Journalistin Amiri zum Nahost-Krieg: "Friedensprozess beginnt, wenn Teheran eingedämmt wird"
Nach dem iranischen Luftangriff auf Israel glaubt Nahost-Experte Guido Steinberg nicht, dass Israel den Iran direkt angreifen wird - aber womöglich die Hisbollah. Bei "Caren Miosga" (ARD) sieht Journalistin Natalie Amiri den Schlüssel zum Frieden in der Eindämmung der Mullahs.
Ursprünglich wollte Caren Miosga in ihrer ARD-Talkshow mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) diskutieren, ob Reden gegen radikale Parteien hilft. Doch dann hatte in der Nacht zum Sonntag der Iran Israel angegriffen, mit Drohnen und Raketen. Die israelische Armee wehrte den Angriff mithilfe der USA, Großbritanniens und Jordaniens erfolgreich ab. Dennoch fürchten viele Politiker einen Flächenbrand in der Region. Das israelische Kriegskabinett ist Sonntagnacht nach stundenlangen Beratungen ergebnislos auseinandergegangen. Doch vorher hatte der ehemalige Verteidigungsminister Benny Gantz mit einem Gegenschlag gedroht.
Den wird es sicher geben, glaubt Nahost-Experte Guido Steinberg. Aber: "Es ist nichts passiert, was die Israelis zwingen würde, nun die Iraner direkt anzugreifen", sagte er am Sonntagabend bei "Caren Miosga" im Ersten. Jedoch gebe es im israelischen Militär und in der israelischen Politik eine Debatte, ob nicht ein Tiefschlag gegen die libanesische Miliz Hisbollah jetzt angebracht wäre.
"Und zwar, weil jetzt das Argument da ist: Die Hisbollah greift ja ohnehin an. Wenn jetzt Israel zurückschlägt, könnte sich kaum jemand beschweren." Ein solcher Präventivschlag könne in einigen Wochen oder in einigen Monaten geschehen, Aber der Druck aus dem Kriegskabinett werde dafür jetzt immer höher werden, glaubt der Experte.
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai: Nahost-Krieg erreicht neue Dimension
Der Iran habe nicht geplant, dass Israel durch den Angriff Schaden nehmen sollte, analysierte Steinberg. Die Regierung des Landes habe zwei Ziele verfolgt: "Sie wollte zunächst für ihre eigene Klientel eine ganz entschlossene Reaktion zeigen." Das sei die Botschaft der Mullahs nach innen gewesen. "Die Botschaft nach außen war: Wir wollen keinen großen Krieg. Deswegen schießen wir hier zwar alle möglichen Flugkörper ab, aber wir möchten eigentlich nicht, dass sie große Zerstörungen anrichten."
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist Deutsch-Iraner. Er teilt die Einschätzungen Steinbergs nicht ganz: Die iranische Führung habe gewusst, was sie in Israel anrichten könnte. "Aber gleichzeitig wollten sie aus meiner Sicht auch testen, welche strategischen Abwehrmöglichkeiten oder -fähigkeiten in Israel oder bei der israelischen Armee gegeben sind."
Der Krieg im Nahen Osten sei in eine neue Dimension eingetreten, so der FDP-Politiker. Bisher habe der Iran den Krieg gegen Israel nur indirekt geführt - mit Unterstützern wie den islamistischen Terrororganisationenen Hisbollah im Libanon oder der Hamas in Gaza. "Ich halte es schon für sehr realistisch, dass die Vertreter des Iran in dieser Region diesen Krieg in einer anderen Form, aber stellvertretend für die Mullahs in Iran fortführen."
Djir-Sarai: "Niemand erwartet von uns militärische Unterstützung"
Für Israel habe der iranische Angriff möglicherweise positive Folgen. Davon geht Guido Steinberg aus. Das habe etwas damit zu tun, dass die Welt in den letzten Monaten nur auf eine Dimension des Krieges im Nahen Osten geschaut habe, und zwar auf die palästinensische Dimension. "Weniger wurde gesehen bei den Verbündeten in Deutschland, Europa und den USA, dass die Hamas zwar auch ein palästinensischer Akteur ist, aber auch ein Verbündeter Irans."
Zwar würde man in Deutschland immer noch glauben, der Konflikt zwischen Israel und Palästina sei im Nahen Osten ein Schlüsselkonflikt, aber das sei ein Irrtum. "Der viel wichtigere Konflikt ist der zwischen Iran und seinen Gegnern, und dazu gehört auch Israel. Und wir haben jetzt deutlicher gesehen, dass hier noch eine andere Konfliktebene besteht, die für die Weltpolitik vielleicht wichtiger ist. Das ist natürlich gut für die Israelis, weil wir uns doch alle einig darüber sind, wer die Bösen sind, nämlich der Iran." Im israelisch-palästinensischen Konflikt sei das nicht so klar. Israel könnte nach dem iranischen Angriff mehr Unterstützung in der Welt bekommen.
Das bedeute aber nicht, dass Deutschland Israel militärisch unter die Arme greifen werde, sagt Djir-Sarai. "Niemand in Israel oder in der arabischen Welt, niemand im Nahen Osten erwartet von uns militärische Unterstützung", erklärte der Politiker. Für Israel sei vielmehr wichtig, dass der Westen endlich verstünde, welche Gefahren von dem Mullah-Regime in Teheran ausgehen würden.
Natalie Amiri: Friedensprozess beginnt, wenn Teheran eingedämmt wird
Auch "Weltspiegel"-Moderatorin und Deutsch-Iranerin Natalie Amiri vermutete, "dass die israelische Regierung jetzt wieder auf etwas mehr Verständnis hoffen kann". Der Friedensprozess beginne "nicht dann, wenn die Hamas die Waffen niederlegt, sondern wenn Teheran eingedämmt wird", stellte die Journalistin mit Blick auf den Gaza-Krieg fest. Inwieweit die Hamas den Kopf aus der Schlinge ziehen könne, liege an der Entscheidung des israelischen Kriegskabinetts, ob eine Operation in Rafah durchgeführt werde: "Die Israelis haben das große Ziel der Zerschlagung der Hamas nicht aufgegeben."