"Putin hat das gleiche Problem wie Hitler": So blickt ein Militär-Ökonom auf den Ukraine-Krieg

Zerstörte Panzer in der Region um Saporischschja. Russlands Verluste in der Ukraine sind so hoch, dass auch alte Sowjetpanzer eingesetzt werden. - Copyright: picture alliance/Photoshot
Zerstörte Panzer in der Region um Saporischschja. Russlands Verluste in der Ukraine sind so hoch, dass auch alte Sowjetpanzer eingesetzt werden. - Copyright: picture alliance/Photoshot

Seit über zwei Jahren versucht Russland mit aller Gewalt die Ukraine zu erobern. Der Kreml schreckt bei seinem völkerrechtswidrigen Angriff weder vor Kriegsverbrechen noch vor hohen eigenen Verlusten zurück. Verschiedenen Schätzungen zufolge sind bei der Invasion bisher zwischen 100.000 und 200.000 russische Soldaten gestorben; hinzu kommen Tausende zerstörte Waffensysteme, von Panzern über Artillerie, Hubschrauber und Schiffe.

Während in den vergangenen Monaten häufig die Frage diskutiert wurde, wie lange die Ukraine dem russischen Angriff noch standhalten kann, stellt sich umgekehrt vielmehr die Frage: Wie lange kann Russland diesen aufrechterhalten?

Der Militär-Ökonom Marcus Matthias Keupp, Dozent an der Militärakademie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, wagt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine zahlenbasierte Prognose.

Kollabieren Russlands Kriegsbemühungen schon im kommenden Jahr?

"Putin hat das gleiche Problem wie Hitler", sagt Keupp. "Seine Ressourcen schmelzen ab, er steht im Gelände und kommt nicht weiter." Während der Kreml-Chef also hohe Verluste an der Front hinnehmen müsse, produziere der Westen laufend und auf hohem Niveau.

"Gegen Ende 2024, Anfang 2025, müssten wir langsam merken, dass sich das Kräftegleichgewicht verschiebt, wenn die Abnutzungsrate bei den Russen so hoch bleibt und die Ukraine weiter kontinuierliche Unterstützung erhält", sagt der Ökonom weiter. "Ab dann bekommt Russland Probleme."

Keupp macht in der "FAZ" eine Rechnung auf. Über öffentlich zugängliche Auswertungen von Satellitenbeobachtungen, Bildern und GPS-Daten ließe sich nachvollziehen, wie viele russische Waffensysteme im Feld zerstört wurden und wie viele sich noch in alten Lagern – teils aus Sowjetzeiten – in Russland befinden. Anhand der Produktionskapazität russischer Rüstungsbetriebe könne zudem geschätzt werden, wie schnell Russland zerstörte Systeme ersetzen und in die Ukraine schicken könne.

Ein Krieg "auf den toten Beinen der Sowjetunion"

Russland verliere aktuell rund vier Panzer pro Tag, sagt Keupp unter Bezug auf Daten des Blogs Oryx, der anhand von Bildbeweisen zerstörte Waffensysteme im Ukraine-Krieg zählt. Pro Jahr könne Russland aber nur 300 bis 500 neue Panzer herstellen. Um die Differenz zu den Verlusten in der Ukraine auszugleichen, würden deshalb alte Panzer aus Lagern – auch aus der Sowjetzeit – verwendet.

"Russland lebt von seinen Reserven", sagt Keupp. "Es steht quasi auf den toten Beinen der Sowjetunion. Und es verbrennt Material, das in der Sowjetzeit produziert wurde, alte T62- oder T72-Panzer. Es kommt immer älteres und schlechteres Material auf das Kampffeld." Keupp glaubt: "Die Zeit läuft gegen Russland." Ab Ende kommenden Jahres oder Anfang 2025 könnte laut ihm der russische Nachschub zusammenbrechen. Keupp sagt: "Dass Russland diesen Krieg verlieren wird, davon bin ich nach wie vor überzeugt."

jg