Italien will Verfassung ändern, um Nutri-Score zu verhindern

Italien will Verfassung ändern, um Nutri-Score zu verhindern

Laut Euronews schlägt die italienische Regierung eine Verfassungsänderung vor, die die Einführung des von der EU unterstützten Nutri-Score-Systems behindern würde.

Italien steht der Nutri-Score-Skala skeptisch gegenüber. Die Skala soll als Indikator für Nährwerte von Lebensmitteln dienen, in dem sie die Nährwerte in vergleichbare Codes von A bis E und grün bis rot einordnet. Ein Hauptgrund Italiens, sich gegen den Nutri-Score zu stellen, ist, dass italienische Grundnahrungsmittel wie Olivenöl extra vergine als D eingestuft und orange gefärbt wird. Darin sieht Italien eine Voreingenommenheit.

Italiens Landwirtschaftsminister will "Recht auf gesunde Ernährung" einführen

Während einer Kundgebung zur Europawahl vergangene Woche kündigte Italiens Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida – Mitglied der regierenden Partei Fratelli d'Italia, Schwager von Premierminister Giorgia Meloni – einen Vorschlag zur Änderung der Verfassung an. Damit wolle er Schutzmaßnahmen einführen, die den italienischen Bürgern ein Recht auf gesunde Ernährung einräumen.

"Die Republik garantiert die gesunde Ernährung ihrer Bürger. Zu diesem Zweck verfolgt sie das Prinzip der Ernährungssouveränität und schützt Produkte, die die nationale Identität symbolisieren", heißt es in dem neuen Entwurf.

Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums teilte Euronews mit, dass das Verfahren zur Änderung der Verfassung bereits in der unteren Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus Italiens, durch den Abgeordneten Tommaso Foti eingeleitet worden sei. Ein ähnliches Verfahren soll auch in der oberen Kammer des Parlaments beginnen.

Beide Kammern müssten zweimal über den Änderungsantrag abstimmen. Wenn die einfache Mehrheit, den Gesetzesemwurf annimmt, wäre der Weg für ein Referendum geebnet, in dem die Bevölkerung die Verfassungänderung annehmen oder ablehnen kann.

Italienische Lebensmittel sollen per Verfassung als gesund gelten

Eine solche Regeländerung würde die Aussichten für die Einführung des Nutri-Scores in Italien in Frage stellen, da die gesundheitlichen Vorteile italienischer Lebensmittel faktisch durch die Verfassung bestätigt werden würden.

Das Nutri-Score-System wird derzeit in Supermärkten in sechs EU-Mitgliedstaaten erprobt, darunter Deutschland. Es wird erwartet, dass die Europäische Kommission den Nutri-Score genehmigt. Sie wurde damit beauftragt, ein einheitliches EU-weites Lebensmittelkennzeichnungssystem vorzuschlagen.

In den letzten Jahren hat Italien in Brüssel mehrere Initiativen organisiert, um dem Nutri-Score-System entgegenzuwirken, und diplomatische Anstrengungen unternommen, um Verbündete mit anderen EU-Ländern gegen den Nutri-Score zu finden.

Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass der Vorschlag der Kommission, der ursprünglich für Ende 2022 veröffentlicht werden sollte, aufgrund seiner Uneinigkeit jedoch verschoben und verlangsamt wurde.

Italien bevorzugt ein anderes Kennzeichnungsmittel für Lebensmittel

Die italienische Regierung hat stattdessen das NutrInform Battery System zur Lebensmittelkennzeichnung befürwortet. Das System zeigt Nährstoffinformationen über die verzehrten Lebensmittel und Getränke an und die von Ernährungswissenschaftlern empfohlenen Portionen sowie den relativen Anteil von Kalorien, Salz, Zucker und Fetten, der in der täglichen Ernährung benötigt wird.

Letzte Woche wurde ein wissenschaftliches Treffen zum Thema Nutri-Score in Belgien, das derzeit den Vorsitz im EU-Rat innehat, veranstaltet. Dieses Treffen wurde als Versuch gewertet, das Thema Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite wieder auf die Tagesordnung der EU zu setzen.

Die Organisatoren der Veranstaltung teilten Euronews mit, dass italienische Vertreter eingeladen wurden und einen Redner bestätigt hatten, sich aber später zurückzogen, weil die Veranstaltung mit einem Feiertag in Italien zusammenfiel.

Nährwertkennzeichnung auch Thema für EU-Wahlen

Das Thema Lebensmittelbewertung könnte vor und nach den EU-Wahlen neben anderen politischen Themen wieder wichtig werden. Vor allem, wenn Ursula von der Leyen sich wieder auf den Posten der Kommissionspräsidentin bewirbt und dabei Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni um Unterstützung bitten sollte – eine Option, die sich von der Leyen in ihrer jüngsten Debatte offen gelassen hat.

Lorenzo Castellani, Professor für Geschichte der politischen Institutionen an der Universität Luiss in Rom, sagte: "Von der Leyen ist jetzt daran interessiert, mit der italienischen Regierung ins Gespräch zu kommen."

Der Experte teilte Euronews mit, dass sich die Ansichten von Meloni und von der Leyen zu Themen wie Migration angenähert haben. Er fügte hinzu, dass die italienische Ministerpräsidentin den größeren Verhandlungsspielraum in den nächsten Monaten nutzen könnte, bis die neue EU-Kommission eingesetzt wird.