Sandra Maischberger diskutiert über die Betreuungsfalle

Sandra Maischberger diskutiert mit ihrer Runde über Betreuerinnen und Betreuer. Ein Beruf, der weitreichende Eingriffe in die Grundrechte anderer Menschen mit sich bringt, der aber keine Berufsvoraussetzungen hat. (Foto: Screenshot / ARD)
Sandra Maischberger diskutiert mit ihrer Runde über Betreuerinnen und Betreuer. Ein Beruf, der weitreichende Eingriffe in die Grundrechte anderer Menschen mit sich bringt, der aber keine Berufsvoraussetzungen hat. (Foto: Screenshot / ARD)

Rund 1,3 Millionen Menschen werden in Deutschland wegen körperlicher oder seelischer Erkrankung rechtlich betreut. Oft sind es Angehörige, die sich etwa um Demenzkranke kümmern, manchmal sind es aber auch Berufsbetreuer. Mit Vorsorgevollmachten ausgestattet, entscheiden diese über das Leben eines anderen Menschen. Nicht immer haben sie nur das Beste im Sinn. Maischberger diskutiert mit ihrer Runde über die Betreuungsfalle: hilflos, ausgenutzt, betrogen?

Die Diskutanten

Bettina Tietjen (Fernsehmoderatorin), als ihr Vater an Demenz erkrankte, war die Familie plötzlich mit dem Thema Betreuung konfrontiert: “Mein Vater wollte nichts davon wissen, hielt das nicht für notwendig und wollte alles allein machen.”

Harry Hartwig (Betrugsopfer), nach einem Treppensturz ist sein Vater auf Hilfe angewiesen. Die eingestellte Haushaltshilfe erhält eine Vorsorgevollmacht vom Vater. Das gesamte Vermögen von rund einer halben Million Euro wird wenig später bar vom Konto abgehoben.

Annett Mau (Kriminaloberkommissarin), sie ermittelt in einer bundesweit einzigartigen Fachdienststelle gegen Betrugsfälle bei Betreuung: “Es fängt immer harmlos an. Betrüger versuchen als erstes, Nähe herzustellen.”

Christa Lange (befreite sich aus Zwangsbetreuung), nach einem Zusammenbruch attestieren ihr Ärzte fälschlicherweise eine Demenz. Das Amtsgericht setzt eine gesetzliche Betreuerin ein, die das gesamte Hab und Gut von Lange veräußert.

Cornelia Stolze (Wissenschaftsjournalistin), sie beschäftigt sich mit dem Thema Demenz: “Die Diagnose wird oft zu schnell und zu Unrecht gestellt. Sich dann aus einer Fehldiagnose zu befreien, ist unglaublich schwer.”

Andrea Schwin-Haumesser (Berufsbetreuerin), sie wehrt sich gegen Pauschalvorwürfe: “Es gibt viele tolle Kollegen, die richtig gute Arbeit machen und Menschen helfen.”

Die Angst davor, die Kontrolle zu verlieren

Zunächst erzählt Tietjen, die als betroffene Familien-Angehörige eingeladen ist, von ihrem Vater. Der wurde immer “tüddeliger”, mal lag der Hausschlüssel im Tiefkühlschrank, dann die Socken im Kühlschrank: “Am Anfang mussten wir schmunzeln, später wurde es merkwürdig. Das war ungefähr im Jahr 2005, da war Demenz in den Medien noch kein Thema.” Eine Neurologin bestätigte dann den Verdacht, es gebe erste Anzeichen von Demenz.

“Wir haben dann eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung aufgesetzt. Er hat auch alles angekreuzt, außer Organe zu spenden und dass wir sein Haus verkaufen dürfen.” Es ging Tietjen damit nicht darum, alle “Entscheidungen für ihn zu treffen”, sondern dass sie sich mit ihren beiden Schwestern um den Vater “kümmern” kann. Aber sie könne auch die Angst ihres Vaters nachvollziehen, die Kontrolle zu verlieren. “Dann war unser Vater unser Schützling, das ist nicht leicht zu akzeptieren. Wir haben auch viel diskutiert, wir drei Schwestern, bis unser Vater starb.”

Ein anderer dramatischer Fall ist der von Christa Lange. Im Jahr 2009 starb ihr Lebensgefährte, sie erlitt daraufhin einen Zusammenbruch, wurde fünf Monate ins Koma versetzt, sie selbst spricht von falscher Medikation in der Folge, bis Ärzte bei ihr schließlich Demenz diagnostizierten. Sie kam in ein Heim, es wurde eine Betreuerin benannt, weil kein Familienangehöriger in der Nähe wohnte.

Die Betreuerin löste daraufhin die Wohnung auf, um die Pflege zu finanzieren. “Nur ich als Nicht-Demente dachte mir, die alle haben einen Knall.” Ihr sei klar gewesen, dass sie keine Demenz habe, nur die eingesetzte Betreuerin habe ihr das eingeredet und sie in einem schwachen Moment Dokumente unterzeichnen lassen.

Erst mit Freunden gelingt ihr der “Ausbruch” aus dem Pflegeheim

Journalistin Stolze, die für “Frontal 21” den Fall von Lange aufgerollt hat, erklärt: “Da wurde einiges rumprobiert und rumtherapiert. Die Diagnose Demenz wurde zu schnell gestellt, in der kurzen Zeit geht das nicht, da fängt der Kunstfehler schon an. Zudem leidet Frau Lange an Epilepsie, was niemand wusste.” Lange wurde dann nach der Behandlung im Krankenhaus in ein Pflegeheim verlegt. Da ist es üblich, dass Pflegeheime durch das Amtsgericht Betreuer einsetzen, wenn sich die Frage stellt, wer das alles finanziert – das sei dann eben ein Glücksfall, ob es jemand im Sinn der Betroffenen mache, so Stolze.

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“Die Betreuerin hat die Wohnung dann nach dem Koma aufgelöst, als Frau Lange in Pflege war. Dabei hat Frau Lange da schon gesagt, sie habe keine Demenz und brauche keine Betreuung.” Die Betreuerin aber habe das Verhalten als krankhaft eingestuft. “Das ist in dem Bereich sehr schwammig.”

Lange war aus diesem Grund zwei Jahre im Pflegeheim, zwei weitere Jahre dauerte es, bis sie vom Gericht ihre Mündigkeit wiederbekam. Aus ihrem früheren Leben blieben ihr 148 Euro und ein paar Fotos. “Freunde haben mich damals besucht, die meine Version glaubten. Die mich bestärkten, ein neues Schreiben aufzusetzen und das Pflegeheim zu kündigen.” Und so gelang ihr dann der “Ausbruch”.

Betreuerinnen und Betreuer müssen wirtschaftlich sinnvoll handeln

Bevollmächtigte entscheiden sozusagen über Wohl und Wehe eines Patienten. Das wichtigste, so sagt es Kriminaloberkommissarin Mau, sei ein funktionierendes soziales Gefüge, eine intakte Familie. “Denn eine Vollmacht kann mit einem Bierdeckel entkräftet werden, weil es keine Formvorschrift gibt. Eine Unterschrift des Betroffenen reicht, um alle Dokumente vorher zu widerrufen.” Was sie damit meint: Hat eine Person unlautere Absichten, kann sie einen Patienten leicht dazu bringen, eine neue Vollmacht zu unterschreiben, die dann alle früheren Dokumente obsolet macht.

Mau erklärt weiter, dass Betreuer auch Probleme bekämen, wenn sie etwa die Miete ewig weiterzahlten, am Ende aber kein Geld mehr für die Pflege da sei. “Der Vorwurf an Betreuer lautet viel häufiger, dass sie schlecht gewirtschaftet haben.” Zudem müssten sich Betreuer auf eine ärztliche Diagnose verlassen können. Im Fall von Frau Lange hätte die Demenz bedeutet, dass eigentlich keine Aussicht bestehe, in die eigene Wohnung zurückzukehren.

Eine Betreuerin ist auch in der Runde, Schwin-Haumesser erklärt den normalen Fortgang: „Das Gericht prüft inhaltlich nicht, was die Betreuerin zu tun hat. Wir sind keine Ärzte, wir können Diagnosen nicht infrage stellen. Aber man kann nicht über lange Zeit hinweg eine Mietwohnung bezahlen.“

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Das Problem bestehe für sie viel mehr darin, dass es keine Berufsausbildung gebe, keine einheitlichen Standards für Betreuer. “Es gibt keine Zulassung, obwohl man als Betreuer weitreichende Möglichkeiten hat, in die Grundrechte einzugreifen.” Da müsste der Gesetzgeber dringend nachbessern.

Ein zweites Beispiel, wie ein Betreuungs-Alptraum ausgehen kann, liefert Harry Hartwig. Sein Vater, ebenfalls an Demenz erkrankt, engagierte eine Haushaltshilfe und erteilte ihr eine Vorsorgevollmacht. Sie schirmte ihn daraufhin von der Familie ab.

„Als ich meinen Vater anrufen wollte, waren alle Nummern aus“, sagt Hartwig, der 300 Kilometer entfernt wohnte. Letztlich wurden alle Konten seines Vaters leergeräumt, über eine halbe Million Euro verschwanden. Hartwig musste zudem seinen Vater über das Einwohnermeldeamt suchen, weil er sonst keine Informationen hatte. „Da kam dann raus, dass er in einem Heim lebt. Allein.“

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