibt, ist die um sich greifende Einsicht geltender Menschenrechte. Da wollen Leute einfach nur nicht diskriminiert werden. Das ist keine Indoktrinierung. Die findet eher aus anderer Richtung statt. Und lustig ist das nicht.