Kommentar: Steinmeiers erstes Jahr ist eine Pleite

In seinem ersten Amtsjahr setzte Bundespräsident Steinmeier kaum Akzente (Bild: REUTERS/Axel Schmidt)
In seinem ersten Amtsjahr setzte Bundespräsident Steinmeier kaum Akzente (Bild: REUTERS/Axel Schmidt)

Der Bundespräsident blieb unsichtbar und setzte keine Themen. Das war zu erwarten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Das beste an der Bundespräsidentschaft von Frank-Walter Steinmeier ist, dass er nicht Joachim Gauck heißt. Der konnte zwar besser reden und Leute begeistern – war aber ein Mann von vorgestern, begriff neue politische Entwicklungen nicht im Ansatz und hatte sich in seinen alten Nationalstaatsideen verirrt. Fatal wurde es dann dadurch, dass Gauck vor Selbstliebe schier platzte.

All dies ist Steinmeier nicht. Er wirkt viel bescheidener, macht sich nicht unnötig wichtig, kommt mit den Leuten genauso leicht ins Gespräch wie Gauck – und er muss nicht so tun, als ob sie ihn interessierten; Steinmeier kennt tatsächlich Sorgen, Nöte, Hoffnungen und Glück in Deutschland. Steinmeiers Unaufgeregtheit, sein Pragmatismus, die entspannte Zuversicht und sein Technokratenblick vermitteln Ruhe und Zuverlässigkeit, davon kann man in diesen unruhigen Zeiten viel gebrauchen. Aber all das kriegt der Bürger auch von Angela Merkel. Die Aufgabe des Bundespräsidenten wäre eine andere, und bei der versagt Steinmeier weitgehend.

Steinmeier bleibt blass

Als er vor genau einem Jahr ins Amt kam, glitt er dermaßen geräuschlos hinein, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Und vielleicht stimmt das auch: Wo sind die Akzente des Außenministers Steinmeier gewesen? Standpunkte, Werte, mutige Versuche sind nicht dokumentiert. Der neue Job im Schloss Bellevue war all dies, nur viel weniger stressig – und so ließ es Steinmeier ruhig angehen. Den aufkommenden Wahlkampf nahm er zum Anlass, wenige Kanten zu zeigen und vor allem als nicht parteiisch zu wirken – aber darin übertrieb er gründlich.

Denn ein Bundespräsident hat eine wichtige Aufgabe im Land. Er erschnüffelt, welche Debatten notwendig sind und beginnt sie, manchmal moderiert er sie auch. Von Steinmeier ist nur überliefert, dass er gebetsmühlenartig “ehrliche Debatten” einfordert, sie aber selbst nicht führt. Bisher redete der Bundespräsident ins Blaue hinein. Das ist zu wenig. Aber es entspricht dem bisherigen Politikerleben Steinmeiers.

Der Mann kommt von hinter den Kulissen. Er organisierte und koordinierte, Visionen waren seine Sache nie. Muss auch nicht sein. Aber warum wollte er dann Bundespräsident werden? Steinmeier, eine durchaus redliche Persönlichkeit (auch wenn er große Schuld im Fall Murat Kurnaz auf sich nahm, als er sich dafür einsetzte, ihn trotz seiner Unschuld im Gefangenenlager Guantanamo weiter einsitzen zu lassen) reizte wohl die Größe des Amtes, das Ansehen, wer mag das nicht?

Außer GroKo keine Meriten

Einen Verdienst hatte er. Als das schon fest eingeplante Jamaika-Regierungsbündnis aus Union, Grünen und FDP am liberalen Strategiedenken und anderem Unvermögen scheiterte, war es Steinmeier, der seinen ehemaligen Genossen ins Gewissen redete und bei der SPD für den nötigen Schwenk sorgte, sich einer Regierungsverantwortung doch zu stellen. Wir verdanken ein Stück weit Steinmeier, dass wir heute eine stabile Regierung haben.

Aber nun steckt er in zu großen Schuhen. Entweder er entwickelt ein Gespür und eine Meinung zu den Zeitläuften – oder dient dem Land zu wenig. Ein Bundespräsident, der anspricht, was die Leute beschäftigt, Diskussionslinien vorgibt und immer unsere Verfassung als Leitplanke dabei aufstellt, wäre nicht parteiisch. Er würde uns helfen, manche Sprachlosigkeit zu überwinden. Steinmeier dagegen hilft uns nur, schneller einzuschlafen.

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