Talk zur Europawahl: Lars Klingbeil bezeichnet AfD als "Nazis", Weidel empört

"Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet?" AfD-Chefin Alice Weidel und SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil gerieten beim ntv-Wahl-Talk zur Europawahl aneinander. (Bild: ntv)
"Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet?" AfD-Chefin Alice Weidel und SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil gerieten beim ntv-Wahl-Talk zur Europawahl aneinander. (Bild: ntv)

Bei der Europawahl wurde der Ampel-Regierung ein mächtiger Denkzettel verpasst. Am Sonntag wetterte SPD-Chef Lars Klingbeil während der ntv-"Runde der Parteichefs" gegen AfD-Chefin Alice Weidel. Dabei bezeichnete er sie und ihre Parteikollegen als "Nazis".

Am Wahlsonntag blickten bei der ntv-"Runde der Parteichefs" führende Politiker wie Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Omid Nouripour (Grüne), Christian Lindner (FDP), Alice Weidel (AfD) und Sahra Wagenknecht (BSW) auf die aktuellen Ergebnisse der Europawahl. In der Analyse der Ergebnisse spielte vor allem der anhaltende Krieg in der Ukraine eine tragende Rolle. Die sechs Parteichefs lieferten sich eine hitzige Diskussion, weil vor allem Wagenknecht und Weidel einen völlig anderen Kurs vertraten als Nouripour, Lindner, Merz und Klingbeil.

"Ist vielen Deutschen dieser Krieg zu teuer?", wollte ntv-Moderator Nikolaus Blome in dem Zusammenhang wissen. FDP-Chef Lindner gab offen zu: "Natürlich ist das eine große finanzielle Kraftanstrengung." Der Bundesfinanzminister erklärte weiter, dass es sich mittlerweile um einen zweistelligen Milliarden-Betrag handle. Eine Summe, die Lindner jedoch verteidigte, denn: "In der Ukraine wird die Friedens- und Freiheitsordnung Europas insgesamt verteidigt."

Sahra Wagenknecht sah das anders. Sie forderte streng: "Man sollte schon mal die Prioritäten überdenken." Die Chefin des "Bündnis Sahra Wagenknecht" ergänzte: "Wir sind in Beträgen von über 20 Milliarden. Und da sind die Hilfen für die Flüchtlinge noch gar nicht drinnen!" Für Wagenknecht gehe es aber längst nicht nur um die Frage des Geldes, sondern auch um konkrete Lösungsansätze, den Krieg zu beenden. "Mit immer mehr Waffen beenden wir das Sterben nicht", so die Politikerin.

Dem widersprach CDU-Chef Friedrich Merz vehement. Er stellte klar, dass nur Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine beenden könne. "Da liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems. Wir sind nicht Kriegspartei und wir werden es auch nicht", so Merz. Omid Nouripour nickte zustimmend: "Wenn Russland mit dem Krieg aufhört, ist er vorbei. Wenn die Ukraine die Waffen niederlegt, ist die Ukraine verloren."

Sahra Wagenknecht (BSW) und Omid Nouripour (Grüne) stritten heftig über die Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen Russland. (Bild: ntv)
Sahra Wagenknecht (BSW) und Omid Nouripour (Grüne) stritten heftig über die Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen Russland. (Bild: ntv)

 

Eine Argumentation, die bei Alice Weidel für Kopfschütteln sorgte. Sie forderte einen Dialog mit Putin und kritisierte, dass die Debatte mittlerweile "viel zu polarisiert und verkürzt" dargestellt werde. "Wir müssen wirklich mal ernsthaft über die Lage dort reden. Es wird extrem gefährlich für Kontinentaleuropa. (...) Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen, also warum sollten wir das Sterben verlängern?", fragte Weidel in die Runde.

Die AfD-Chefin ergänzte wütend, dass sie es "für nicht angemessen" halte, "dass wir eine Seite dämonisieren und die andere hochjubeln. (...) Der Konflikt hat doch eine jahrzehntelange Geschichte." Nikolaus Blome stellte daraufhin klar, dass der Startpunkt des Krieges nicht in der Ukraine, "sondern in Russland" zu suchen sei. Auch Lars Klingbeil warnte vor einem zu laschen Umgang mit Putin, denn: "Wenn man Putin nicht in die Schranken weist, dann wird er weitermachen."

Christian Lindner reagierte fassungslos auf Aussagen von Sahra Wagenknecht (Symbolbild: Reuters)
Christian Lindner reagierte fassungslos auf Aussagen von Sahra Wagenknecht (Symbolbild: Reuters)

Aus diesem Grund sei für den SPD-Chef klar, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine "konsequent" weitergehen müssen. Daraufhin platzte es aus Sahra Wagenknecht heraus, dass der Glaube, den Krieg mit Waffen zu gewinnen "einfach ein Märchen" sei. Sie erklärte, dass es bereits "Signale aus dem Kreml" gebeben habe, "dass man zu einem Waffenstillstand bereit ist". "Warum geht man darauf nicht ein? (...) Das ist einfach der einzige realistische Weg, dass die Waffen schweigen und der Krieg nicht zu uns kommt", so Wagenknecht energisch.

Christian Lindner konterte fassungslos, dass über die Bedingungen des Kriegsendes jedoch nicht im Kreml, sondern "nur in Kiew entschieden werden" könne. "Alles andere wäre doch ein fatales Signal an die Polen und Tschechen", so der FDP-Politiker. Er fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass Putin Deutschland angreifen will. Ich bin überzeugt, er will die Europäische Union und er will die NATO spalten."

Nikolaus Blome besprach mit den Parteichefs Alice Weidel, Lars Klingbeil, Sahra Wagenknecht, Omid Nouripour, Friedrich Merz und Christian Lindner die Ergebnisse der Europawahl. (Bild: ntv)
Nikolaus Blome besprach mit den Parteichefs Alice Weidel, Lars Klingbeil, Sahra Wagenknecht, Omid Nouripour, Friedrich Merz und Christian Lindner die Ergebnisse der Europawahl. (Bild: ntv)

 

Als Weidel und Wagenknecht während der Ukraine-Debatte immer wieder ähnliche Argumente nutzten, stellte Nikolaus Blome fest, dass "die beiden Gewinnerinnen" des Wahlabends offenbar auch in der Sendung "die Allianz des Abends" seien. Ein Fakt, der Friedrich Merz überhaupt nicht gefiel. Er erklärte, dass er "einmal mehr fassungslos" über "die Geschichtsvergessenheit" von Weidel und Wagenknecht sei. Laut Merz betreffe der Krieg in der Ukraine auch Deutschland "unmittelbar". Daher warnte der CDU-Mann: "Wir haben hier etwas zu verteidigen und da steht die Ukraine im Augenblick für viele - auch für uns. Und das werden wir fortsetzen, solange Putin diesen Angriff auf uns vorsetzt." Gleichzeitig stichelte Merz gegen Blome, indem er klarstellte, dass "die CDU" der deutliche Wahlsieger sei.

"Wir haben diese Wahl mit riesigem Abstand vor allen anderen Parteien gewonnen. (...) Diese Wahl war zunächst einmal eine Europawahl", so Merz, der sagte, dass seine Partei "allen Grund" habe, "mit diesem Wahlergebnis zufrieden zu sein". Anders dürfte es für FDP, SPD und Grüne aussehen, wie Nikolaus Blome nüchtern feststellte: "Die Ampel-Parteien sind ganz schön gerupft worden."

Friedrich Merz betonte immer wieder, dass die Union Wahlsieger sei (Bild: Reuters)
Friedrich Merz betonte immer wieder, dass die Union Wahlsieger sei (Bild: Reuters)

Die AfD konnte einen starken Zuwachs verbuchen, das BSW schaffte ein sehr gutes Ergebnis aus dem Stegreif. Alice Weidel sah sich in ihrer politischen Richtung bestätigt und wetterte gegen die Grünen: "Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz, Anm. d. Red.) gehört abgeschafft!" Weidel weiter: "Sie können ein Industrieland wie Deutschland nicht mit Flatterstrom (...) betreiben." Dagegen konterte Lars Klingbeil, dass das Heizungsgesetz zwar "zu schnell" über den Zaun gebrochen wurde, dies heiße jedoch "an keiner Stelle", dass beim Klimaschutz "eine Vollbremsung" getätigt werden müsse.

Auch das Thema Migration sorgte bei der ntv-"Runde der Parteichefs" für erhitzte Gemüter. Als Blome fragte, ob der Messer-Mord an dem jungen Polizisten in Mannheim "die Wahl mit entschieden" habe, reagierte Lars Klingbeil vorsichtig: "Das, was in Mannheim passiert ist, hat natürlich in den letzten Tagen nochmal für Verunsicherung gesorgt." Er finde es jedoch "unanständig", wenn jetzt mit diesem Mord "Wahlkampf gemacht" werde.

Ein Vorwurf, den Alice Weidel von sich wies und stattdessen die verfehlte Migrationspolitik der Ampel kritisierte: "Es ist festzuhalten, dass Deutschland sich einen völlig unverantwortlichen Kurs in der Migrationspolitik leistet." Während Klingbeil anmerkte, dass er durchaus für Abschiebungen nach Afghanistan sei und die Politik das Thema jetzt anpacken werde, warnte Friedrich Merz, dass die Wahrnehmung der Bevölkerung nach wie vor sei, "dass wir ein ungelöstes Problem haben". "Sie sind diejenigen, die heute eine Botschaft bekommen haben", so Merz zu den Vertretern der Ampel-Regierung.

Nikolaus Blome wollte abschließend wissen, ob das Ergebnis der Europawahl auch ein Indiz für die kommende Bundestagswahl sein könnte. Alice Weidel nickte: "Ich glaube, dass sich ein Trend abzeichnet, der noch beschleunigt wird." Weidel weiter: "Ich glaube, dass sich die Grünen nie wieder davon erholen werden."

Lars Klingbeil konnte dem nicht zu stimmen. Er äußerte stattdessen seine Hoffnung, dass viele Menschen nach der Europawahl wachgerüttelt werden und sich dafür einsetzen würden, dass "Nazis" in Zukunft keine weiteren Wahlerfolge feiern werden.

"Wen meinen Sie jetzt damit?", fragte daraufhin Alice Weidel. Klingbeil gab unumwunden zu, dass er die AfD meine. Weidel reagierte fassungslos: "Das ist eine Unverschämtheit!" Sahra Wagenknecht konterte nüchtern: "Sie haben schon Leute in Ihren Reihen, (...) auf die das zutrifft." Dennoch glaube Wagenknecht, dass Klingbeil mit seiner Aussage am Ende der AfD helfe. Eine Annahme, die Omid Nouripour Angst einjagte, denn: "Wenn die AfD noch stärker wird, wird sich Deutschland nicht von der AfD erholen."