Kommentar von Hugo-Müller-Vogg - Grüne bremsen nicht in Asylpolitik? Wir helfen Ihrem Gedächtnis, Frau Göring-Eckardt

Asylsuchende gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.<span class="copyright">Patrick Pleul/dpa</span>
Asylsuchende gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.Patrick Pleul/dpa

Die Kommunen ächzen, die Bundespolitik verspricht Abhilfe, doch der Migrationsdruck in Deutschland ist nach wie vor hoch. Eine Spitzen-Grüne sagt jetzt: Wir waren nie die Bremser bei der Asylpolitik, Hier ein paar Erinnerungen, liebe Frau Göring-Eckardt.

Jetzt wissen wir es also: Bei der Begrenzung der Migration sind die Grünen nicht die Bremser; dies sei ein „falsches Klischee“.  Das behauptet jedenfalls Katrin Göring-Eckardt, einst Spitzenkandidatin dieser Partei und heute Bundestagsvizepräsidentin.

Ob sie das selbst glaubt, was sie jetzt im „Spiegel“ zum Besten gibt? Das kann sie allenfalls, wenn sie völlig vergessen hat, wie die migrationspolitische Debatte der letzten zehn Jahre verlaufen ist. Aber durch Gedächtnisschwäche ist diese Politikerin bisher nie aufgefallen.

Grünen unterstützen Merkels Politik der offenen Grenzen

Zur Erinnerung: Als die Große Koalition 2015 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Politik der weit geöffneten Grenzen verfolgte, standen die Grünen - obwohl im Bundestag in der Opposition - fest an der Seite der CDU-Kanzlerin. Merkels „Wir schaffen das“ trugen sie begeistert mit.

Damals schwelgten die Grünen geradezu im Willkommensrausch. Und Göring-Eckardt schwärmte, „jetzt bekommen wir auf einmal Menschen geschenkt“. Dass nicht wenige der Neuankömmlinge durch illegale, teilweise gewaltsam erzwungene Grenzübertritte sich zum „Geschenk“ gemacht hatten, übersah sie geflissentlich.

Die Melodie, dass Zuwanderer grundsätzlich unser Land bereicherten, ist von dieser Grünen sogar schon vor der Flüchtlingskrise von 2015 intoniert worden. „Sind wir ein Land, das für Migrantinnen und Migranten offen ist?“ fragte sie im Herbst 2013. Und begründete die Notwendigkeit einer solchen Offenheit unter anderem so: „Weil wir auch Menschen hier brauchen, die in unserem Sozialsystem zu Hause sind, und die sich hier auch zu Hause fühlen können“

Grüne kritisieren EU-Türkei-Abkommen zu Flüchtlingsbegrenzung

Die Grünen waren nie Bremser einer ungeordneten Zuordnung; sie wollten diese einfach hinnehmen und das sogar gut finden. Als die Regierung Merkel/Steinmeier sich 2016 zusammen mit anderen europäischen Ländern daran machte, den Flüchtlingsstrom aus Syrien durch ein Abkommen mit der Türkei zu begrenzen, liefen die Grünen dagegen Sturm. Sie nannten das Abkommen der EU mit der Türkei „asylrechtswidrig“.

Wann immer es in den folgenden Jahren um eine bessere Kontrolle der Zuwanderung ging, waren die Grünen dagegen - gegen Höchstgrenzen, gegen die Ausweitung der als sicher geltenden Herkunftsländer, gegen Abschiebung illegaler Migranten. Als sie im Bund noch in der Opposition waren, nutzen sie ihren Einfluss in Landesregierungen und über den Bundesrat entsprechend.

Inzwischen haben selbst die Grünen erkannt, dass die illegale Migration so nicht weitergehen kann. Ihre eigenen Kommunalpolitiker weisen darauf hin, dass Kommunen wie das Sozialsystem überfordert werden. Ganz abgesehen davon, dass diese Politik nur die Extremisten stärkt.

Was Göring-Eckardt verschweigt

Gegen das angeblich „falsche Klischee“ von den Grünen als Bremser führt Göring-Eckardt jetzt die EU-Asylreform mit der Registrierung an den Außengrenzen an. Es ist richtig: Die Bundesregierung hat dieser Reform zugestimmt, die grüne Außenministerin Annalena Baerbock diese in Brüssel mitverhandelt,

Was Göring-Eckardt aber verschweigt: Die Grünen-Spitze konnte nur mit größter Mühe verhindern, dass der Länderrat ihrer Partei dies 2023 verurteilte und verhinderte. Nicht verhindern konnte oder wollte die Grünen-Spitze, dass die deutschen Grünen im Europaparlament gegen den europäischen Kompromiss stimmten. Das geschah übrigens erst im April dieses Jahres, Göring-Eckardt müsste sich also noch daran erinnern können.

Noch kürzer liegt das Mannheimer Messerattentat eines Afghanen zurück. In der dadurch ausgelösten Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan fielen die Grünen durch Doppelzügigkeit auf. Sie waren grundsätzlich dafür, bezweifelten aber, dass dies möglich sei.

Göring-Eckardt unterstützt Abschiebung von Straftätern - mit Einschränkungen

Da liegt Göring-Eckardt ganz auf Parteilinie. „Ich bin dafür, Straftäter abzuschieben,“ sagte sie dem „Spiegel“. Aber mit einer Einschränkung „Wenn es praktisch, politisch und rechtlich geht, auch nach Afghanistan, ja.“ Davon, dass die Bundesregierung das möglich machen sollte und müsste, sagte sie nichts.

Die Grünen befinden sich in einer schwierigen Lage. Sie sind nach der AfD die von den Bürgern am stärksten abgelehnte Partei. Ihre Wählerschaft ist auf 11 bis 12 Prozent geschrumpft. Bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg könnte sie drei Mal an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Die Grünen sind der Bremser

Das hängt auch damit zusammen, dass das Thema Begrenzung der Migration von den meisten Bürgern als besonders dringend eingestuft wird. Da haben die Grünen eben nichts zu bieten.

Das Civey-Institut hat kürzlich gefragt, welche Parteien „daran interessiert sind, die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland zu reduzieren?“ Das Ergebnis: Ganze 6 Prozent gehen davon aus, die Grünen hätten ein echtes Interesse an einer grundlegend anderen Flüchtlingspolitik.

Die allermeisten Bürger sehen in der Öko-Partei, das was sie ist: ein Bremser bei der Begrenzung der Zuwanderung. Offenbar haben viele Menschen mit Blick auf die Migrationspolitik der Grünen ein besseres Gedächtnis als Göring-Eckardt.