Kommentar: Wie die bayerische AfD die Kirche kritisiert, lässt aufhorchen

Die selbsternannten Bewahrer der abendländischen Traditionen scheinen außgerechnet mit der Kirche auf Kriegsfuß zu stehen. (Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)
Die selbsternannten Bewahrer der abendländischen Traditionen scheinen außgerechnet mit der Kirche auf Kriegsfuß zu stehen. (Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Das Wahlprogramm fordert ein Ende der staatlichen Förderung von Kirchen. Gefährdet die AfD damit das Abendland?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wir leben in einer gefährdeten Welt. Vieles ändert sich, die Digitalisierung schreitet voran, Jobs fallen weg, Jobs entstehen – und angeblich hat unser Land ein Werteproblem. Die AfD kämpft nach eigenen Worten gegen den Verfall von Traditionen und für den Erhalt der Heimat, des Abendlandes.

Doch irgendwie scheinen die Kirchen nicht mehr dazu zu gehören. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelt das Programm der bayerischen AfD, mit dem die Partei in den Landtagswahlkampf ziehen will. Prominent vorne steht auf den Seiten 12 bis 14 des insgesamt 100 Seiten langen Papiers die Forderung, “die Staatskirchenverträge zwischen der Bayerischen Staatsregierung und der röm. kath. sowie der evang.-luth. Kirche sind … unverzüglich zu kündigen”.

Will die AfD die Kirchen nicht mehr? Oder andere?

Der Staatskirchenvertrag regelt die staatliche finanzielle Unterstützung der Amtskirchen, in Bayern werden zum Beispiel die Gehälter von Bischöfen vom Staat bezahlt. Was die AfD fordert, gefährdet die Kirchen, finanziell gesehen, nicht in ihrem Bestand: Es handelt sich nicht um die Regelung der Kirchensteuer oder die Finanzierung der zahlreichen karitativen Einrichtungen; die Zahlungen über die Staatskirchenverträge umfassen nur ungefähr zwei Prozent der kirchlichen Gesamtetats. Wie die AfD die Kirchen aber beschreibt, lässt aufhorchen.

Auf den Cent geschaut

“Eine Fortsetzung der finanziellen staatlichen Unterstützung an die Amtskirchen ist weder zeitgemäß noch sachgerecht, zumal es sich bei den Kirchen um eine besondere Lobbygruppe handelt, die sich dadurch von anderen unterscheidet, dass sie auf finanzielle staatliche Hilfe zurückgreifen kann.” Oha. Kirchen als “besondere Lobbygruppen” zu bezeichnen ist starker Tobak. Und weiter heißt es: “Die AfD will keine staatliche Förderung von Religionsgemeinschaften, sondern eine konsequente Trennung von Staat und Religion in Bayern.”

Damit macht sich die AfD zur Partei jener Bekenntnislosen, die keinen Cent ihrer gezahlten Steuern in den Kirchen sehen wollen. Über den Staatskirchenvertrag lässt sich streiten. Auch Bischöfe sehen ihn kritisch und fordern sein Ende. Immerhin erscheint er wenig zeitgemäß und stammt aus der Zeit, als der Staat den Kirchen Kompensation für Enteignungen zahlte. Aber es ist ein Stück Tradition.

Eine komische Einstellung zur Tradition

Und da erstaunt, warum die AfD darauf nonchalant verzichten will. Worin sieht die AfD den Wert der Kirchen, wenn es um die Ausgestaltung des Abendlandes geht? Immerhin befürworten viele AfD-Anhänger das Anbringen von Kruzifixen in öffentlichen Gebäuden. Und nun sollen die Träger dieser Kreuze “keine staatliche Förderung” erhalten? Mir kommt der Verdacht, es handelt sich um enttäuschte Liebe. Die Priester, Pastoren und Pastorinnen, die nicht an der Kanzel gegen die AfD predigen, sind an einer Hand abzuzählen. Die Geistlichen sträuben sich gegen die zelebrierte Verweigerung von Nächstenliebe. Womöglich scheiben die Rechtspopulisten aus purer Rache in ihrem Programm von “kirchlichem Lobbyismus”.

Dies ist gefährlich, und zwar fürs Abendland. Man mag gegenüber Staatskirchenverträgen kritisch stehen, aber Kirchen zeichnen sich weniger durch Lobbyismus aus als durch Seelsorge. Lobbyismus klingt negativ, in der Wahrnehmung unterwandert er die Volkssouveränität. Lobbyisten agieren in Hinterzimmern – wenn die AfD die Kirchen damit ummäntelt, offenbart sie ein komisches Weltbild.
Die AfD scheint in Religionsgemeinschaften keine besonderen Kulturträger zu sehen. Religion ist für sie Symbol. Aber das Leben dahinter friert sie ein. So wird das nichts mit den Werten.

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