So kurios geht es auf dem Transfermarkt zu

Dem THW Kiel ist mit der Verpflichtung von Welt-Star Gonzalo Pérez de Vargas ein absoluter Coup gelungen. Der deutsche Rekordmeister findet damit den geeigneten Nachfolger für den nach Aalborg abgewanderten Niklas Landin, allerdings erst zum Sommer 2025.

Was in anderen Teamsportarten wie Fußball, Basketball oder Eishockey undenkbar ist, zählt im Handball-Business längst zur Norm.

So verkündete nicht nur Pérez de Vargas deutlich vor dem Ablauf seines Vertrags beim FC Barcelona seinen Wechsel, sondern auch Landin kündigte ein Jahr vorher seinen Abschied an.

Sagosen, Röd und Co.: Zahlreiche Handball-Stars verkünden frühzeitig ihren Wechsel

Die beiden Weltklasse-Keeper sind nur zwei von vielen Beispielen, die es in den vergangenen Jahren auf dem Transfermarkt gab. Besonders rund um das Mega-Projekt in Kolstad ließen einige Star-Spieler wie Sander Sagosen oder Magnus Röd ihre Arbeitgeber bereits frühzeitig wissen, dass sie in diesem Sommer nach Norwegen gehen.

Doch solche Transfers bergen auch Risiken. Sagosen erlebt das gerade in Kolstad, zwei Jahre nach seiner von Versprechungen befeuerten Unterschrift gibt es beim norwegischen Millionenprojekt große Finanzprobleme, die Zukunft ist ungewiss.

Hinzu kommen grundsätzliche Fragen - auch für den abgebenden Klub. „Bleibt der Spieler mit vollem Herzen dabei? Und wie reagieren die Fans?“, sagt Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), im SID-Gespräch. Und auch der künftige Verein gehe ein Risiko ein, „da sich der Spieler immer verletzen oder seine Form verlieren kann.“ Aber: „Am Ende sind solche Wechsel eben auch weitsichtig. So ein Transfer spricht für eine langfristige Planung.“

Daher sind auch in Deutschland diese langfristigen Kaderplanungen häufig zu finden. Der deutsche Nationalspieler Lukas Zerbe gab im vergangenen Sommer seinen Wechsel zum THW bekannt - für 2024. Dann wird auch Ivan Martinovic von der MT Melsungen zu den Rhein-Neckar Löwen gehen. Datum der Verkündung: 29. März 2023.

„Es stimmt, es gab im Handball zuletzt mehrere Beispiele. Im Fußball passieren solche frühen Vereinbarungen vielleicht auch - aber verdeckt, weil es gar nicht gestattet ist“, versuchte sich Bohmann in einem Vergleich.

Keine Ablöse besser für Spieler?

Die Gründe für solche Wechsel sind vielfältig. Die Teams wollen zum einen vermeiden, dass sie Ablösesummen für die Spieler zahlen müssen.

Die meisten Klubs in der Bundesliga haben einen Etat von rund fünf Millionen Euro, bei den Top-Teams liegt er etwas höher. Kiel steht mit rund 13 Millionen Euro an der Spitze.

Somit ist das große Geld für Transfers nicht immer vorhanden, auch wenn die SG Flensburg-Handewitt für Shootingstar Simon Pytlick jüngst dank einer Klausel etwas mehr als 200.000 Euro Ablöse hinblätterte.

Von dem Ausbleiben einer Transferzahlung würden aber die Profis profitieren. „Dem Spieler würde man natürlich am liebsten alles geben, aber manchmal mindern Ablösesummen und Beraterhonorare das Gehalt. Das ist auch den Spielern bewusst“, schildert Kiel-Boss Viktor Szilagyi in der Welt.

Top-Teams wie Barca oder PSG lassen HBL-Teams umplanen

Zum anderen müssen die deutschen Teams aber schneller als die teils deutlich zahlungskräftigere Konkurrenz aus dem europäischen Ausland sein, um sich hochkarätige Spieler zu sichern.

Teams wie der FC Barcelona, Veszprem oder PSG haben teils deutlich höhere Budgets und können damit auch die Spieler mit einem höheren Salär locken.

„Man muss sich bei dem einen oder anderen Spieler deutlich früher als in der Vergangenheit entscheiden, um überhaupt eine Chance zu haben, ihn zu verpflichten“, erläutert Szilagyi.

Er betreibt das mit seinem Team fast in Perfektion. So sicherte er sich Super-Talent Elias Ellefsen a Skipagotu bereits im August letzten Jahres und schlug damit der internationalen Konkurrenz ein Schnippchen wie er es nun wieder bei Pérez de Vargas gemacht hat.

Diesem Beispiel sind mittlerweile einige HBL-Teams gefolgt. Die Füchse Berlin sicherten sich Matthias Gidsel bereits im August 2021, ehe er vergangenes Jahr in die Hauptstadt kam.

Handball-Teams nutzen Schlupfloch im System

Die Vereine nutzen dabei auch ein Schlupfloch im Transfersystem, denn Einschränkungen bei der Kontaktaufnahme von Spielern, wie man es aus dem Fußball kennt, sucht man vergebens.

Dementsprechend stehen die Verantwortlichen bereits Jahre vorher mit potenziellen Neuzugängen im Austausch. Die SG gestand, dass sie zwei Jahre vor der Pytlick-Verpflichtung bereits erstmalig mit ihm gesprochen haben.

Auch Kiel führte mit Eric Johansson bereits zwei Jahre vor seinem Wechsel im vergangenen Jahr Gespräche. „Damals war er im Kopf noch nicht bereit für den THW“, meint Kiel-Trainer Filip Jicha.

Somit dürfte es in der HBL auch in den nächsten Monaten und Jahren weiterhin Transfers geben, die erst Jahre später vollzogen werden.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)