Unregierbarkeit und Stillstand drohen - Frankreichs politisches Schicksal auf Messers Schneide

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Herausforderin Marine Le Pen.<span class="copyright">Foto: AFP/JOEL SAGET</span>
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Herausforderin Marine Le Pen.Foto: AFP/JOEL SAGET

Frankreich steht kurz vor einer Parlamentswahl, die das politische Schicksal des Landes maßgeblich prägen wird. Drei Tage vor der Abstimmung ist das Ergebnis noch völlig offen.

Die politische Zukunft Frankreichs hängt in der Schwebe, da die Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in der ersten Runde der Parlamentswahlen an diesem Sonntag über 35 Prozent der Stimmen erhalten könnte. Die Linke folgt mit bis zu 29 Prozent, während das Zentrum um Präsident Emmanuel Macron mit rund 20 Prozent abgeschlagen zu sein scheint. Dies berichtet „AFP“ unter Berufung auf aktuelle Umfragen.

„Kohabitation“ oder Regierungskrise möglich

Je nach Ausgang der Wahlen könnte Präsident Emmanuel Macron gezwungen sein, in einer “Kohabitiation” mit einem Premierminister aus einer gegnerischen Partei zusammenzuarbeiten. Zudem besteht das Risiko, dass keine politische Kraft in der Lage sein wird, eine stabile Mehrheit zur Regierungsbildung für mindestens ein Jahr zu bilden – ein Szenario, das die Führung der zweitgrößten Volkswirtschaft der EU und ihrer führenden Militärmacht erheblich erschweren würde.

Die Möglichkeit einer Kohabitation, also einer Zwangsgemeinschaft verschiedener politischer Lager, entsteht, wenn der Präsident und die Mehrheit der Nationalversammlung unterschiedliche politische Orientierungen aufweisen. Dies würde Macrons Fähigkeit, seine politische Agenda durchzusetzen, erheblich beeinträchtigen.

Le Pen möchte Ukraineunterstützung zurückfahren

Marine Le Pen plant bereits für eine absolute Mehrheit und eine von RN geführte Regierung. Sie machte deutlich, dass der Präsident nur begrenzte Macht innehat, da der Premierminister über die Staatsfinanzen bestimmt. „In Bezug auf die Ukraine wird der Präsident keine Truppen entsenden können“, sagte sie im Gespräch mit „Le Télégramme“ und stellte damit Macrons Warnung an Moskau in Frage, Frankreich würde alle Optionen auf den Tisch legen, um die russische Invasion in der Ukraine zu stoppen.

Jordan Bardella, Le Pens Kandidat für das Amt des Premierministers, hat bereits versprochen, keine Langstreckenraketen oder andere Waffen an Kiew zu senden, die russisches Territorium erreichen könnten, was eine Kehrtwende zu Macrons Politik darstellen würde.

Wahlkampf in heißer Phase

Gabriel Attal, der derzeitige Amtsinhaber und von Macron als Frankreichs jüngster Premierminister ernannt, wird in der entscheidenden letzten Fernsehdebatte am Donnerstagabend gegen Bardella und Olivier Faure, den Führer der Sozialistischen Partei, antreten.

Attal warb bereits am Mittwoch bei einem Auftritt um Unterstützung und forderte die Franzosen auf, sowohl die RN, die Teile der Bevölkerung stigmatisiere, als auch ein linkes Bündnis, das er des Sektierertums beschuldigte, nicht zu wählen. Bardella seinerseits versucht, seine Pläne für Frankreich darzulegen, insbesondere, wie er Macrons unbeliebte Anhebung des Rentenalters rückgängig machen und eine Politik zur Befreiung der Unter-30-Jährigen von der Einkommenssteuer umsetzen würde.

Deutlicher Anstieg der Wahlbeteiligung erwartet

In einem Bericht von „Le Monde“ wird die hohe Wahlbeteiligung beschrieben, die bei den anstehenden Parlamentswahlen zu erwarten ist. Laut einer neuen Umfrage wollen zwischen 61 und 65 Prozent der Befragten, ihre Stimme abgeben. Dies wäre ein deutlicher Anstieg gegenüber der geringen Wahlbeteiligung von 47,5 Prozent bei den letzten Parlamentswahlen vor zwei Jahren.