Parlamentswahl in Indien: Dritte Amtszeit trotz Dämpfers für Premier Modi

Bei der Parlamentswahl in Indien hat Premierminister Modi erneut den Sieg davongetragen. Allerdings straften die Wähler den Hindunationalisten ab, dessen Partei BJP die absolute Mehrheit verlor. (Money SHARMA)
Bei der Parlamentswahl in Indien hat Premierminister Modi erneut den Sieg davongetragen. Allerdings straften die Wähler den Hindunationalisten ab, dessen Partei BJP die absolute Mehrheit verlor. (Money SHARMA)

Der seit zehn Jahren amtierende indische Premierminister Narendra Modi hat die Parlamentswahl im bevölkerungsreichsten Land der Welt gewonnen. Allerdings verpassten die Wähler Modi und seiner hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) einen Dämpfer: Wie die Wahlbehörde am Dienstag nach Auszählung von fast 99 Prozent der Stimmen verkündete, wurde die BJP mit 36,7 Prozent der Stimmen zwar erneut stärkste politische Kraft, musste gegenüber der Wahl 2019 allerdings deutliche Verluste hinnehmen.

Die hindunationalistische BJP kam auf 239 Sitze und konnte erstmals seit zehn Jahren keine absolute Mehrheit im 543 Sitze zählenden Parlament erreichen. Die Partei ist somit für das Regieren auf ihre Koalitionspartner angewiesen. Nach dem von der Wahlkommission veröffentlichten Teilergebnis kommt die Koalition unter Führung von Modis BJP auf mindestens 291 Sitze in Neu Delhi. Das sind weniger als die BJP vor fünf Jahren erhielt, als sie allein schon auf 303 Sitze kam.

Modi zeigte sich trotz der Verluste zufrieden mit dem Ergebnis: Indien habe "zum dritten Mal in Folge" sein Vertrauen in die Regierungskoalition gesteckt, schrieb im Onlinedienst X. "Wir werden die gute Arbeit des vergangenen Jahrzehnts fortsetzen, um die Wünsche der Menschen weiterhin zu erfüllen."

Die oppositionelle Kongresspartei konnte den Ergebnissen zufolge bei der Wahl ihre Parlamentssitze von 52 auf 99 nahezu verdoppeln. "Das Land hat Narendra Modi gesagt: 'Wir wollen dich nicht'", sagte der Parteivorsitzende Rahul Gandhi vor Journalisten.

Modi selbst wurde in seinem Wahlkreis mit einem Vorsprung von 152.300 Stimmen wiedergewählt. Vor fünf Jahren betrug die Differenz noch fast eine halbe Million Stimmen. Modis wichtiger politischer Rivale, der Regierungschef des Hauptstadt-Bundesstaats Delhi, Arvind Kejriwal, sitzt im Gefängnis. Er war im März, kurz vor Beginn der Parlamentswahl, wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert worden.

Modis politische Gegner und internationale Menschenrechtsgruppen beklagen seit Langem einen Demokratieabbau in Indien. Nach Erkenntnissen des US-Think-Tanks Freedom House nutzt die BJP zunehmend Regierungsinstitutionen, um gegen politische Gegner vorzugehen. Die Opposition und Menschenrechtsgruppen werfen Modi zudem vor, die hinduistische Mehrheit im Land zu bevorzugen. So bezeichnete Modi die 210 Millionen Muslime im Land im Wahlkampf als "Eindringlinge" und "diejenigen mit mehr Kindern". Beschwerden der Opposition über den Regierungschef blieben folgenlos.

Modi wiederum beschuldigte die Kongresspartei, eine Umverteilung des Reichtums im Land an muslimische Haushalte vorantreiben zu wollen. Indien ist ein säkularer Staat. Laut Wahlgesetz sind Kampagnen, die auf Stimmungsmache gegen einzelne Bevölkerungsgruppen abzielen, verboten.

In den zehn Jahren der Regierung Modi ist Indien zum wichtigen außenpolitischen Akteur geworden. Trotz der Hinweise auf einen zunehmenden Autoritarismus der Regierung wird Indien von westlichen Staaten als wichtiges Gegengewicht zu China in Asien gesehen und ist nicht zuletzt wegen seiner Digitalwirtschaft ein wichtiger Handelspartner.

Die Parlamentswahl in Indien ist der größte demokratische Urnengang der Welt. Bis zum Samstag waren sechs Wochen lang mehr als 968 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Auszählung erfolgte durch spezielle Zählcomputer.

Angesichts des guten Abschneidens der Opposition fiel an der Börse der indische Leitindex Sensex am Dienstag vorübergehend um sieben Prozent. Der Kurs der größten börsennotierten Sparte des Konzerns Adani Enterprises brach um 25 Prozent ein; dessen Eigentümer Gautam Adani ist ein wichtiger Verbündeter Modis.

Die Wahlbeteiligung lag bei 66,3 Prozent, 2019 waren es 67,4 Prozent gewesen. Die etwas niedrigere Beteiligung wurde auch auf die Hitzewelle zurückgeführt, unter der Indien derzeit leidet. Allein im Bundesstaat Uttar Pradesh starben am Samstag, dem letzten Tag der Parlamentswahl, mindestens 33 Wahlhelfer an Hitzschlag.

ma/gt