TV-Kolumne zu „Markus Lanz“ - Die Debatte um Bad Oeynhausen offenbart einen fatalen gesellschaftlichen Reflex
Der Bürgermeister von Bad Oeynhausen spricht bei „Lanz“ über den wohl von einem syrischen Geflüchteten getöteten Philippos T. und was diese schreckliche Tat mit einem falschen gesellschaftlichen Reflex in der Integrationsdebatte zu tun hat.
Hinter dem CDU-Politiker Lars Bökenkröger liegen hochemotionale Wochen: Ende Juni wurde in Bad Oeynhausen – der Stadt, in der Bökenkröger Bürgermeister ist, – ein junger Mann zu Tode geprügelt.
Dringend tatverdächtig ist ein 18-jähriger Syrer, der 2016 mit seiner Familie nach Deutschland gekommen war. Er sitzt bereits in Untersuchungshaft. Ruhe ist damit aber noch lange nicht in Bad Oeynhausen eingetreten.
„Die Wut überwiegt“, sagt Lars Bökenkröger bei „Lanz“ über die emotionale Ausnahmelage der Bürgerinnen und Bürgern von Bad Oeynhausen. Wut über die Tat an sich und Wut über die Laschheit der deutschen Rechtsprechung: Der mutmaßliche Täter war bereits mehrfach wegen unterschiedlicher Delikte aufgefallen, doch nie verurteilt worden.
Es ist aber auch die Wut darüber, wieder einmal als Gesellschaft für die misslungene Integration eines Geflüchteten in Generalhaftung genommen zu werden.
Genau das ist der Reflex der regierenden Politik, sobald ein Geflüchteter straffällig wird: Was haben wir als Gemeinschaft wieder einmal falsch gemacht? Wo können und müssen wir uns verändern, um derlei Taten künftig zu verhindern? Und uns wieder sicher zu fühlen im eigenen Land?
Wo Nancy Faeser falsch lag
Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte direkt nach der Tat und der Verhaftung des Tatverdächtigen zunächst davon gesprochen, dass der junge Syrer seit acht Jahren in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht sei.
In Wahrheit aber lebte er dort mit seiner Familie schon lange nicht mehr. Der junge Mann war im Fußballverein, er hatte unterschiedliche Ausbildungen begonnen – und war letztendlich an sich selbst gescheitert. Für Faeser aber muss die Gesellschaft dafür in Kollektivhaft genommen werden.
Die Menschen in Deutschland würden zu Recht verärgert bis wütend reagieren, wenn sie stets zu hören bekommen, dass sie so etwas wie eine Mitschuld tragen, sobald ein fehlgeleiteter Immigrant jemanden zu Tode prügelt, ersticht oder anderweitig attackiert, urteilt Eva Quadbeck, Journalistin beim „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND).
Das Wort Integration sei mittlerweile zu einer Art Bringschuld der Gesellschaft geworden, kritisiert auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Und das halte ich für grundfalsch.“
Wenn selbst Ordnungskräfte sich fürchten
Bökenkröger spricht auch von der Verunsicherung und Angst, die in seinem Ort herrschen: Nicht einmal der Ordnungsdienst traue sich noch an Gruppen von Jugendlichen heran, die sichtbar einen Migrationshintergrund haben. Dass selbst Behördenvertreter von derlei Gangs nicht ernst genommen werden: „Das ist eine besorgniserregende Entwicklung.“
„Besorgniserregend“ ist da eine sehr diplomatische Untertreibung. Denn wenn schon jenen Menschen, deren Aufgabe das Schaffen von Ordnung ist, solche Begegnungen zu unsicher sind: Wie geht es dann der Bevölkerung damit?
Das Beispiel des jungen Syrers aus Bad Oeynhausen zeigt auf, warum so viele Geflüchtete die Staatsgewalt nicht mehr ernst nehmen: Weil diese allzu häufig wie ein zahnloser Papiertiger agiert, indem auf kleinere kriminelle Vergehen keine Strafe, sondern in den allermeisten Fällen gar nichts folgt.
Wenn man von einer kollektiven Schuld sprechen kann, dann vielleicht von dieser: Der deutsche Rechtsstaat schaut in vielen Fällen lieber zehn Mal weg als einmal richtig hin.
„Wir müssen in jeglicher Hinsicht als Gesellschaft wieder konsequenter sein“, fordert Bökenkröger. Der Bürgermeister betont, dass es in Deutschland auch viele Beispiele für gelungene Integration gibt: „Auch denen sind wir das schuldig, dass wir genau die identifizieren, die sich kriminell verhalten.“