In TV-Experiment kämpft Nora Tschirner mit ihrem Unfall-Trauma - und den Tränen

Das war richtig mutig: In der VOX-Reportage "Reine Kopfsache mit Nora Tschirner" wurde die Schauspielerin vor laufender Kamera sehr persönlich. Es ging für sie darum, ein Trauma aufzuarbeiten. Auf einem Sprungturm wurde die 41-Jährige von den Tränen überwältigt.

Auf dem Sprungturm kämpft Nora Tschirner mit den Tränen - ihr Unfalltrauma macht sich bemerkbar. (Bild: RTL / Mina TV)
Auf dem Sprungturm kämpft Nora Tschirner mit den Tränen - ihr Unfalltrauma macht sich bemerkbar. (Bild: RTL / Mina TV)

Ein traumatisches Erlebnis in der Vergangenheit schränkt die Handlungsfähigkeit im Hier und Jetzt ein: Ein Problem, das vielen Menschen bekannt ist, und doch spricht kaum jemand offen über solche psychischen Spätfolgen. Auch Schauspielerin Nora Tschirner (41) kämpft mit einem persönlichen Trauma. Sie hat sich jedoch dazu entschlossen, offen damit umzugehen und sich ihren Ängsten zu stellen. In der komplexen, unter die Haut gehenden VOX-Reportage "Reine Kopfsache mit Nora Tschirner" erzählte sie nun, teilweise mit den Tränen kämpfend, die ganze Geschichte. Alles begann mit einem Kanu-Unfall vor zwölf Jahren ...

Damals wagte sie im Rahmen einer Fernsehshow mit einer Nussschale von einem Kanu den Sprung von einem 15 Meter hohen Wasserfall. Bei dem Sturz sei ihr etwas gegen den Rücken geprallt, und sie erlitt daraufhin einen Schock. "Wenn mein Gehirn gewusst hätte, dass eigentlich alles in Ordnung ist, hätte ich nicht diese Schockstarre bekommen", erinnert sie sich an diesen Augenblick.

Wie können Ängste eine Art Eigenleben entwickeln? Diese Frage stellte sich auch Nora Tschirner (41) in einem äußerst persönlichen Selbstexperiment auf VOX. (Bild: RTL / Marco Justus Schöler)
Wie können Ängste eine Art Eigenleben entwickeln? Diese Frage stellte sich auch Nora Tschirner (41) in einem äußerst persönlichen Selbstexperiment auf VOX. (Bild: RTL / Marco Justus Schöler)

Nora Tschirner: "Fünf Sekunden Todesangst sind viel fürs System"

"Dadurch haben sich 25 Sekunden unter Wasser aber plötzlich viel länger angefühlt." Sie fürchtete um ihr Leben: "Fünf Sekunden Todesangst sind viel fürs System", so Nora Tschirner im Interview im Rahmen der am Mittwochabend ausgestrahlten Sendung. Mit den Folgen dieses für sie sehr schlimmen Erlebnisses habe sie bis heute zu kämpfen.

Die frühere Moderatorin und ehemalige "Tatort"-Kommissarin stellte sich bei VOX einem Selbstexperiment - mit der Zielsetzung, sowohl die kognitive Leistungsfähigkeit zu steigern als auch mutiger zu werden. Es gelte, so wurde eingangs des Beitrags erklärt, die Blockaden von damals loszuwerden und persönliche Grenzen zu sprengen. Gemeinsam mit einem Team aus Expertinnen und Experten ging sie den Fragen nach: Warum können Ängste eine Art Eigenleben entwickeln? Was passiert dabei im menschlichen Gehirn?

Hilfestellungen leisten unter anderem der Ordnungscoach und Gedächtnistrainer Dr. Boris Nikolai Konrad sowie der Psychotherapeut Dr. Dr. Wagner, der aufklärt: "Sich bewusst in Challenges zu begeben, ist der richtige Ansatz, um ein Kontrollgefühl zu entwickeln. Passiert dann wirklich was, kann ein starkes Angstgefühl in der Folge auftreten." Der Körper produziere Stress, um das Überleben im Zweifelsfall zu sichern. Genau hier müsse man auch bei Nora Tschirner ansetzen.

Bereits zu Beginn des Experiments kommt die Schauspielerin Nora Tschirner an ihre Grenzen. Sie soll in ein Kanu steigen und wird gedanklich sofort an den Tag des Unfalls zurückgeworfen. Wird sie ihre Panikattacken nach
Bereits zu Beginn des Experiments kommt die Schauspielerin Nora Tschirner an ihre Grenzen. Sie soll in ein Kanu steigen und wird gedanklich sofort an den Tag des Unfalls zurückgeworfen. Wird sie ihre Panikattacken nach "Reine Kopfsache mit Nora Tschirner" überwinden können? (Bild: RTL / Mina TV)

Gedächtnisleistung steigern, um Ängste zu überwinden?

Die ließ sich bereitwillig auf alles ein, was nun folgen sollte. "Ist bei meinem 40 Jahre alten Denkapparat noch Luft nach oben?", fragt sich die Schauspielerin kurz vor sämtlichen Tests - einige davon muss sie während MRT-Scans absolvieren. Obwohl sie laut Dr. Konrad zwar nicht schlecht abschneidet, bekommt sie einige Hausaufgaben. Übungen zum Arbeitsgedächtnis und zum sogenannten "Stroop-Effekt", auch als Farb-Wort-Interferenz bekannt, sowie Zahlenverbindungstests sollen spielerisch die Aufmerksamkeit zu schärfen. Doch inwiefern kann so etwas Nora Tschirner helfen, ihre Angst zu überwinden?

Es geht darum, in stressigen Situationen konzentriert zu bleiben. Gemeinsam mit der deutschen Rekordhalterin im Apnoetauchen Anna von Boetticher übte Tschirner zudem bestimmte Techniken, um nicht nur die Luft unter Wasser länger anzuhalten, sondern auch Reflexe zu kontrollieren. "Zu atmen ist der intensivste Instinkt, den wir überhaupt haben", so die Expertin. "Sich darüber hinwegzusetzen, ist eine echte Herausforderung." Man könne das auf viele Situationen übertragen, in denen man in Panik gerät. Die Schauspielerin macht schnell Fortschritte und bleibt am Ende der Übung ganze 80 Sekunden unter Wasser.

Dr. Boris Nikolai Konrad (links) führt einige Tests und MRT-Scans durch, um sich ein exaktes Bild von Nora Tschirners Gehirnstrukturen zu machen. Schließlich möchte er am Ende des Experiments Veränderungen feststellen können. Ausgangswerte und Vergleichsobjekte sind daher essenziell. (Bild: RTL / Mina TV)
Dr. Boris Nikolai Konrad (links) führt einige Tests und MRT-Scans durch, um sich ein exaktes Bild von Nora Tschirners Gehirnstrukturen zu machen. Schließlich möchte er am Ende des Experiments Veränderungen feststellen können. Ausgangswerte und Vergleichsobjekte sind daher essenziell. (Bild: RTL / Mina TV)

"Ich fühle mich einfach sehr schutzlos"

Dann folgt im Film ein Schlüsselerlebnis auf dem Sprungturm im Schwimmbad: Es sei sehr schwer gewesen, sich "in dieses Falltrauma zurückzubegeben", bekennt die Schauspielerin. Körperliche Angstreaktionen überrollen sie jedoch erst, als Dr. Wagner oben auf der Absprungfläche hinter sie tritt. Die Panik übermannt Tschirner, sie fängt zu weinen an: "Ich fühle mich einfach sehr schutzlos."

Der Experte erklärt: "Momente, in denen du glaubst, etwas nicht kontrollieren zu können, sind das Problem." Nach einigen Anläufen wagt sie den Sprung ins kalte Wasser - wortwörtlich. "Ich habe das Gefühl, ein großes Stück von mir selbst zurückzubekommen", schnieft die 41-Jährige unter Freudentränen. "Ich habe keinen Bock mehr, mich in meiner Abenteuerlust einschränken zu lassen."

Ein besonderes Abenteuer stellte die finale Übung dar: Das Überlebenstraining auf See, das die Marine in Bremerhaven absolviert, sollte nun auch Tschirner durchlaufen. Oberstleutnant Mathias Himpler setzt den Neuling in eine Art Metallkäfig, aus dem sich der "Keinohrhasen"-Star unter Wasser befreien soll. Sie meistert die Übung mit Bravour: "Ich hatte gerade das erste Mal das Gefühl, ein Hybrid, ein Unterwassertierchen zu sein", freut sich die Schauspielerin und setzt entschlossen ihre Schwimmbrille auf, um die letzte Challenge anzugehen: Sie muss sich aus einer Hubschrauberatrappe, die ins Wasser stürzt, befreien und hinterher 100 zuvor eingeprägte Ziffern auswendig aufsagen. So soll die Konzentrationsfähigkeit in Stresssituationen erprobt werden.

Die deutsche Rekordhalterin im Apnoetauchen Anna von Boetticher (rechts) trainiert gemeinsam mit Nora Tschirner, die Luft unter Wasser anzuhalten. Kontrolle über die Atmung zu haben, bedeute auch eine gewisse Kontrolle über Reflexe zu erlangen. Und das könne der Schauspielerin in stressigen Situationen von Nutzen sein, um nicht in Panik zu geraten. (Bild: RTL / Mina TV)

"Ich behalte von nun an die Kontrolle"

Nun hat Nora Tschirner zehn Minuten Zeit, um sich die Ziffern einzuprägen. Anschließend begibt sie sich gemeinsam mit weiteren Tauchern in den Hubschraubersimulator. "Es hat mich beruhigt, zu wissen, dass um mich Menschen herum sind, die genau wissen, was sie tun", blickt Tschirner auf die angespannte Situation zurück. Aufkommende Panik erstickt sie im Keim: "Ich behalte von nun an die Kontrolle." Aufgrund technischer Schwierigkeiten verzögert sich der Prozess jedoch. "Es gab einen Moment, da wäre mein Gehirn fast in eine Art Kanu-Nummer zurückgefallen", stöhnt die Schauspielerin. Nur durch das Training habe sie Ruhe bewahren können.

Psychotherapeut Dr. Dr. Wagner führt mit Nora Tschirner sogenannte progressiven Muskelentspannungsübungen durch. So sollen sowohl Atmung als auch der Blutdruck und der Pulsschlag ruhiger werden. (Bild: RTL / Mina TV)
Psychotherapeut Dr. Dr. Wagner führt mit Nora Tschirner sogenannte progressiven Muskelentspannungsübungen durch. So sollen sowohl Atmung als auch der Blutdruck und der Pulsschlag ruhiger werden. (Bild: RTL / Mina TV)

Zurück im Trockenen muss sie nun die Denkaufgabe meistern: "Einhundert Ziffern, mal sehen, wie viele aus meinem adrenalingeflutetetn Hirn jetzt noch herauskommen", witzelt die Schauspielerin. Und tatsächlich: Nora Tschirner macht keinen einzigen Fehler. Sie ist genauso stolz wie das Team, das sie bei dem Selbstexperiment begleitet hat. "Diese Reise in mein Gehirn war so befreiend." Der tiefere Sinn des Ganzen? - Nora Tschirner sagt, sie hoffe, sie könne auch die Zuschauerinnen und Zuschauer anstecken, sich ihren Ängsten zu stellen. Ins Nachdenken brachten einen diese tief beeindruckenden 90 Fernsehminuten ohne Zweifel.

Im Video: „Ich habe kategorisch gelogen“: Nora Tschirner verschwieg ihre Depression