Kommentar von Josef Seitz - Deutschland muss reden - und ARD und ZDF schicken Miosga, Klamroth und Co. in die Ferien

Caren Miosga (l), Moderatorin, spricht vor Beginn der Aufzeichnung ihrer Polittalk-Sendung «Caren Miosga» mit ihrem Gast Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender.<span class="copyright">Monika Skolimowska/dpa</span>
Caren Miosga (l), Moderatorin, spricht vor Beginn der Aufzeichnung ihrer Polittalk-Sendung «Caren Miosga» mit ihrem Gast Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender.Monika Skolimowska/dpa

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen schickt seine Kritikfähigkeit in die großen Ferien. Die allerlängste Sommerpause verordnet das Erste seiner Talkerin Caren Miosga: Bunte Bilder statt Politik, Pleiten und Pannen. Mit den Sommerinterviews macht das TV sein Trauerspiel perfekt.

Sommer ist die schönste Zeit des Jahres. Vor allem für Politiker. Während Deutschland auf maroden Autobahnen im Urlaubsstau steht, bekommen sie freie Fahrt für vogelfreie Ampelpolitik. Das Fernsehen schaltet artig seine Talkshows ab. Wo sonst Caren Miosga freundlich lächelnd einen Politiker im Einzelgespräch quält, versendet man gerne irgendeinen Recycling-„Tatort“ aus der Fernsehgeschichte.

Wo man sich der politischen Arbeit „Hart aber fair“ annähern will, hofft das ZDF auf die Europameisterschaft. Was für eine Einladung für die Politik: 25,7 Millionen Menschen saßen schon vor dem letzten Spiel der deutschen Mannschaft in der Gruppenphase – wer Fußball guckt, schaut bei anderen Themen weg. Die Demokratie verrutscht im Fernsehen in Richtung Monarchie. König Fußball regiert. Und auch sonst setzen die öffentlich-rechtlichen Medien auf Unterhaltungsprogramm.

Friede, Freude, Fernsehunterhaltung

Eine absurd lange Sommerpause ist Caren Miosga verordnet. Elf Wochen lang spart sich das Erste seine Sonntagstalkerin. Illner kommt für ein Kurzgastspiel diesen Donnerstag zurück – und das mit einem Thema, das sich liest wie eine Wiederholung aus dem vergangenen Jahr: „Der Corona-Schock – eine Pandemie und die Folgen“. Vom 25. Juli an darf sie sich dann sechs Wochen lang erholen.

Maischberger verstummt bis zum 21. August, mit Kurzunterbrechung am 3. Juli. Louis Klamroth mit seinem sogenannten „Hart aber fair“, das er von Frank Plasberg als damals noch ernstzunehmendes „Hart aber fair“ übernommen hat, pausiert bis zum 5. August. Das macht dann auch acht Wochen Ferien.

Dabei gäbe es mehr als genug zu bereden. In den Leistungstabellen für Wirtschaftskraft rutscht die Bundesrepublik immer weiter ab, aktuell liegt sie im renommierten WCC-Ranking der leistungsfähigsten Volkswirtschaften hinter Israel und Luxemburg, Platz 24.

In der Ukraine tobt der Krieg, im Gazastreifen die Gewalt, in Deutschland der Streit, wie sich das Asylrecht vor denen retten lässt, die es missbrauchen, die Welt ist in Unordnung.

Und das deutsche TV spielt Friede, Freude, Fußball und Fernsehunterhaltung. „Donna Leon“ statt „Maischberger“. „Tatort“-Wiederholung statt „Miosga“. Bunte Bilder anstelle von Politik, Pleiten und Pannen.

Viel Gebührenaufwand für nichts

Tatsächlich geht es noch schlimmer. Schon der Auftakt zu den Sommerinterviews diesen Sonntag lässt Schlimmes ahnen für die kommenden Wochen. Bundeskanzler Olaf Scholz schwurbelt sich durch Endlossätze im Ersten – und allein der Fragensteller empfindet die Antworten vornehm als „sibyllinisch“.

Im ZDF setzt sich Oppositionschef Friedrich Merz dekorativ vor den blauen See, um blauäugig so zu tun, als wäre seine CDU umfassend auf der Erfolgsspur. Die beiden dürfen in den nächsten Wochen dann auch noch zum Doppelschlag ausholen – genauso wie Christian Lindner und Markus Söder.

Einmal ARD. Einmal ZDF. Damit auch wirklich keiner in keinem der großen öffentlich-rechtlichen Sendern ihren Botschaften entgeht. Beim Kanzler-Auftritt kämpfen 1,52 Millionen Zuschauer mit dem Schlaf.

Bei Friedrich Merz überzeugen sich immerhin 2,49 Millionen, dass er mit Frauen nicht gut kann. Da versagt Diana Zimmermann zwischendurch fast die Stimme. Dass ARD und ZDF den Politikern im Sommer Schauplätze zur Selbstinszenierung freiräumen, hat eine lange Tradition. Helmut Kohl begründete die Sommerinterview-Arie mit seinen legendären Auftritten am Wolfgangsee.

Nur Angela Merkel zeigte sich dienstbeflissen in Berlin. Während Joschka Fischer sich einst sogar in der Toskana besuchen ließ. Im Kern bedeutet das jetzt schon im vierten Jahrzehnt: viel Gebührenaufwand für nichts.

Sommer bleibt die schönste Zeit des Jahres. Vor allem für Politiker. Und für den Fernsehzuschauer? Da ist es meist informativer, der Sommersonne beim späten Untergehen zuzuschauen.