Sozialforscher Herteux - Mit Verzicht auf Kanzlerkandidatur tut Baerbock den Grünen einen Gefallen

Bundesaußenministerin Baerbock reist durch Nahost-Länder<span class="copyright">dpa</span>
Bundesaußenministerin Baerbock reist durch Nahost-Länderdpa

Die viel beschäftigte Außenministerin Annalena Baerbock hat auf die Kanzlerkandidatur verzichtet und damit den internen Machtkampf gegen Robert Habeck bei den Grünen verloren. Sozialforscher Andreas Herteux glaubt nicht, das dies der Anfang des Endes ihrer politischen Karriere ist. Baerbock ist erst 43.

Ist Baerbocks Karriere bald am Ende?

Es ist soweit, Annalena Baerbock hat offiziell verzichtet und damit dürfte der interne Machtkampf der Grünen um die Kanzlerkandidatur entschieden sein.

Dabei hatte sie sich noch einmal bemüht, den Verlauf der Geschichte zu ihren Gunsten zu wenden. Ja, es blieb den Beobachtern nicht verborgen; in den letzten Wochen gab es einige Versuche von Seiten der Außenministerin, sich erneut, sowohl medial als auch parteiintern, ins Spiel um die Kanzlerkandidatur zu bringen.

Was hätte sie auch tun sollen?

Alles lief gegen sie und es bedurfte gezielter Anstrengungen, um Reaktionen zu sammeln und sich vor allem gegenüber Robert Habeck zu positionieren, der im Moment aktiv an einer Nominierung arbeitet und sich hierfür auch ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut hat.

Die Kampagne verlief für Baerbock nicht erfolgreich, denn weder gab es in der Summe ein wohlwollendes Echo, noch fanden sich prominente Unterstützer. Auch bei den Grünen selbst, sind die befürwortenden Stimmen nicht sonderlich laut zu hören gewesen.

Der „Realo-Flügel“, zu dem auch Annalena Baerbock gehört, steht überwiegend hinter Habeck. Der postmaterielle Teil der Partei hat inzwischen etwas an Einfluss eingebüßt und positionierte sich auch nicht im Sinne der Außenministerin.

Besagte Bemühungen fruchteten nicht und eine trotzige Kampfkandidatur hätte sie nicht nur verloren, sondern sich damit womöglich sogar parteiintern dauerhaft beschädigt. Aus dieser Perspektive heraus kommt ein offizieller Verzicht wenig überraschend.

Lehre Phrasen: So begründete Baerbock den Verzicht offiziell

Die Erklärung hierfür erscheint erhellend und fand den entsprechenden Rahmen in Washington am Rande des Nato-Gipfels. Annalena Baerbock verweist dabei auf die aktuellen Krisen und die Notwendigkeit sich auf aktuelle Aufgaben konzentrieren zu wollen:

„[..] Daher bedeutet in diesen extremen Zeiten staatspolitische Verantwortung als Außenministerin für mich: Statt in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen, Vertrauen, Kooperation und verlässliche Strukturen zu bilden - für und mit so vielen Partnern weltweit und in Europa, die darauf bauen.“

Das sind am Ende, so ehrlich muss man sein, nur gesichtswahrende Phrasen für das Ende großer Ambitionen, denn gleiches gilt wohl für jeden Verantwortungsträger in schwierigen Zeiten. Im Übrigen auch für jene Perioden, die etwas leichter zu ertragen sind, denn Teilzeitjobs dürften in der höheren Politik recht selten vorkommen.

Die Aussage selbst soll inhaltlich eine gewisse Selbstlosigkeit demonstrieren, ist aber so formidabel formuliert, dass sie womöglich manchen Zeitgenossen suggeriert, dass Robert Habeck , der vermutlich antreten wird, seinen Aufgaben als Wirtschaftsminister bald nicht mehr „voll und ganz“ nachgehen kann, da ihn primär der Wahlkampf beschäftigen wird.

Irgendwie wirkt das ganze auch sinnbildlich für so vieles, das bei der feministischen Außenpolitik beginnt und bei unglaublichen  Styling-Kosten leider noch nicht enden wird. Aus dem Versuch staatstragend zu wirken, wird so die nächste unglückliche Formulierung .

Baerbocks Zukunft: Gab es interne Zusagen bei den Grünen?

Eine Kandidatur hätte ihr im Übrigen sicher nicht die Kanzlerschaft gebracht, wohl aber eine bedeutende Rolle in der Opposition oder gar ein weiteres Ministeramt bei einer etwaigen Regierungsbeteiligung. Auf der anderen Seite könnte der Verzicht mit internen Zusicherungen verbunden gewesen sein. Wir wissen es im Moment nicht.

Man darf an dieser Stelle aber nicht vergessen, dass Baerbock gerade einmal 43 Jahre alt ist und noch einiges im Leben vorhaben dürfte. Es ist daher nicht zu leugnen, dass ihre Karriere eine herausfordernde Periode erreicht hat, die über ihr politisches Schicksal entscheiden wird.

Gleich wie; die Grünen werden den Entschluss mit Erleichterung wahrgenommen haben. Es erspart ihnen nicht nur interne Auseinandersetzungen, sondern sie können nun mit Habeck als Zugpferd – im Vergleich zur Marke Baerbock - relativ unbelastet in den Wahlkampf ziehen. Er ist aus Sicht der Partei zweifellos der bessere Kandidat.

Grundsätzlich profitieren Parteien immer durch eine Kanzlerkandidatur

Ob es überhaupt in im aktuellen Zustand der Grünen Sinn macht, einen solchen, wagen wir uns an eine progressive Wortneuschöpfung, „Kanzlerambitionator“ aufzustellen? Ja, es macht Sinn, denn die Kandidatur bringt für die Grünen kostenlose Aufmerksamkeit, Berichterstattung und Sendezeit, die sich für den kommenden Wahlkampf nutzen lässt.

Dass eine Kanzlerschaft im Moment nicht realistisch erscheint ist daher vollkommen belanglos. Solche Nominierungen sollten immer aus dem Blickwinkel des politischen Marketings gesehen werden, nicht auf Basis irgendwelcher realistischen Möglichkeiten.

Grundsätzlich kann man eine Kandidatur für alle Parteien, die einen prominenten Spitzenkandidaten haben, nur empfehlen.

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