Ukraine-Krieg: Die aktuellen Entwicklungen

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine herrscht in dem Land Krieg. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.

Dieser Ticker ist für heute beendet. Sie können hier die wichtigsten News des Tages nachlesen.

  • Kiew: Russen schießen auf Rettungsboot – drei Tote

  • Russland und die Ukraine tauschen erneut Kriegsgefangene aus

  • Selenskyj: Ukrainische Gegenangriffe laufen

  • Experten sehen bei ukrainischer Offensive lokale Erfolge für Kiew

  • Nach Zerstörung von Kachowka-Damm läuft Vermisstensuche weiter

  • Kanada kündigt neue millionenschwere Militärhilfen für Kiew an

  • AKW-Experte: Sorge um Saporischschja trotz monatelanger Kühlreserven

Die aktuelle Newslage im Livestream:

+++ Kiew: Russen schießen auf Rettungsboot – drei Tote +++

Russische Truppen haben nach Angaben des Präsidentenamts in Kiew im überschwemmten Kriegsgebiet Cherson auf ein Rettungsboot mit Zivilisten geschossen. Drei Menschen kamen ums Leben, zehn wurden verletzt, wie die Behörden mitteilten. «Russen sind feige Terroristen», teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram am Sonntag mit. «Sie haben den Zivilisten in den Rücken geschossen.» Die Verletzten hätten es über den Fluss Dnipro bis in die Stadt Cherson geschafft, die von ukrainischen Kräften kontrolliert wird.

Der Großteil des Gebiets Cherson ist von russischen Truppen besetzt. Die Kriegsparteien werfen sich seit Tagen gegenseitig Beschuss vor, während nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms dort Helfer versuchen, Bewohner ins Trockene zu bringen. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich häufig nicht unabhängig bestätigen.

+++ Russland und die Ukraine tauschen erneut Kriegsgefangene aus +++

Die Ukraine und Russland haben bei einem neuen Gefangenenaustausch jeweils mehr als 90 Männer wieder freigelassen. Kiew habe 95 Verteidiger zurückerhalten, die unter anderem bei Kämpfen um die Städte Bachmut und Mariupol in russische Gefangenschaft geraten seien, teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram am Sonntag mit. «Viele von unseren Leuten wurden verletzt in Gefangenschaft», sagte er. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau meldete die Freilassung von 94 eigenen Kämpfern aus ukrainischer Gefangenschaft.

Die freigelassenen russischen Soldaten sollen in medizinischen Einrichtungen des Ministeriums behandelt werden und eine Reha durchlaufen, hieß es in der Mitteilung der Behörde. In Kiew sagte Jermak auch, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj es als eine der Hauptaufgaben festgelegt habe, alle Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft in die Ukraine zurückzuholen. Daran werde jeden Tag 24 Stunden gearbeitet, sagte er.

+++ Selenskyj: Ukrainische Gegenangriffe laufen +++

In seiner Videobotschaft ging Selenskyj nur am Rande auf die Gefechte im Süden des Landes ein, nachdem er zuvor den Beginn von ukrainischen Gegenangriffen entlang der Front bestätigt hatte. Im Rahmen der Verteidigung liefen Gegenangriffe in der Ukraine, sagte er am Samstag bei einer Pressekonferenz in Kiew. «In welchem Stadium sie sind, werde ich detailliert nicht sagen.» Er ließ damit offen, ob es sich um den Beginn der seit Monaten erwarteten ukrainischen Gegenoffensive handelt.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa)
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine (Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa)

Zugleich widersprach Selenskyj Russlands Präsident Wladimir Putin, der am Vortag erklärt hatte, die ukrainische Gegenoffensive habe begonnen, jedoch habe Kiew seine selbst gestellten Ziele dabei nicht erreicht. Er würde weder Telegram-Kanälen noch Putin glauben, die das Scheitern der Offensive erklärten, sagte Selenskyj. Er sei täglich im Gespräch mit seinen Generälen und die seien «in guter Stimmung». «Das können Sie Putin so mitteilen.» Vertrauen könne man nur dem ukrainischen Militär. Der ukrainische Generalstab hat bislang öffentlich noch nichts zum Beginn der Gegenoffensive mitgeteilt. Die Offensive wird seit März erwartet. Kiew hat von westlichen Verbündeten zahlreiche Waffensysteme bekommen, unter anderem deutsche Schützenpanzer vom Typ Leopard. Mit der Großoffensive will die ukrainische Führung von Russland besetzte Territorien zurückerobern. Zuletzt gab es Berichte über schwere Gefechte im Süden der Ukraine.

+++ Experten sehen bei ukrainischer Offensive lokale Erfolge für Kiew +++

Die ukrainischen Streitkräfte haben bei ihrer Offensive gegen die russische Armee im Gebiet Saporischschja im Süden des Landes nach Einschätzung westlicher Experten lokale Erfolge erzielt. Die Gewinne gebe es im Westen des Gebiets Saporischschja und dort im Südwesten und Südosten der Stadt Orichiw, teilte das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington mit. Insgesamt gebe es ukrainische Offensivhandlungen an vier Abschnitten der Front, hieß es. Dagegen hatte das russische Militär mitgeteilt, die Angriffe dort und im Gebiet Donezk um die Stadt Bachmut erfolgreich abgewehrt zu haben.

Symbolbild: LIBKOS/AP/dpa
Symbolbild: LIBKOS/AP/dpa

Die ukrainischen Luftstreitkräfte informierten am Sonntag auch über den erneuten Abschuss von sechs Drohnen im Gebiet Charkiw und Sumy an der Grenze zu Russland. Am Samstag hatte die ukrainische Luftabwehr mitgeteilt, dass 2 Marschflugkörper und 20 Drohnen abgeschossen worden seien. Demnach hatte Russland 35 Drohnen und 8 Raketen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert - auf militärische und wichtige Infrastruktur-Objekte. Die russischen Angriffe richteten sich demnach neben Odessa auch gegen Ziele in der Region Poltawa und in Charkiw.

+++ Nach Zerstörung von Kachowka-Damm läuft Vermisstensuche weiter +++

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Kriegsgebiet im Süden der Ukraine im Gebiet Cherson geht die Suche nach Vermissten weiter. Das ukrainische Innenministerium teilte am Sonntag mit, dass auf der von Kiew kontrollierten rechten Seite des Dnipro-Ufers noch 32 Ortschaften mit 3784 Häusern überschwemmt seien. 29 Menschen würden vermisst, hatte die Behörde am Vorabend mitgeteilt. 1400 Einsatzkräften seien beteiligt daran, die Folgen der Flut nach dem Bruch des Staudamms zu beseitigen, hieß es. Auch auf der von Russland besetzten Seite des Ufers dauerte die Evakuierung von Ortschaften an. Tausende Menschen wurden auf beiden Seiten des Flusses in dem umkämpften Gebiet in Sicherheit gebracht.

Der beschädigte Kachowka-Staudamm (Bild: Uncredited/Ukraine's Presidential Office/AP/dpa)
Der beschädigte Kachowka-Staudamm (Bild: Uncredited/Ukraine's Presidential Office/AP/dpa)

Die ukrainischen Behörden meldeten indes sinkende Wasserstände. Demnach stand der Hochwasserpegel des Dnipro in Cherson am Sonntagmorgen bei 4,18 Meter, gut einen halben Meter weniger als am Vortag. Das Wasser fließt ins Schwarze Meer ab. Der Betreiber des zerstörten Kachowka-Kraftwerks teilte mit, dass der Wasserstand im Stausee ebenfalls weiter sinke. Er lag demnach bei 9,35 Meter, das waren mehr als sieben Meter weniger als am Dienstag. Die weitere Entwicklung der Lage dort sei schwer vorhersehbar, hieß es.

+++ AKW-Experte: Sorge um Saporischschja trotz monatelanger Kühlreserven +++

Die Sicherheit des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja ist laut einem Experten für Reaktorsicherheit nach der Zerstörung eines Staudamms mittelfristig in Gefahr. Die Wasserversorgung der Kühlsysteme sei trotz des Dammbruchs für einige Monate gewährleistet, sagte Nikolaus Müllner von der Universität für Bodenkultur in Wien. Doch angesichts der Kriegshandlungen sei es fraglich, ob dieses Zeitfenster genutzt werden könne, um alternative Wasserquellen zu erschließen, sagte der Leiter des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist natürlich eine bedrohliche Situation», sagte er.

Außerdem hatte IAEA-Chef Rafael Grossi davor gewarnt, dass der große Kühlteich des AKW von den Kriegsparteien beschädigt werden könnte. Darüber hinaus besteht laut Grossi und Greenpeace-Aktivisten die Gefahr, dass der Deich um den Teich wegen der veränderten Pegelstände unter zu hohen Druck gerät und Schaden nimmt.

Gesamtansicht des Kernkraftwerks Saporischschja (Bild: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa)
Gesamtansicht des Kernkraftwerks Saporischschja (Bild: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa)

Am Dienstag hatten sowohl die Ukraine als auch Russland schwere Schäden am Staudamm und Wasserkraftwerk von Nowa Kachowka in russisch besetztem Gebiet am Fluss Dnipro gemeldet und sich gegenseitig die Schuld gegeben. Die Überschwemmungen allerdings betreffen das ebenfalls russisch kontrollierte AKW, das mehr als 100 Kilometer weit flussaufwärts liegt, nicht direkt.

Doch das größte europäische Kernkraftwerk bezieht Wasser zur Kühlung der sechs stillgelegten Reaktoren und des Atommülls aus dem aufgestauten Dnipro. Der Pegelstand dieses Reservoirs könnte laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) schon bald so tief sinken, dass daraus kein Wasser mehr abgepumpt werden kann. Das AKW verfügt jedoch über einen etwa zwei mal drei Kilometer großen Kühlteich, sowie kleinere Kühlteiche, Kanäle und Brunnen, mit denen die Kühlsysteme monatelang weiterbetrieben werden können, um ein katastrophales Überhitzen wie in Tschernobyl (1986) oder Fukushima (2011) zu verhindern.

Unter normalen Umständen reiche dieses Zeitfenster aus, um etwa Ansaugrohre im Dnipro-Reservoir tiefer zu legen, sagte Müllner. Es sei jedoch schwer einschätzbar, ob dies aktuell möglich sei, «da das Kernkraftwerk direkt an der Frontlinie liegt», sagte der Experte.

+++ London: Staudamm-Zerstörung mit Folgen für Wasserversorgung der Krim +++

Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine dürfte nach britischen Erkenntnissen Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung der russisch besetzten Krim-Halbinsel haben. Der Dammbruch habe mit ziemlicher Sicherheit schwere Beeinträchtigungen der wichtigsten Frischwasserquelle der Krim, dem Nord-Krim-Kanal, verursacht, teilte das britische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Das Wasser aus dem Kachowka-Reservoir werde bald aufhören, über den Kanal Richtung Krim zu fließen.

Dies werde die Verfügbarkeit von Süßwasser im Süden des Gebietes Cherson und im Norden der Krim verringern, schrieben die Briten in ihrem täglichen Geheimdienst-Update. Russland werde den unmittelbaren Wasserbedarf der Bevölkerung jedoch vermutlich unter anderem mit Hilfe von Reservoirs, Wasserrationierungen und der Lieferung von russischem Flaschenwasser auffangen.

Die Gemeinden sowohl auf der ukrainisch kontrollierten wie auf der russisch besetzten Seite des Flusses Dnipro seien gleichzeitig mit einer Sanitärkrise mit eingeschränktem Zugang zu sicherem Trinkwasser und einem erhöhten Risiko von Krankheiten konfrontiert.

+++ Selenskyj dankt Kanada für Artilleriemunition +++

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich nach einem überraschenden Besuch von Kanadas Premierminister Justin Trudeau für neue Militärhilfe aus Ottawa bedankt. Wichtig sei vor allem die Lieferung von Artilleriemunition, sagte er am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Er lobte zudem Kanadas Einsatz für eine internationale Koalition, die der Ukraine bei der Beschaffung westlicher Kampfjets helfen soll.

Justin Trudeau und Wolodymyr Selenskyj (Bild: Reuters)
Justin Trudeau und Wolodymyr Selenskyj (Bild: Reuters)

Im Gegenzug sei Kiew bereit, Kanada bei der Bekämpfung der dortigen Waldbrände zu helfen, falls eine solche Unterstützung nötig sei, sagte Selenskyj. Zugleich rief er internationale Hilfsorganisationen erneut dazu auf, sich angesichts der verheerenden Überschwemmungen nach der Staudamm-Zerstörung in der Südukraine auf von Russland besetztem Gebiet zu engagieren. Am rechten, ukrainisch kontrollierten Dnipro-Ufer seien inzwischen 3000 Menschen vor den Wassermassen in Sicherheit gebracht worden. Im russisch kontrollierten Gebiet erhielten die Menschen aber keine wirkliche Hilfe aus Moskau, sagte Selenskyj.

+++ Kanada kündigt neue millionenschwere Militärhilfen für Kiew an +++

Mit Blick auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms stelle Kanada weitere zehn Millionen Kanadische Dollar (knapp sieben Millionen Euro) für humanitäre Hilfe bereit, sagte Trudeau bei seinem Besuch in Kiew. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj bekräftigte er am Samstag die fortlaufende Unterstützung für das von Russland angegriffene Land. «Kanada steht an der Seite der Ukraine mit allem, was nötig ist und solange es nötig ist», sagte er. «Das ist ein folgenreicher Moment für die Ukraine, aber auch ein folgenreicher Moment für die Welt.»

Trudeau sagte der Ukraine weitere Militärhilfen im Umfang von etwa 500 Millionen kanadischen Dollar (knapp 350 Millionen Euro) zu. Außerdem werde sich Kanada dem multinationalen Ausbildungsprogramm für ukrainische Kampfpiloten und der Wartung von Kampfpanzern des Typs Leopard anschließen. Der nordamerikanische Nato-Staat hat Kiew nach eigenen Angaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs bereits Militärhilfen im Umfang von mehr als einer Milliarde Dollar zur Verfügung gestellt.

+++ Russisches Militär will vier weitere Leopard-Panzer zerstört haben +++

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben weitere Vorstöße der Ukrainer im Gebiet Saporischschja und im südlichen Donezk abgewehrt und den Angreifern dabei hohe Verluste zugefügt. «Die Gesamtverluste der ukrainischen Streitkräfte in den genannten Gebieten innerhalb eines Tages beliefen sich auf bis zu 300 Soldaten, 9 Panzer, darunter 4 Leoparden, und 11 Schützenpanzer, darunter 5 amerikanische Bradley», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Samstag. Auch eine französische Haubitze vom Typ Cesar sei zerstört worden. Unabhängig lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Angriffe habe es nahe der Stadt Orichiw und an der Grenze zwischen den Gebieten Saporischschja und Donezk südlich der Ortschaft Welyka Nowosilka gegeben, sagte Konaschenkow. «Alle Attacken des Gegners wurden zurückgeschlagen», hieß es weiter - zudem seien zwei ukrainische Marschkolonnen von der russischen Artillerie getroffen worden. Das Verteidigungsministerium präsentierte anschließend Bilder zerstörter Panzer. Angaben des Ministeriums zu Verlusten der ukrainischen Seite haben sich in der Vergangenheit oft als übertrieben herausgestellt.