Peter Heinrich Brix: "Ich freue mich über jeden Algorithmus, der scheitert"

Seit 2018 ermittelt Peter Heinrich Brix in der Rolle des Kommissars Carl Sievers auf der Nordsee-Insel Sylt. Zuletzt lockte die Krimireihe des Norddeutschen über zehn Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Was ist das Geheimnis dieses lustigen - und dann doch wieder ernsten - Krimis, Herr Brix?

 (Bild: ZDF und www.manju.de.)
Seit 2018 ermittelt Peter Heinrich Brix in der Rolle des Kommissars Carl Sievers auf der Nordsee-Insel Sylt. Zuletzt lockte die Krimireihe des Norddeutschen über zehn Millionen Zuschauer vor die Bildschirme. Was ist das Geheimnis dieses lustigen - und dann doch wieder ernsten - Krimis, Herr Brix? (Bild: ZDF und www.manju.de.)

Peter Heinrich Brix, der knorrige Chef aus "Nord Nord Mord", ist der etwas andere deutsche TV-Kommissar. Kurz vor Weihnachten zeigt sein neuer Film mal wieder, warum die Menschen den feinsinnigen Mainstream-Krimi so gern einschalten. Im Interview erklärt der Norddeutsche den Erfolg des Nordkrimis.

Er durchquert Sylt mit dem Fahrrad, wie seine Figur, und versucht auch im echten Leben, den Menschen aus dem Weg zu gehen. Obwohl er grundsätzlich gut über sie spricht. Wenn man mit dem 67-jährigen Schauspieler Peter Heinrich Brix redet, kommt immer mal wieder der Verdacht auf: Figur und Schauspieler könnten eine Person sein. Tatsächlich dürfte der gebürtige Flensburger und ehemalige Landwirt Brix jedoch deutlich zugänglicher sein als der knorrige Kommissar. In "Nord Nord Mord - Sievers sieht Gespenster" (Montag, 19.12., 20.15 Uhr, ZDF) müssen er und sein Team, bestehend aus Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) und Ina Behrendsen (Julia Brendler), den Mord an einer Escort-Dame aufklären. Ein Männer-Seminare veranstaltender Testosteron-Guru (Henning Baum) steht unter Verdacht.

teleschau: Ihr letzter "Nord Nord Mord"-Fall hatte mehr als zehn Millionen Zuschauer. Setzt Sie das unter Druck oder nehmen Sie den Erfolg eher wohlwollend zur Kenntnis?

Peter Heinrich Brix: Nur "zur Kenntnis nehmen" wäre mir doch etwas zu lapidar. Das ist schon etwas Besonderes, für das ich auch dankbar bin. Sich vom Erfolg unter Druck setzen zu lassen, wäre mir dann aber doch einer zu viel. Man darf nicht die Erwartungshaltung haben, dass wir immer diese Zahlen erreichen.

teleschau: Haben Sie denn eine Erklärung dafür, warum die Leute so massiv einschalten?

Brix: Ich glaube, wir haben vier Hauptdarsteller, die gut zueinander passen. Das sind wir drei Ermittler, deren Schauspieler sich gut verstehen - und die Insel Sylt. Letzteres darf man nicht unterschätzen. Wir haben rein optisch einen hohen Sylt-Anteil im Film. Und wir erzählen gute Geschichten. Dieser Aspekt wird vor allem von humorigen Krimi-Formaten gerne unterschätzt.

Die Sylter Ermittler lösen kurz vor Weihnachten einen neuen "Nord Nord Mord"-Fall (von links): Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk), Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) und Ina Behrendsen (Julia Brendler) bekommen es dabei mit einer jungen toten Escort-Dame zu tun, die in einem Koffer am Meer angespült wird. (Bild: ZDF / Manju Sawhney)
Die Sylter Ermittler lösen kurz vor Weihnachten einen neuen "Nord Nord Mord"-Fall (von links): Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk), Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) und Ina Behrendsen (Julia Brendler) bekommen es dabei mit einer jungen toten Escort-Dame zu tun, die in einem Koffer am Meer angespült wird. (Bild: ZDF / Manju Sawhney)

"Beim Schauspiel ist es ein bisschen wie in der Pop-Musik"

teleschau: Sie sprechen die gute Chemie mit Ihren Co-Stars Oliver Wnuk und Julia Brendler an. Sind Sie jemand, der schnell weiß, mit wem er gut kann?

Brix: Beruflich? Nicht unbedingt. Chemie vor der Kamera ist ein schwer zu erklärendes Phänomen. Bei uns stimmt sie, aber ich glaube, keiner von uns hätte das zu Beginn unserer Arbeit mit Sicherheit behaupten können. Beim Schauspiel ist es ein bisschen wie in der Pop-Musik. Viele wollen gerne einen Hit schreiben. Die Zutaten scheinen auch irgendwie klar zu sein. Und doch gelingt es am Ende nur selten, dass man einen Superhit aus dem Kalkül heraus schreibt.

teleschau: Finden Sie es irritierend, dass man Erfolg im Film oder der Musik offenbar nicht wirklich planen kann?

Brix: Um Gottes Willen - ich finde das herrlich. Ich habe Angst vor dem Tag, an dem Algorithmen alles korrekt vorhersagen, was wir Menschen denken und fühlen, was uns gefällt und was nicht. Ich freue mich über jeden Algorithmus, der scheitert.

teleschau: Aber dreht man bessere Filme mit Menschen, die man mag?

Brix: Würde ich nicht sagen. Es ist sicher hilfreich, wenn man die, mit denen man arbeitet, grundsätzlich sympathisch findet. Aber man muss auch nicht jeden Tag gemeinsam beim Kaffeekränzchen sitzen. Es ist eine Mischung aus Professionalität, Engagement und Empathie, auf die es ankommt. Dazu muss man gönnen können und ein Team-Player sein. Schauspieler sind selten komplett selbstlos. Das wäre ja auch ein Ding! Jeder, der sich auf eine Bühne stellt und sagt "schaut mich an", wird eben auch ein Ego mitbringen, das gerne den Bauchpinsel an sich spürt.

Am Strand von Sylt wird ein Koffer mit einer Leiche geborgen. Die junge Frau, Madeleine Elster (Helen Nordholt), ist vor nur wenigen Stunden ertrunken - allerdings in der Badewanne. Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) und Ina Behrendsen (Julia Brendler, rechts) nehmen die Ermittlungen auf.

 (Bild: ZDF / Manju Sawhney)
Am Strand von Sylt wird ein Koffer mit einer Leiche geborgen. Die junge Frau, Madeleine Elster (Helen Nordholt), ist vor nur wenigen Stunden ertrunken - allerdings in der Badewanne. Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) und Ina Behrendsen (Julia Brendler, rechts) nehmen die Ermittlungen auf. (Bild: ZDF / Manju Sawhney)

"Grundsätzlich verhalte ich mich antizyklisch"

teleschau: Sie kommen selbst von der Ostsee, haben aber in der Jugend auf Sylt immer wieder Fußball gespielt. Jetzt drehen Sie dort sehr regelmäßig. Wie hat sich die Insel in Ihrer Wahrnehmung verändert?

Brix: Ich drehe dort etwa sechs Wochen pro Jahr - für drei Filme. Zwei davon entstehen in einem Block. Ich kann über Sylt gar nicht so viel sagen, weil ich dort sehr zurückgezogen lebe. Grundsätzlich verhalte ich mich antizyklisch: Wenn die Leute am Strand sind, fahre ich mit dem Fahrrad an der Wattseite herum. Und wenn die anderen dann nach Hause gehen, orientiere ich mich in Richtung Strand. Das ist jetzt nicht gegen die Leute gerichtet - aber ich brauche immer so meine "einsamen Inseln", um mich von zu viel Input fernzuhalten.

teleschau: Die Atmosphäre von Urlaubsorten zeichnet sich dadurch aus, dass sie entweder sehr voll sind oder - außerhalb der Saison - auf melancholische Art leer ...

Brix: Die Insel ist natürlich voller, je näher wir an die Saison der sommerlichen Monate heranrücken. Wobei die Nicht-Saison auf Sylt immer kürzer wird. Eigentlich rollt sie dort fast schon durch. Wir werden jetzt wieder im Februar drehen, da ist es meist etwas leerer. Mir persönlich gefallen beide Zustände. Was daran liegt, dass uns die Einheimischen, aber auch die Touristen, sehr gut behandeln. Die freuen sich auf uns - überall, wo wir auftauchen. Das ist nicht selbstverständlich. Als wir im September drehten, war schon sehr viel los. Aber die Leute schauen begeistert zu - und feiern uns durchaus ein bisschen.

teleschau: Könnten Sie sich denn vorstellen, wegen des großen Erfolges mehr als drei Filme pro Jahr zu drehen?

Brix: Nein, man sollte ein Pferd nicht totreiten. Wir werden bei der Taktung mit drei Filmen pro Jahr bleiben.

Der Verdächtige ist nur per Videoschalte erreichbar (von links): Carl Sievers (Peter Heinrich Brix), Ina Behrendsen (Julia Brendler) und Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) befragen Philipp Vandamm (Henning Baum) zu einem alten Fall. Sein Assistent Leonard (Sascha Weingarten) profiliert sich dabei als großer Schweiger. (Bild: ZDF / Manju Sawhney)
Der Verdächtige ist nur per Videoschalte erreichbar (von links): Carl Sievers (Peter Heinrich Brix), Ina Behrendsen (Julia Brendler) und Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) befragen Philipp Vandamm (Henning Baum) zu einem alten Fall. Sein Assistent Leonard (Sascha Weingarten) profiliert sich dabei als großer Schweiger. (Bild: ZDF / Manju Sawhney)

"Wir haben den Sievers ein bisschen 'aufgetaut"

teleschau: Wenn Sie pro Film etwa zwei Wochen auf Sylt drehen, könnte man dann nicht gleich den ganzen Film dort realisieren?

Brix: Nein, Sie unterschätzen Aufwand und Kosten für den Transport und die Unterbringung einer Filmcrew. Vor allem auf Sylt! Bei einer solchen Crew muss man schon mal 50 Leute unterbringen. Innenaufnahmen oder auch mal ein schickes Häuschen von außen, so etwas machen wir oft in Hamburg und Umgebung. Da können viele Beteiligte in ihren eigenen Betten schlafen, was - glaube ich - fast jeder am liebsten macht.

teleschau: Als Ihre Ermittler-Figur Sievers vor vier Jahren neu zum Team stieß, war das ein äußerst mürrischer Typ. Hat er sich seitdem verändert?

Brix: Wir haben den Sievers über die letzten vier Jahre ein bisschen aufgetaut. Er ist mehr angekommen, er kleidet sich sogar lockerer. Auch Sievers wird von dem geprägt, was ihn umgibt. Trotzdem bleibt er sich in der Veränderung treu, sag ich mal ...

teleschau: Im aktuellen Fall geht es auch um toxische Männlichkeit. Henning Baum spielt einen verdächtigen Männer-Trainer-Guru. Wie schwer ist es, ernstere Themen in eine Krimi-Komödie einzubringen, ohne dass die Leichtigkeit flöten geht?

Brix: Ich denke, genau diesen Spagat zu schaffen - darin liegt die Charakteristik unserer Reihe. Es gelingt nicht immer, aber es wird jedes Mal angestrebt. Das ist auf jeden Fall ein anderes Ziel, als wenn du nur hinter dem Mörder her bist. Der Humor darf die Ernsthaftigkeit des Krimis aber auch nicht komplett übernehmen. Es ist ein feiner Grat, auf dem wir wandeln, aber er hat - bei aller Unterhaltung - auch viel mit dem Leben selbst zu tun.

Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) vertraut sich seiner ehemaligen Therapeutin Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) an. Er leidet unter seltsamen "Wahrnehmungen". (Bild: ZDF / Manju Sawhney)
Carl Sievers (Peter Heinrich Brix) vertraut sich seiner ehemaligen Therapeutin Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) an. Er leidet unter seltsamen "Wahrnehmungen". (Bild: ZDF / Manju Sawhney)

"Jeder kennt solche Nicht-Paare"

teleschau: Wie meinen Sie das?

Brix: Im Leben fühlt man sich oft berührt und belustigt zur gleichen Zeit. Wir versuchen, Figuren mit echten Identitäten zu schaffen und weil das gelingt, ist ein Streit über Männlichkeit zwischen den Figuren von Julia Brendel und Oliver Wnuk lustig, aber auch berührend. Wie soll ein Mann heute sein? Kann er überhaupt das Richtige tun - und sich dabei auch noch wohlfühlen?

teleschau: Hat es Vorteile, dass Ihre drei Ermittler eigentlich Durchschnittstypen sind - auch wenn das Verhältnis zwischen Ihrer Kollegin und dem Kollegen immer zwischen Liebe und Genervtheit herumpendelt?

Brix: Ja. Ich finde es hilfreich, dass wir keinen schwer gestörten Stamm-Charakter in der Erzählung haben, wobei es natürlich nicht bedeutet, dass so ein Mensch wie Sievers problemfrei durchs Leben geht. Fein erzählte Figuren sind stets besser als drastische Rollenprofile, die voll auf die Zwölf zielen. Dafür ist "Nord Nord Mord" als Reihe ein gutes Beispiel.

teleschau: Wird es denn nun noch etwas, mit der Liebe zwischen ihren beiden Mitarbeitern, gespielt von Julia Brendler und Oliver Wnuk?

Brix: Das wissen wir nicht. Aber, ich sage Ihnen: Auch diesen Schwebezustand gibt es im echten Leben. Ich kenne einige Menschen, von denen ich sagen würde: Sie hätten wirklich ihr Leben zusammen verbringen sollen. Trotzdem hat es aus irgendwelchen Grunde nicht hingehauen. Jeder kennt solche Nicht-Paare. Vielleicht kennt man es sogar von sich selbst. Auch das ist ein Grund, warum "Nord Nord Mord" die Menschen ein Stück weit berührt.

Er durchquert Sylt mit dem Fahrrad, wie seine Figur, und versucht auch im echten Leben, den Menschen aus dem Weg zu gehen. Hier eine Szene mit Kommissar Sievers aus dem Film "Nord Nord Mord - Sievers und die schlaflosen Nächte". (Bild: ZDF / Manju Sawhney)
Er durchquert Sylt mit dem Fahrrad, wie seine Figur, und versucht auch im echten Leben, den Menschen aus dem Weg zu gehen. Hier eine Szene mit Kommissar Sievers aus dem Film "Nord Nord Mord - Sievers und die schlaflosen Nächte". (Bild: ZDF / Manju Sawhney)