Kommentar: GroKo wird für die SPD zum No-Go

Martin Schulz muss bei seinen Parteigenossen schwer um die Zustimmung zu einer neue GroKo kämpfen (Bild: Reuters)
Martin Schulz muss bei seinen Parteigenossen schwer um die Zustimmung zu einer neue GroKo kämpfen (Bild: Reuters)

Nach den Sondierungen fallen die Sozialdemokraten in eine tiefe Sinnkrise. Sollen sie wieder einmal Verantwortung übernehmen? Und dann gibt es noch die lästigen Milchbubis von der CSU.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Vom SPD-Parteichef ist überliefert, dass er eine Schwäche für zuckersüßen Kaffee mit bitterer Schokolade hegt. In diesen Tagen aber muss es Martin Schulz vorkommen, als schütte man ihm Salz dazu.

Kaum lag das Sondierungspapier aus den Gesprächen mit CDU und CSU vor, begannen die Genossen mit beißender Kritik. Zwei Landesverbände empfehlen bereits, beim Parteitag gegen Koalitionsverhandlungen zu stimmen; den Großkopferten in der Partei läuft die Zeit davon, die Basis von einer Neuauflage der Großen Koalition zu überzeugen.

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Denn den einfachen Mitgliedern liegen die vergangenen Regierungsverantwortungen noch schwer im Magen. Im Maschinenraum hatte die SPD malocht, für das Land wichtige Errungenschaften wie den Mindestlohn, weniger Leiharbeit und eine Frauenquote in Aufsichtsräten herausgeholt. Doch ans Sonnendeck kamen sie dafür nicht, Kanzlerin Angela Merkel hatte das Schloss ausgewechselt und fläzte sich allein auf der Liege. Die Wähler danken es der SPD einfach nicht. Der Partei wird zum Verhängnis, dass sie so viel erreicht hat, selbst die CDU sozialdemokratisiert sich; da braucht es offenbar nicht unbedingt eines Markenkerns, wenn eh alle irgendwie Sozen sind.

Ach, wie schön wär Jamaika

Die Opposition käme einem lang ersehnten Kuraufenthalt gleich. Die Sozialdemokraten würden sich besinnen und attackieren, könnten sich personell neu aufstellen und ihr Wertekorsett neu justieren. Kommt es aber zur Koalition, wäre wieder Schmalhans angesagt, durchhalten, bis zur nächsten Wahlniederlage.

Der SPD gelänge ein optimistischerer Blick auf eine GroKo, könnte sie auf eindeutige rote Punkte im Sondierungspapier verweisen. Den Rückzug vom Rückzug hätte die Union der SPD mit großen Zugeständnissen erleichtern, sozusagen einen Dietrich fürs Sonnendeck servieren können. Doch die Ergebnisse der Sondierung sehen nicht aus wie ein sozialdemokratischer Durchbruch. Sicherlich, wichtige Claims wie Kitaausbau, mehr Geld für Schulen, die stärkere Einbindung der Arbeitgeber in die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung wurden abgesteckt – aber für grelle Sichtbarkeit reicht dies nicht aus.

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Und es kommt ein weiteres Problem auf die SPD zu. Mit wem will sie eigentlich regieren? Mit Merkel, mit Unionsfraktionschef Volker Kauder und CSU-Parteichef Horst Seehofer kann man, dies sind gestandene Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten. Es war auch Seehofer, der von Respekt sprach, den man nun für die schwierige Suche der SPD aufzubringen habe.

Schwierige Partnerwahl

Doch die drei stehen nicht mehr allein, die jüngere Riege rückt auf, und mit der würde das Regieren weitaus unangenehmer. Jens Spahn von der CDU zum Beispiel, lässt sich immer weniger das Wort verbieten, positioniert sich auch gern gegen Parteifreunde oder Koalitionspartner, wenn es dem eigenen Renommee nützt. Und da sind vor allem die Milchbubis von der CSU. Generalsekretär Andreas Scheuer und Alexander Dobrindt als Chef der Landesgruppe im Bundestag sind profillos aufgestiegen und geben sich umso kompromissloser – als verstünden sie darunter Konservatismus.

Hätte Merkel nicht auch noch Jungkonservative wie Dobrindt und Scheuer im Schlepptau, täte sich die SPD mit der GroKo leichter (Bild: Getty Images)
Hätte Merkel nicht auch noch Jungkonservative wie Dobrindt und Scheuer im Schlepptau, täte sich die SPD mit der GroKo leichter (Bild: Getty Images)

Ironischerweise redet Dobrindt nun von der Notwendigkeit einer konservativen Revolution, ohne natürlich inhaltliche Konturen zu benennen. Konservativ sein hat ja viel mit Haltung zu tun, und bei den Sondierungen erhielt die SPD ungeschönten Einblick, was Dobrindt und Scheuer davon halten. Ersterer warf bei den Gesprächen derart aktivistisch mit Forderungen um sich, dass konservative Urgesteine der CDU ihn entnervt als „Problem“ ausmachten. Und Scheuer wird nun angelastet, nach den nächtlichen Gesprächen Worte ins finale Papier geschmuggelt zu haben, über die nicht verhandelt worden sei.

Kommentar: Dieser großen Koalition fehlen Mut und Vision

Haltung sieht anders aus. Bei der SPD wird man sich fragen, ob man mit solchen Leuten ein stabiles Bündnis schmieden kann – wer weiß, an welcher Abbiegung sie wieder ausscheren. Viel lieber würden die Sozialdemokraten selbst den Blinker setzen und Gas geben. Zur großen Koalition kommt es nur, wenn die SPD große Emotionen unterdrückt.