SPD-Chef Klingbeil offen über Ampel-Probleme: "Das hat Vertrauen gekostet"
Lars Klingbeil kann die Kritik an seiner Partei und an der Regierung verstehen. Die Zeiten seien wahnsinnig turbulent, sagte der SPD-Chef am Sonntagabend im ARD-Talk "Caren Miosga". Dennoch versicherte er: Deutschland werde die Probleme bewältigen.
Beinahe wäre Lars Klingbeil kein Politiker geworden, sondern Musiker. Das erzählte der SPD-Vorsitzende am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Caren Miosga". Auch im Bundestag habe er Gitarre in einer Band gespielt - und Grünen-Chef Omid Nouripour habe gerappt. Damals sei ein Linken-Politiker verabschiedet worden. Klingbeil sei häufig zu Konzerten der Rockband Fury in the Slaughterhouse gegangen. Manchmal, erklärte der 46-Jährige nun in der Sendung, sehne er sich nach dieser Zeit zurück.
Nun muss Klingbeil die SPD rocken. Und das hat sie auch nötig: Die Partei wird immer unbeliebter, die Wähler laufen ihr weg. Dabei seien im ersten Jahr der Ampel sehr viele gute Entscheidungen getroffen worden, sagt Klingbeil: Die Energieknappheit sei erfolgreich bekämpft worden, es habe drei Entlastungspakete zur Bekämpfung der Inflation gegeben. Doch dann sei der Streit um das Heizungsgesetz und die Kindergrundsicherung gekommen: "Das hat Vertrauen gekostet. Die Bürger erwarten, dass es besser wird."
Dafür kämpfe er täglich, versicherte Klingbeil: "Die Aufgaben, die wir zu leisten haben, die wirtschaftliche Lage, die Frage, wie kann man eigentlich Menschen, die ich als wirtschaftliche Mitte bezeichne, wieder stärker in den Mittelpunkt der politischen Entscheidungen bringen - das ist die Herausforderung."
Diskussion um Bundestagsrede: Klingbeil nimmt Mützenich in Schutz
Deutschland befände sich in einer Phase der Transformation. Da gebe es wirtschaftspolitische Umbrüche, und es müsse mehr in Sicherheit und Infrastruktur investiert werden: "Und deswegen müssen wir die Einnahmenseite erhöhen, müssen wir über die Schuldenbremse nachdenken und wie wir sie so reformieren können, dass mehr investiert werden kann in diesem Land." In dieser Phase werde man nicht mit einem Haushalt auskommen, wie er gerade sei. "Wir haben einen Wandel, da müssen wir durch. Und am Ende steht die Stärke dieses Landes", sagte Klingbeil.
Seit einigen Tagen gibt es Diskussionen darüber, ob die SPD noch immer an der Seite der Ukraine steht. Ausgelöst hat sie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der am vergangenen Donnerstag im Bundestag gefordert hatte: "Es ist Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann."
Es sei richtig, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen habe, sagte Klingbeil nun. "Und ich finde, wenn ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland diese Entscheidung trifft, dann sollte man damit auch respektvoll umgehen und das akzeptieren", fügte er hinzu. Mützenichs Rede werde Klingbeil zufolge aber gezielt missinterpretiert. Die Bundesregierung werde auch weiterhin Waffen an die Ukraine liefern. Dennoch müsse es möglich sein, auch über Friedensgespräche zu reden.
Klingbeil: "Wer hat denn gesagt, dass wir mit dem Kreml verhandeln wollen?"
Gerade in der vergangenen Woche habe aber Russlands Präsident Putin derartige Gespräche in einem Interview des Russischen Fernsehens abgelehnt, warf Moderatorin Miosga ein - und zeigte sogar einen Ausschnitt aus dem Interview. "Wer hat denn gesagt, dass wir mit dem Kreml verhandeln wollen?", antwortete Klingbeil. Am Ende gehe es um die Frage, wie man in der Ukraine zu einem Frieden käme. Das wollten vor allem die Menschen dort. Das letzte Wort dabei habe jedoch der ukrainische Präsident Selenskyj.
Was nun passieren müsse, erklärte Klingbeil auch: "Dass wir alle in Europa mal ein bisschen mehr anpacken, dass wir Munition produzieren und dass wir dafür sorgen, dass die Flugabwehr gestärkt wird."