Knapp 80% Inflation: Brain-Drain in der Türkei

Die Angst vor der Verarmung grassiert in der Türkei – knapp 80 Prozent Inflation lässt die Kaufkraft verpuffen.

Gut Ausgebildete verlassen das Land, 2021 beantragten mehr als 1.000 Ärzte bei der türkischen Ärztekammer ein "Good Standing"-Dokument, um außerhalb der Türkei als Arzt praktizieren zu können.

Hunderte Ärztinnen und Ärzte haben der Türkei schon den Rücken gekehrt, denn ihr Verdienst bewegt sich inzwischen immer mehr in Richtung Armutsgrenze.

Ein viertel meiner befreundeten Assistenzärzte macht Sprachkurse... die meisten lernen Deutsch.

Dr. Onur Naci Karahanci von der Türkischen Ärztevereinigung (TTB) meint, die europäischen Länder würden Ärzte mit einer besseren Lebensqualität anlocken, um sich die klügsten und "billigsten" Ärzte aus anderen Teilen der Welt zu sichern.

Noch im März sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass Ärzte, die ins Ausland gehen wollten, "gehen und gehen können". Dann ruderte er zurück und sagte, er glaube, dass Ärzte, die ins Ausland gegangen seien, bald nach Hause zurückkehren würden, denn die Türkei verspreche wirtschaftlich "glänzende Zukunftsaussichten".

Der Wirtschaftswissenschaftler Enes Ozkan von der Universität Istanbul meint, steigende Inflation in der Türkei und die Abwanderung von Fachkräften hängen direkt zusammen.

Vom so genannten "Brain Drain" spricht man, wenn wichtige Fachkräfte ihr Land verlassen, um ihren Beruf unter besseren wirtschaftlichen oder demokratischen Bedingungen auszuüben.

Ozkan erklärte, dass die hohe Inflation in der Türkei auf das Missmanagement der Wirtschaft durch die Regierung Erdogan zurückzuführen sei und dass andere Länder, die unter einer Inflation litten, keinen Brain Drain zu verzeichnen hätten.

Die jährliche Inflationsrate in der Türkei erreichte im Juni 78,62 % und damit den höchsten Stand seit 1998.

Inflation und die Abwanderung von Fachkräften hängen direkt zusammen. Aber bevor man sich mit den Auswirkungen beschäftigt, muss man natürlich erst die Ursachen anschauen. Und die liegen in der schlechten Wirtschaftspolitik der Türkei.

Auch Erhöhungen des Mindestlohnes können den galoppierenden Kaufkraftschwund nicht auffangen. Und entgegen jeder Wirtschaftswissenschaft fordert Erdogan eine Senkung der Zinssätze, um das Wachstum anzukurbeln.