Nach diesem TV-Duell kann Hillary Clinton aufatmen – für einen Moment

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90 Minuten lang standen sich Hillary Clinton und Donald Trump gegenüber. Mit schweren Vorwürfen überzogen sich die beiden Kandidaten für das Amt des US-Präsidenten – doch am Ende wollte einer nur noch weg.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Ein Satz drückt aus, was eineinhalb Stunden gesagt worden ist: „Wo haben Sie das denn gefunden?“, fragte Donald Trump entwaffnet und entwaffnend zugleich, als Hillary Clinton am Ende ihm einen seiner zahllosen abwertenden Sprüche über Frauen vorhielt – und diesmal einen bisher unbekannten aus dem Köcher zog.

Trump zeigte sich genervt. In die Ecke getrieben. Dabei hatte es so gut für ihn angefangen. Das Fernsehduell der beiden Kandidaten war ein Ereignis der Superlative. Die Demokratin gegen den Republikaner, die Politprofessionelle gegen den Immobilienmilliardär: Hundert Millionen Zuschauer allein in den USA wollten das sehen. Tausend Journalisten hatten sich für den Event an der Hofstra University in Hempstead, unweit von New York, akkreditiert.

Auf diese TV-Runde der Beiden hatte die Nation gewartet, denn die Rivalen liegen in den Umfragen fast gleichauf, und der Wahlkampf ist eine bisher unvergleichbare Kette von Inszenierungen und Effekten – eine Reality-TV-Show schlechthin. Entsprechend zugespitzt dieses Aufeinandertreffen.

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Entlang der Themen Wirtschaft, innere Sicherheit und Außenpolitik erhielten Clinton und Trump die Gelegenheit inhaltliche Pflöcke zu schlagen. Dabei beschrieb sich Clinton als Tochter eines Polsterers aus dem Mittelstand. Trump dagegen bezeichnete sich als jemanden, der weiß, wie man mit Geld umgeht. Clinton stellte Trump als Abzocker und Sohn eines Reichen dar, der einfach Glück gehabt habe und keine Steuern zahle. Trump dagegen beschwor immer wieder das Bild von Clinton als Angehörige des Polit-Establishments, die seit 30 Jahren in der Politik wurstele.

Zwei verschiedene Amerikas

Die inhaltlichen Gegensätze: Clinton warb für höhere Steuern für Superreiche, Trump für das Gegenteil. Clinton forderte, dass zwischen den Kommunen und der Polizei mehr Vertrauen wachsen müsse, während Trump „Law and Order“ propagierte. Und in der Außenpolitik präsentierte sich Clinton als bündnistreue Diplomatin, während Trump die USA als Zahlmeister der Welt hinstellte.

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Doch auf die Inhalte kam es weniger an, mehr, wie man sich präsentierte – ob die Zuschauer die Kandidaten für fähig halten. Anfangs punktete Trump mit ständigen Unterbrechungen, während Clinton Probleme hatte, eine Argumentationskette aufzubauen. Beide sprachen von unterschiedlichen Amerikas: Clinton verwies auf die Fortschritte der Diplomatie und auf das Wirtschaftswachstum. Trump sah überall nur „Desaster“ und „Schlamassel“, die „Hölle“. Direkt auf Argumente des anderen gingen beide kaum ein.

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Im Lauf der Debatte gewöhnte man sich schon an die Unterbrechungen Trumps, auch weil er nicht so aggressiv und beleidigend unterwegs war wie erwartet. Nur seine Hände zerhackten vor ihm die Luft, als stünde er in einem Sägewerk. So trieb er Clinton anfangs auch in die Enge mit dem Vorwurf, das Polit-Establishment (und damit Clinton) habe schlechte Handelsabkommen mit anderen Ländern erzielt, weswegen zahllose Jobs die USA verließen. Die wolle er mit niedrigeren Steuern zurückholen.

Auch beim anschließenden Themenkomplex der inneren Sicherheit konnte Trump punkten, indem er schlicht den Polizisten gab, der nicht fragt, sondern aufräumt. Zumindest bei seinen Stammwähler wird das Sheriff-Gehabe angekommen sein; Clinton dagegen wirkte etwas undeutlich mit ihren Appellen an ein besseres Miteinander.

Doch es kam, wie schon vorausgesagt wurde.

Je länger die Debatte dauerte, desto schlechter lief es für Trump. Noch nie hat er sich über 90 Minuten einem Sachgespräch gestellt – und von Minute zu Minute wirkte er hilfloser.

Wer hat die Statur?

Immer wieder hielt ihm Clinton seine schrägen Sprüche vor: dass er seine Steuererklärung nicht veröffentlicht, dass er am Geburtsort Barack Obamas zweifelte (und damit daran, dass der „echter“ US-Amerikaner sei), dass er in seinen Immobilien Schwarze diskriminiere; es wollte gar nicht aufhören. Dabei wirkte Clinton ruhig und durchaus sympathisch. Sie hatte die erste Hälfte der Debatte überstanden, nun landete sie einen Konter nach dem anderen.

Trump verhedderte sich zu diesem Zeitpunkt in Aussagen, die bestenfalls als komisch empfunden werden können. Zu Cyber-Attacken gegen US-Einrichtungen sagte er, die könnten auch von China stammen, oder von einem jungen Nerd; dabei ist die russische Urheberschaft erwiesen. Seine damalige Unterstützung des US-Krieges gegen den Irak 2003 leugnete er mit Verweis auf „Mainstreammedien“, die das verbreitet haben – dies ist wohl die amerikanische Variante der „Lügenpresse“. Und eine Botschaft an Deutschland hatte er: „Wir verteidigen Japan, Südkorea und Deutschland, aber sie bezahlen uns nicht dafür.“ Die würden Millionen Autos „in unserem Land“ verkaufen; ein Land, das so viel verdiene, solle sich auch selbst verteidigen. Da wird man im Kanzleramt in Berlin heiße Ohren bekommen haben.

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Trump sehnte sich also innerlich das Ende des Duells herbei, wiederholte nur noch seine Parolen. Und sagte über Clinton: „Sie sieht nicht aus wie eine Präsidentin, und sie hat nicht die Statur dafür.“ Da müsse man hart verhandeln können. Was Trump damit meinte: einen kernigen Typen wie ihn brauche man halt dafür. Clinton konterte mit den vielen Reisen, die sie als Außenministerin gut überstanden hatte, und ganz klar: Während Trump immer angestrengter wirkte, stand Clinton locker, erschien physisch präsenter und robuster als ihr Rivale.

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In seinem Schlussstatement redete Trump, ganz bei sich, noch von den hunderten Millionen von Dollars an Negativwerbung, die das Clinton-Lager ausgegeben, bis er sich darauf besann, vielleicht doch etwas Perspektivisches zu sagen, was in den Worten endete: „Ich mach Amerika wieder groß.“ Mehr gab es nicht.

Im Fazit geht diese TV-Runde nach Punkten an Clinton. Fortsetzung folgt, in zwei weiteren Fernsehduellen, bis zur Wahl am 8. November.

Bilder: dpa/AP

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