Kommentar: Hat die AfD einen Geheimplan?

Reporter haben ein Privattreffen von völkischen Rechten dokumentiert – mit dabei sind AfD-Politiker und Vertreter "identitärer" Gruppen. Ihr Ziel: eine "Remigration" mit Hilfe eines "Masterplans" von Millionen Menschen aus Deutschland weg, auch Deutscher. Im Ernst? Geheim ist das nicht wirklich. Man muss bei der AfD nur genau hinschauen – und sie nicht nur als Lautsprecher für allgemeine Unzufriedenheit ansehen.

AfD-Politiker Björn Höcke bei einem Auftritt bei Pegida im September 2021 in Dresden (Bild: REUTERS/Matthias Rietschel)
AfD-Politiker Björn Höcke bei einem Auftritt bei Pegida im September 2021 in Dresden. (Bild: REUTERS/Matthias Rietschel)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Die AfD genießt gerade einen gewissen Zuspruch in der Bevölkerung. In den Umfragen steht sie bundesweit stabil rund um die 20 Prozent, und zwar mit Tendenz nach oben; in östlichen Bundesländern stabilisiert sie sich, zumindest in Umfragen, als stärkste Partei. Die Gründe dafür sind vielfältig, einer von ihnen aber ist: Die AfD nimmt am lautesten und damit nicht unerfolgreich die Rolle eines Fürsprechers ein, der den Leuten das Wunder des Zurückdrehens eines Uhrwerks verspricht: kein Klimawandel, kein Stress mit Russland, keine Geldsorgen – und im Gegenzug mehr Übersichtlichkeit im Allgemeinen.

Dieses Versprechen erscheint magisch, eben attraktiv. Die AfD hat kaum Scheu, diese Überlegungen auch woanders offen voranzutreiben. Sie will Deutschland gewisse Realitäten austreiben, nämlich das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen Kultureinflüssen. Millionen von Menschen sollen am besten raus, dieses völkische Gesicht hat sich bei der AfD durchgesetzt. Es ist der Traum eines Kinderschokoladengesichtslands, der nüchtern betrachtet auf allen Ebenen eine Katastrophe für Deutschland wäre. Nur sagen sie das nicht ganz so laut.

Die Reportergemeinschaft von "Correctiv" hat nun durch investigative Recherche im vergangenen November eine Veranstaltung bei Potsdam dokumentiert, an der lauter "Privatpersonen" teilnahmen. Es wurde zum Stelldichein von AfD-Politikern und neu- sowie altrechts eingestellten Personen aus verschiedenen Gruppen, die eines einte: die sogenannte "Remigration", alles drehte sich bei diesem Treffen um einen angeblichen "Masterplan" für den mobilisiert und Geld eingesammelt werden sollte. Dieser sei es, der alle Rechten im Grunde eine.

Und wer soll rausgehauen werden? Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und "nicht assimilierte Staatsbürger", wie es Martin Sellner nach Angaben von "Correctiv" in seinem Vortrag skizzierte. Der Chef der "Identitären Bewegung" weiter: Letztere seien aus seiner Sicht das größte "Problem". Denn die haben ja schon einen Pass. Aber ihm sind sie nicht deutsch genug. Denn Sellner und die bei dieser Veranstaltung Anwesenden denken völkisch – also ein "Raum" für ein "Volk", so wie ein Legokasten, in dem es Fächer für blaue und für grüne Steine gibt. Okay, das Leben ist anders, aber die dort Versammelten dachten offenbar, sie können Menschen wie Steine behandeln. Wir reden hier von 28 Prozent der Bevölkerung, die einen Migrationshintergrund haben. Viele von ihnen sind Deutsche mit einem deutschen Pass in der Tasche. Wenn aber Vater oder Mutter Eltern mit einer Einwanderungsgeschichte haben, sollten all diese raus. Irre, oder? Hatten wir aber alles schon mal.

Eben nicht nett zu Allen

Praktisch sieht das so aus: Da war zum Beispiel der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Das Straßenbild müsse sich ändern, ausländische Restaurants unter Druck gesetzt werden, sagte er laut "Correctiv". Es solle in Sachsen-Anhalt "für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben".

Oder die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, die nach Angaben von "Correctiv" auf der Veranstaltung sagte, die AfD argumentiere nicht mehr gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. "Denn dann kann man die deutsche wieder wegnehmen, sie haben immer noch eine." So wie Huy es ausdrückt, sollen Zuwanderer mit einem deutschen Pass in eine Falle gelockt werden, deutet es "Correctiv".

Sellner selbst redet über einen "Musterstaat", in den dann alle hinkönnten. "Dann habe man einen Ort, wo man Leute 'hinbewegen' könne. Dort gebe es die Möglichkeit für Ausbildungen und Sport. Und alle, die sich für Geflüchtete einsetzten, könnten auch dorthin." Der ist wirklich nett, der Sellner. Und so fürsorglich. Echte Kraft durch Freude.

Es wurde munter weiter geplaudert, auch mit anderen AfD-Politikern, wichtigen, von oben. Nun aber, seit der Veröffentlichung von "Correctiv", sei das ja nur eine Privatveranstaltung gewesen, heißt es. Nichts offizielles oder repräsentatives.

Man kann sich informieren

Das ist völlig egal. Die Rechte sieht sich im Aufwind, und sie will im Land ein Klima schaffen, mit dem sie ihre Vertreibungsphantasien realisieren kann. Es geht los mit Protesten gegen Wärmepumpen und endet mit Lagern. Und was da bei Potsdam in einem gepflegten Hotel besprochen wurde, ist nicht wirklich geheim. Denn die "Remigration" ist ein Klassiker bei der internen AfD. Sie träumt davon. Und macht immer weniger einen Hehl daraus.

Da ist zum Beispiel René Springer, der AfD-Bundestagsabgeordnete zählt sich nicht gerade zu den rechten Hardlinern der Partei, aber in Reaktion auf die Veröffentlichung schreibt er auf der Plattform X: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein #Geheimplan. Das ist ein Versprechen. Für mehr Sicherheit. Für mehr Gerechtigkeit. Für den Erhalt unserer Identität. Für Deutschland." Springer denkt in einer Identität, die sich aus Blutbahnen speist – und dem Glauben anhängt, Blut sei nicht Blut. Er sieht, in einem späteren Tweet, eine "ethnokulturelle Transformation unserer Gesellschaft" am Start.

Oder Björn Höcke, der 2018 in einem Buch von seiner Angst vor einem "Volkstod durch Bevölkerungsaustausch" schreibt. Als Gegenmittel nennt er die Remigration und damit einhergehend die Notwendigkeit einer "Politik der 'wohltemperierten Grausamkeit'". Aus Worten können Taten werden. Die AfD ist ein offenes Buch. Da ist wenig geheim. Und ginge es nach ihr, würde sich Deutschland zurückentwickeln – in ein Land nicht nur mit Atomkraftwerken, sondern auch mit Anderem.

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