Ein Kommentar von Hugo Müller-Vogg - Ricarda Lang jubelt schon, dabei ist das grüne Lieblingsprojekt fast tot

Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht nach den Gremiensitzungen ihrer Partei auf einer Pressekonferenz.<span class="copyright">picture alliance/dpa</span>
Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht nach den Gremiensitzungen ihrer Partei auf einer Pressekonferenz.picture alliance/dpa

Die Kindergrundsicherung ist eines der Prestigeobjekte der Grünen in der Ampel-Regierung. Doch die jüngsten Haushaltsbeschlüsse machen es extrem unwahrscheinlich, dass die Grünen das Projekt wie ursprünglich geplant umsetzen können. Die Grünen-Chefin Ricarda Lang ficht das nicht an.

Die Herren Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner gleichen drei Bauherren, die sich mühsam darauf geeinigt haben , wie der Rohbau aussehen soll. Beim Innenausbau hat aber jeder völlig andere, sich teilweise widersprechende Vorstellungen. Was noch schlimmer ist: Das dafür vorgesehene Geld reicht vorn und hinten nicht.

Das hält die Co-Vorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, nicht davon ab, das ihr am Herzen liegende Kinderzimmer schon mal einzurichten – mit allem Drum und Dran. Während Politiker aller drei Ampel-Fraktionen über die beschlossenen und noch drohenden Kürzungen klagen, ist Lang überzeugt, es sei immer noch Geld übrig für ein Herzensanliegen der Grünen: die Kindergrundsicherung.

Kindergrundsicherung: Ricarda Lang frohlockt

So verkündet Lang auf „X“ mit heiterer Gelassenheit: „Mit mehr Mitteln für Kindergeld, Kindersofortzuschlag u. höhere Inanspruchnahme verbessern wir die Lage von Familien konkret. Und legen die Grundlage für die Kindergrundsicherung.“

Und weiter: „Die Kindergrundsicherung ist wichtiges Vorhaben im Kampf gegen Kinderarmut. Ihre erste Stufe ist jetzt finanziell abgesichert. Aufbauend auf der Haushaltseinigung können wir nun die Verhandlungen im Bundestag abschließen und Kindergrundsicherung auf den Weg bringen.“

In der Tat bringen die Haushalts-Eckpunkte gewisse Verbesserungen für Familien mit Kindern: jeweils 5 Euro mehr beim Kindergeld und beim Kindersofortzuschlag für Bürgergeldbezieher. Aber mehr ist nicht drin.

"Größte sozialpolitischen Reformprojekt der Ampel“

Erinnern wir uns: Die Grünen hatten im Bundestagswahlkampf 2021 die Einführung der Kindergrundsicherung zu einem zentralen Thema gemacht. Sie wollten damit ihre sozialpolitische Kompetenz betonen. Ein wichtiges und richtiges Ziel: die Zusammenfassung der zahlreichen Sozialleistungen für Kinder.

Die grüne Familienministerin Lisa Paus jubelte nach der Wahl über das „größte sozialpolitischen Reformprojekt der Ampel“. Sie war aber nicht in der Lage darzulegen, wie die von zahlreichen Ämtern zu bewilligenden Familienleistungen gebündelt werden könnten. Das lässt sich angesichts unseres überbürokratisierten, nicht hinreichend digitalisierten und von einem übertriebenen Datenschutz eingeengten Staatsapparats allerdings viel leichter fordern als umsetzen.

Was Paus dazu einfiel, führte selbst in der eigenen Partei zu Kopfschütteln. Die Vereinfachung sollte mit einer neuen Behörde und 5000 zusätzlichen Staatsbediensteten erreicht werden. Der Koalitionspartner FDP war wiederum strikt gegen Paus‘ Absicht, diese Sozialleistungen als „Bringschuld“ des Staates zu betrachten, also den Familien hinterherzutragen.

Projekt krankte an vielen Stellen

Das ganze Projekt litt von Anfang an darunter, dass Paus stets unterschiedliche Angaben zu den konkreten Veränderungen und den Kosten machte. Anfänglich forderte sie 12 Milliarden Euro pro Jahr. Schließlich musste sie sich mit einer Zusage von 2,4 Milliarden Euro für 2025 zufriedengeben.

Wenn nun Kindergeld und Kindersofortzuschlag getrennt erhöht werden sollen, zementiert das die Aufsplitterung der Leistungen für Familien. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Paus erreichen wollte. Denn ursprünglich sollte der Sofortzuschlag für Kinder im Bürgergeld mit Einführung der Kindergrundsicherung im Jahr 2025 auslaufen.

Auch wenn Scholz, Habeck und Lindner bei ihrem Kompromiss keine Aussage zur Kindergrundsicherung gemacht haben, hat das Projekt praktisch keine Chance mehr. Zwischen den Fraktionen wird zwar noch gesprochen, aber es gibt noch immer keinen entscheidungsreifen Gesetzesentwurf mit klaren Aussagen zu den Kosten.

Es klingt nach einer Beerdigung des Vorhabens

Wirtschaftsminister Habeck hat inzwischen darauf hingewiesen, dass mit den Haushaltsbeschlüssen die Lage ärmerer Familien verbessert werde. Auch würden inzwischen mehr Bürgergeldbezieher den Sofortzuschlag in Anspruch nehmen. Damit sei ein wichtiges Ziel der Kindergrundsicherung „quasi erreicht.“ Das klingt nach einer Beerdigung weitergehender Pläne.

Das alles ficht die Obergrüne Lang, ohnehin mit einem sonnigen Gemüt ausgestattet, nicht an. Sie glaubt die Kindergrundsicherung auf der Basis der Haushalts-Eckwerte „auf den Weg bringen“ zu können.

Es ist ja verständlich, dass die Grünen den Wählern 2025 mehr anbieten wollen als ein verkorkstes Heizungsgesetz, die Freigabe von Cannabis und die Möglichkeit zum jährlichen Wechsel des Geschlechts.

Ampel-Partner haben sich auf globale Minderausgabe geeinigt

Ein neues Konzept, das die Leistungen für Familien mit Kindern möglichst bei einer Behörde zusammenfasst, die Beantragung vereinfacht und antragsberechtigte Eltern nicht abschreckt, wäre so ein Projekt. Nur war die grüne Ministerin nicht in der Lage, ein solches auszuarbeiten.

Die drei Ampel-Partner sind mit sich insofern zufrieden, als ihre Koalition am Haushalt 2025 nicht zerbrochen ist. Vorerst, muss man da hinzufügen. Denn im Etatentwurf klafft eine Lücke von 16 Milliarden Euro.

Scholz, Habeck und Lindner, die Herren der Haushaltslöcher, haben sich deshalb auf eine „Globale Minderausgabe“ geeinigt. Das heißt, diese 16 Milliarden sollen noch eingespart werden. Aber niemand weiß, wo welche Abstriche gemacht werden müssen.

Da haben Langs Ankündigungen, trotz an allen Ecken und Enden fehlender Finanzmittel ließe sich die Kindergrundsicherung locker einführen, etwas von kindlicher Naivität. Aber gut: Es geht ja um das Kinderzimmer im rot-grün-gelben Traumhaus.