Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
Washington/Odessa (dpa) - Die US-Regierung hat der Ukraine die Erlaubnis erteilt, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Dies gelte ausschließlich für Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw, teilte ein US-Regierungsvertreter der dpa in Washington mit.
Das ukrainische Militär solle in die Lage versetzt werden, gegen russische Streitkräfte vorzugehen, «die sie angreifen oder sich vorbereiten, sie anzugreifen». Davon abgesehen bleibe der Einsatz von US-Waffen auf Ziele in Russland aber verboten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius kündigte unterdessen während eines Besuchs in der südukrainischen Hafenstadt Odessa ein neues deutsches Waffenpaket im Umfang von einer halben Milliarde Euro an.
Berichte: USA erlauben begrenzt Einsatz von US-Waffen
Ob die Ukraine sämtliche vom Westen gelieferten Waffen auch für Angriffe auf militärische Ziele in Russland nutzen können sollte, wird unter Nato-Staaten kontrovers diskutiert. Die Ukraine fordert dies seit längerem, um russische Stellungen in dem seit mehr als zwei Jahren andauernden Krieg effektiver bekämpfen zu können. Bisher setzt das Land dafür vor allem eigene Raketen und Drohnen ein. Die westlichen Waffen zielen bislang in erster Linie auf russische Stellungen in den von Moskau besetzten Gebieten der Ukraine.
Länder wie die USA und Deutschland haben die Abgabe von bestimmten Waffensystemen nach Angaben aus Bündniskreisen zum Teil an strenge Auflagen für deren Nutzung gekoppelt. Hintergrund ist die Befürchtung, dass der Konflikt mit Russland weiter eskalieren und die Nato zur Kriegspartei werden könnte.
Bundeskanzler Olaf Scholz wurde bei einem Bürgergespräch in Erfurt nach seiner Haltung gefragt, ob die Ukraine aus dem Westen gelieferte Waffen gegen auf russischem Territorium einsetzen dürfe. Darauf antwortete der Kanzler: «Die Ukraine ist angegriffen, deshalb hat sie viele Handlungsmöglichkeiten, die ihr das Völkerrecht bietet. Und gleichzeitig haben wir ja mit der Ukraine Vereinbarungen getroffen, die wir nicht ändern müssen.»
Zugleich lehnte Scholz die Entsendung von Truppen westlicher Länder in die Ukraine erneut ab, ebenso wie die Idee einer vom Westen gesicherten Flugverbotszone in der Ukraine.
Pistorius kündigt neues Hilfspaket an
«Wir werden euch in diesem Abwehrkampf weiterhin unterstützen», sagte Pistorius bei einem Treffen mit seinem ukrainischen Kollegen Rustem Umjerow in Odessa. Einiges an Material stehe unmittelbar vor der Auslieferung. In dem Waffenpaket sei eine hohe Zahl von Flugkörpern für Flugabwehrsysteme vom Typ Iris-T SLM mit mittlerer Reichweite und eine kleinere Zahl von SLS-Flugkörpern mit kürzeren Reichweiten enthalten, sagte der SPD-Politiker.
Zudem gehe es um Drohnen zur Aufklärung und zum Kampf im Schwarzen Meer, um dringend benötigte Ersatzteile wie etwa Ersatzrohre für die von Deutschland gelieferten Artilleriesysteme sowie um Austauschmotoren für Kampfpanzer vom Typ Leopard. Zur Verfügung gestellt werde auch eine Million Schuss Munition für Handwaffen. Vom Jahr 2025 an solle die Auslieferung von 18 neuen Radhaubitzen der neuesten Bauart folgen, ergänzte Pistorius.
Nato-Generalsekretär: Alliierte tun nicht genug
Kurz zuvor hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg einmal mehr dafür geworben, Beschränkungen für die Nutzung westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland aufzuheben. Der Norweger kritisierte zudem die militärische Unterstützung für die Ukraine als unzureichend und forderte zusätzliche Anstrengungen der Alliierten.
«Die Wahrheit ist, dass das, was wir bisher getan haben, nicht genug ist», sagte Stoltenberg kurz vor dem Beginn eines zweitägigen Treffens der Außenminister der Nato-Staaten in Prag. In den vergangenen Monaten habe man etwa große Defizite bei der Bereitstellung von Luftverteidigungssystemen und Munition gesehen.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwies in seiner abendlichen Videoansprache darauf, wie wichtig internationale Unterstützung bei der Luftverteidigung seines Landes sei. Zugleich dankte er allen Ländern, die der Ukraine dabei bereits helfen.
Moskau kritisiert Lieferung von F-16-Kampfjets
Mit Blick auf die westliche Unterstützung für die Ukraine hat Russland seine Kritik an den geplanten Lieferungen von F-16-Kampfjets bekräftigt. Flugzeuge dieses Typs seien auch aus dem Nato-Konzept der sogenannten nuklearen Teilhabe bekannt, wo sie als Transportmittel vorgesehen seien, sagte Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview, das die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti veröffentlichte.
«Deshalb können wir nicht anders, als die Lieferung dieser Systeme an das Kiewer Regime als eine bewusste Signalhandlung der Nato im nuklearen Bereich zu betrachten.» Russlands Propagandaapparat hat die F-16-Lieferungen an die Ukraine bereits mehrfach als potenzielle Nuklearbedrohung dargestellt. Es steht allerdings überhaupt nicht zur Debatte, dass die Ukraine die Flugzeuge mit Atomwaffen bestücken könnte.
Was heute wichtig wird
In Tschechiens Hauptstadt Prag wird das Nato-Außenministertreffen fortgesetzt. Bundesverteidigungsminister Pistorius besucht derweil die an die Ukraine grenzende Republik Moldau.
Zudem beendet die Nato nach rund vier Monaten ihr größtes Manöver seit Jahrzehnten. Laut Angaben aus dem Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Europa waren an der Übung Steadfast Defender (etwa: «Standhafter Verteidiger») mehr als 90.000 Soldatinnen und Soldaten sowie mehr als 50 Kriegsschiffe und 1100 Gefechtsfahrzeuge beteiligt. Hinzu kamen mehr als 80 Flugzeuge, mit denen Hunderte Flüge absolviert wurden. Trainiert wurde insbesondere die Alarmierung und Verlegung von nationalen und multinationalen Landstreitkräften an die Nato-Ostflanke, vom Polarkreis bis in die rumänischen Karpaten.