Steinmeier zu schwierigem Besuch in der Türkei - Treffen mit Erdogan-Gegner

Zum Auftakt seines Besuchs in der Türkei hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die enge Verbundenheit zwischen den Menschen in beiden Ländern in den Mittelpunkt gestellt. (Yasin AKGUL)
Zum Auftakt seines Besuchs in der Türkei hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die enge Verbundenheit zwischen den Menschen in beiden Ländern in den Mittelpunkt gestellt. (Yasin AKGUL)

Besuch bei einem wichtigen, aber auch schwierigen Partner: Als erster Bundespräsident seit zehn Jahren ist Frank-Walter Steinmeier in die Türkei gereist. In Istanbul, der ersten Station seiner Reise, würdigte der Bundespräsident am Montag den Beitrag türkischer Migranten für die Entwicklung der Bundesrepublik. Ein politisches Zeichen setzte er mit einem Treffen mit Istanbuls Bürgermeister Ekrem Imamoglu, einem der populärsten Oppositionspolitiker des Landes.

Die Migrantinnen und Migranten aus der Türkei hätten "unser Land mit aufgebaut, sie haben es stark gemacht und sie gehören ins Herz unserer Gesellschaft", sagte Steinmeier bei einem Besuch des Bahnhofs Sirekci, von wo aus seit 1961 hunderttausende Türken nach Deutschland aufgebrochen waren. Es gebe "kaum ein Land, zu dem so viele zwischenmenschliche Beziehungen bestehen wie hier zur Türkei", sagte er.

Die politischen Streitfragen im deutsch-türkischen Verhältnis mied Steinmeier am ersten Tag seines Besuchs. Den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan trifft er erst zum Abschluss seiner Reise am Mittwoch. Auf Regierungsebene sind die deutsch-türkischen Beziehungen seit Jahren angespannt, auch das persönliche Verhältnis der beiden Präsidenten gilt als schwierig.

Erster Gesprächspartner des Bundespräsidenten war Istanbuls Bürgermeister Imamoglu - eine Begegnung, die auch als politische Geste verstanden werden konnte. Gegnern von Präsident Erdogan gilt Imamoglu als Hoffnungsträger, insbesondere seit dem jüngsten Sieg der Opposition bei den Kommunalwahlen.

Imamoglu habe in dem Gespräch mit Steinmeier sein großes Bedauern darüber geäußert, dass die Beziehungen der Türkei zu Deutschland und zur EU derzeit so schlecht seien, verlautete aus dem Umfeld des Bundespräsidenten. Der Bürgermeister wünsche sich bessere Beziehungen. Am Abend begegneten sich Steinmeier und Imamoglu zum zweiten Mal - beim Empfang des Bundespräsidenten in der Sommerresidenz des deutschen Botschafters.

Offizieller Anlass des Besuchs ist der 100. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik Türkei. Einen Schwerpunkt wollte Steinmeier bei seinem dreitägigen Besuch auf die Würdigung der Arbeitsemigranten legen, die seit den frühen 1960er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind.

Den zeitweise schwierigen politischen Beziehungen setzte Steinmeier die enge deutsch-türkische Verflechtung auf gesellschaftlicher Ebene entgegen. "Es sind diese besonderen und intensiven Beziehungen, die heute Distanzen und auch manche Differenz überbrücken", sagte er.

Außenpolitiker in Deutschland forderten den Bundespräsidenten auf, die schwierige Lage von Demokratie und Menschenrechten in der Türkei deutlich zu kritisieren. "Gute zivilgesellschaftliche Beziehungen sind unermesslich wichtig, dürfen aber nicht als Feigenblatt genutzt werden, um politisch Probleme zu übertünchen", sagte der Außenexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), zu AFP.

"Die Rechtsstaatlichkeit wird systematisch untergraben, die Demokratie abgebaut und die Pressefreiheit stark eingeschränkt", sagte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Renata Alt (FDP), zu AFP. Der Wahlsieg der Opposition bei der Kommunalwahl mache "zwar vorsichtig optimistisch", dennoch sei die Demokratie in der Türkei "in einer prekären Lage".

Empfangen wurde Steinmeier beim Besuch des Bahnhofs Sirekci zunächst von lautstarkem Protest von propalästinensischen Demonstranten. Rund 50 Menschen skandierten auf türkisch Parolen wie "Mörder Deutschland". Sie machten damit ihrem Unmut über die deutsche Unterstützung für Israel Luft. Sicherheitskräfte schritten ein, es kam zu einzelnen Rangeleien mit Demonstranten, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Steinmeiers Besuch traf aber auch auf spontane Gesten der Gastfreundschaft. Bei einem Gang vom Bahnhof Sirekci zum Ufer des Bosporus applaudierten Schaulustige und hießen den Bundespräsidenten willkommen. Ein Rentner verwickelte ihn in ein kurzes Gespräch und zeigte ihm Fotos aus seiner Zeit als Gastarbeiter im ostfriesischen Emden.

pw/ck