Superstar der Volksfront in Frankreich: Wird Grüne Marine Tondelier Regierungschefin?

Superstar der Volksfront in Frankreich: Wird Grüne Marine Tondelier Regierungschefin?

Vor wenigen Monaten kannte sie kaum jemand in Frankreich. Die Chefin der Grünen, Marine Tondelier, hat im kurzen Wahlkampf und bei ihren TV-Auftritten danach für Aufsehen gesorgt, und die 37-Jährige im grünen Blazer ist zum Superstar der linken neuen Volksfront (Nouveau Front Populaire - NFP) aufgestiegen. Und sie wird als eine mögliche Premierministerin gehandelt.

Während der Altlinke Chef von La France Insoumise (LFI), Jean-Luc Mélenchon weiter wettert und für sich selbst das Amt des Ministerpräsidenten beansprucht, erklärt Marine Tondelier, die linke Volksfront habe zwar die Wahlen gewonnen, aber es gelte, bescheiden zu bleiben.

Am Wahlabend hatte Marine Tondelier vor Freude geweint und davon gesprochen, dass alles jetzt erst anfange.

"Heute Abend hat die soziale Gerechtigkeit gewonnen", sagte Tondelier in ihrer Siegesrede. "Heute Abend hat die ökologische Gerechtigkeit gewonnen. Heute Abend haben die Menschen gewonnen. Und das ist erst der Anfang."

Lange waren die Grünen in Frankreich unbedeutend

Tatsächlich ist Mélenchons LFI allerdings innerhalb der linken Volksfront die stärkste politische Kraft mit den meisten Abgeordneten.

Die Grünen haben es in Frankreich in den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft, eine wichtige politische Partei zu werden. Doch seit einigen Jahren gibt es immer mehr grüne Bürgermeister in größeren französischen Städten: in Grenoble schon seit 2014, seit 2020 auch in Lyon, Marseille, Straßburg und Bordeaux.

Gleich nach der Ankündigung der Neuwahlen durch Präsident Emmanuel Macron rief Marine Tondelier zu einer Brandmauer gegen die Rechtsextremen auf, diese Brandmauer wird in Frankreich als "republikanischen Front" bezeichnet. Die Parteien der Neuen Volksfront (also; Linke, Sozialisten, Grüne und Kommunisten) zogen ihre eignene Kandidaten in der zweiten Wahlrunde zurück, wenn Kandidaten der Regierungspartei besser platziert waren, um die Rechtsextremen zu schlagen.

"Die andere Marine": Wer ist Marine Tondelier?

Marine Tondelier hat sich seit Beginn ihrer politischen Karriere vor rund 15 Jahren gegen die extreme Rechte gestellt. Sie stammt aus der ehemaligen Bergbaustadt Hénin Beaumont in Nordfrankreich, der Hochburg von Frankreichs bekanntester Rechtsextremer Marine Le Pen.

Im 11. Wahlkreis des Départements Pas-de-Calais hat Le Pen erstmals 2017 gewonnen. Tondelier gilt als "die andere Marine". Sie selbst sagt: "Ich heiße Marine, aber ich bin die wahre Marine aus Hénin-Beaumont - die, die vorher da war".

Marine Tondelier wurde 2014 als Mitglied der Opposition in den Gemeinderat der Stadt Hénin-Beaumont gewählt und hat sich immer wieder in der Lokalpolitik zu Wort gemeldet. In ihrem 2017 erschienenen Buch "Nouvelles du Front" dokumentierte sie ihre Erfahrungen mit Mobbing und Einschüchterung unter einem rechtsextremen Bürgermeister.

Bei den TV-Talkshows kann man ihr ansehen, wie schwer es Marine Tondelier fällt, neben so manchem rechtsextremen Politiker zu sitzen. Und die Grüne wird im Internet dafür gefeiert, dass sie die politischen Gegner in die Schranken weist.

Seit Dezember 2022 ist Tondelier die Vorsitzende der Grünen Partei Frankreichs.

Auch in ihrer Kritik an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nimmt Tondelier kein Blatt vor dem Mund. Vor allem wirft sie ihm vor, seine Entscheidungen im Alleingang zu treffen - wie bei der Ausrufung der Neuwahlen.

 Die linksradikale Politikerin Clementine Autain (li.), Grünen-Chefin Marine Tondelier (re.), und der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Olivier Faure in der Mitte
Die linksradikale Politikerin Clementine Autain (li.), Grünen-Chefin Marine Tondelier (re.), und der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Olivier Faure in der Mitte - AP Photo/Thomas Padilla, File

Tondelier warf RN-Chef Jordan Bardella vor, einer Debatte mit ihr aus dem Weg zu gehen und kritisierte ihn mit den Worten: "Ah, OK, jetzt ist es offiziell, Bardella will nur mit Männern diskutieren."

"Die NFP ist auch dazu da, den Alltag der Franzosen zu verbessern und die Zukunft zu sichern", sagte sie am Montag dem Radiosender France Inter, "und wer die Ökologie vergisst, vergisst sich selbst."

Zu den Plänen der Neuen Volksfront gehören Investitionen in erneuerbare Energien, die Entwicklung von Offshore-, Wind- und Wasserkraft, der Ausstieg aus der Kernenergie und die Umsetzung eines Klimaplans mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden.

Im Programm steht ein nationaler Plan im Kampf gegen den Klimawandel, um Menschen und ihr Eigentum zu schützen mit Temperaturgrenzwerten für Arbeiten im Freien bei extremer Hitze. Und die Koalition sagt, sie wolle die spaltende Agrarpolitik der Europäischen Union reformieren.

Ob die Grüne Marine Tondelier vom Präsidenten zur Regierungschefin ernannt wird, bleibt abzuwarten.